Kevin Smith liebt Filme. Bereits in seinem minimalistischen Debütfilm „Clerks – Die Ladenhüter“ nutzte der Vollblut-Nerd aus New Jersey jede freie Filmminute, um seine Figuren in charmante Wortgefechte über die Arbeitsbedingungen auf dem Todesstern in „Star Wars: Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ zu verstricken. In diesem Mikrokosmos voller liebenswerter Verlierer, deren Zukunftsträume seit dem Ende der High School in einem Pappkarton im Wandschrank vermodern, fühlte sich Smith stets am wohlsten. Mitunter sogar zu wohl, denn Smiths filmische Ausbruchsversuche („Cop Out“, „Red State“, „Tusk“) waren nur von bescheidenem Erfolg gekrönt. Also hieß es für Kevin Smith: Zurück nach Jersey.
In seinem 15. Langfilm „The 4:30 Movie“ orientiert sich Kevin Smith lose an seiner eigenen Jugend, in der er sich mit Freunden klammheimlich in Lichtspielhäuser eingeschlichen hat. Der Jugendliche Brian David (Austin Zajur) wächst 1986 in New Jersey heran und saugt alles an Filmen auf, was ihm auf dem Fernseher und der Kinoleinwand über den Weg läuft. Doch neben seiner Liebe für das Bewegtbild schlägt sein Herz auch für Melody Barnegat (Siena Agudong), die er nach einem Kuss im vergangenen Sommer jedoch nicht mehr angerufen hat. Ein neuer Kinofilm soll das Eis zwischen den beiden endgültig brechen, weshalb sich die Teenager nachmittags am örtlichen Kino verabreden. Doch das Date soll nicht so ablaufen wie von Brian geplant.
Leise Töne zwischen heranwachsenden Männern
In „The 4:30 Movie“ traut sich Smith nach den zuletzt enttäuschenden Wiederbelebungsversuchen seines „Clerks“-Universums („Jay and Silent Bob Reboot“, „Clerks III“), „sein“ New Jersey von einer erfrischend anderen Seite zu zeigen. Im Mittelpunkt steht das ulkige Trio Brian, Belly (Reed Northrup) und Burny (Nicholas Cirillo), die über die Filmlaufzeit die Eckpunkte ihrer Freundschaft ausloten. Während Brian Melodys Herz und seiner eigener Autorenkarriere mit einem Diktiergerät nachjagt, will Burny nur etwas von richtigen Männerthemen wissen wie Frauen, Trucks und Wrestling, weshalb die beiden oft aneinandergeraten. Der stille Belly mit der Vokuhila-Frisur findet sich meist in der Mediatorenrolle wieder – zum Glück mit einer beschwichtigenden Portion „Movie Bacon“ in der Jeans-Westentasche.
Kevin Smith lässt in diesem kleinen Coming-of-Age-Abenteuer sein Gespür für die leisen, zwischenmenschlichen Töne wiederaufleben. Der eigentlich schon 30-jährige Austin Zajur, der im echten Leben mit Smiths Tochter Harley Quinn Smith liiert ist, spielt den halb so alten Teenager Brian mit Lockenkopf und Babyface bravourös. Die Selbstzweifel etwa über seine Körpergröße brechen wegen Burnys Triez-Tiraden immer wieder aus Brian heraus und verleihen dem wohligen Feelgood-Nerdtum ernsthafte Anklänge. Während Burnys ultramaskuline Einstellung nach dem Treffen mit einem Wrestling-Idol ins Wanken gerät, bleibt Belly charakterlich blass und dient meist als triebfixierter Stichwortgeber für den nächsten Vorfall, der Brians Verabredung mit Melody zum Scheitern bringen könnte.
Der heimliche Star ist das Kino
Doch der eigentliche Hauptdarsteller des Films bleibt stumm im Hintergrund. Im Fokus von „The 4:30 Movie“ steht ganz klar das örtliche Lichtspielhaus, das für Brian und seine Freunde die Welt bedeutet. Hier finden sie alles, was ihnen zum Eskapismus vor realen Gefahren wie Nuklearkatastrophen oder Kaltem Krieg hilft – und natürlich jede Menge Raum zum cineastischen „Abnerden“. Kevin Smith setzt hier auf liebenswerte Klischees wie etwa stets miesgelaunte Platzanweiser, merkwürdige Kunden in der Popcornschlange oder den kinderhassenden Kinobetreiber (grandios gespielt von Ken Jeong). Das Leben des Trios und ihr großer Kampf um Liebe, Anerkennung und Freundschaft findet genau dort statt – in einem schummrigen Kinosaal in New Jersey, mit intergalaktischen Biberkriegern auf der Leinwand und pappigem Popcorn unter den Schuhsohlen.