Music by John Williams

Dokumentarfilm | USA 2024 | 106 Minuten

Regie: Laurent Bouzereau

Ein dokumentarisches Werkporträt über Filmkomponist John Williams. In einer virtuosen Kompilation von Interviews und Filmausschnitten liefert der Film eine mitreißende, mehr emotionale als didaktische Passage durchs Schaffen des erfolgreichsten Komponisten des Hollywoodkinos nach der klassischen Studioära. Dabei zielt er weniger auf eine Analyse der Kompositionstechniken als auf kurzweilige, aber durchaus tiefschürfende Erlebnisberichte von (prominenten) Fans und Wegbegleitern und baut ganz auf das Oeuvre und das Charisma des Maestros, der in 70 Jahren Schaffensphase den Ton des modernen Blockbuster-Kinos definierte. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
MUSIC BY JOHN WILLIAMS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Imagine Ent./Amblin Televsion/Nedland Media/Lucasfilm Ltd.
Regie
Laurent Bouzereau
Schnitt
Sierra Neal · David Palmer · Jason Summers
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm | Dokumentarisches Porträt | Musikdokumentation
Externe Links
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Ein dokumentarisches Werkporträt übers Schaffen von Filmkomponist John Williams, der mit "Star Wars", "Indiana Jones", "E.T." und Co. das Hollywoodkino des Blockbuster-Zeitalters musikalisch prägte wie kein Zweiter.

Diskussion

Der allererste Film, den man im Kino gesehen hat, ist oft ein derart prägendes Ereignis, dass man sich ein Leben lang daran erinnert. Wenn man in die Augen von „Coldplay“-Frontmann Chris Martin schaut, die entwaffnend aufrichtig strahlen, während er von „E.T.“ erzählt, glaubt man ihm jegliche Lobhudelei. Zu seinen verbalen Erinnerungen werden Fragmente des erinnerten Films sowie Szenen aus den Aufnahme-Sessions der Filmmusik eingespielt; vor allem jene Szene, in der der kleine Elliott samt seines BMX-Rades und der mentalen Kraft des im Fahrradkorb sitzenden Außerirdischen in die Luft emporzuschweben beginnt und den Vollmond als Silhouette quasi stempelt.

Martin holt dazu sein Handy heraus und spielt dem Interviewer die Musik dazu ein, die nach eigenem Bekunden seiner Karriere als Erwachsener die entscheidende Richtung gegeben habe. Es sind die Momente des musikalischen Finales, die dem Sänger seither das Gefühl gegeben haben, zusammen mit „E.T.“ schweben zu können. Daher hat er den Komponisten dieser Melodien gefragt, ob er sie quasi als Einmarschmusik immer dann spielen dürfe, wenn Coldplay die Konzertbühnen der Welt betritt. John Williams hat „Ja“ gesagt, meint Chris Martin nicht ohne Stolz und Rührung. Und dann wendet er sich wieder den Orchesterklängen von „E.T.“ zu, die gerade dabei sind, ein letztes Mal im crescendo maestoso das Leitthema des Films zu intonieren. Und zu seinem befreienden Lachen gesellen sich feuchte Augen purer Freude: „Perfekt!“ Schnitt.

Melodien, die das, was Kino ausmacht, auf den Punkt bringen

Die Menschen, die in Laurent Bouzereaus Dokumentarfilm „Music by John Williams“ zu Wort kommen, um über die Begegnungen mit den Musiken des Filmkomponisten zu berichten, halten sich nicht lange mit Allgemeinplätzen auf, sondern werden schnell persönlich. Denn alle verbinden mit den Klängen Momente, die tief in ihnen etwas Bleibendes hinterlassen haben. Unabhängig davon, ob sie „nur“ Fan oder alte Wegbegleiter sind. Wenn Steven Spielberg – mit dem Williams zusammen in nunmehr 50 Jahren 29 Filme gemacht hat –mit seiner Frau Kate Capshaw im Wohnzimmer sitzt und erzählt, wie sie beim ersten Vorspielen des Titelthemas zu „Schindlers Liste“ geweint haben, so ist das keine Interview-Plattitüde, sondern tief empfunden. Diese Melodie des Trauerns und der Erhabenheit wirkt. Man braucht sich nur die Augen von Kate Capshaw in jenem Moment betrachten, als sie „Schindlers Liste“ nach all den Jahren wieder hört.

John Williams ist nicht verstorben; er hat kein Jubiläum. Trotzdem scheint derzeit das Bedürfnis da zu sein, ihm ein Denkmal zu setzen. Im Frühjahr 2024 hat man ihm in den Sony-Studios ein ganzes Gebäude gewidmet und es „John Williams Music Building“ genannt (in ihm ist u.a. das „Cary Grant“-Kino und die „Barbra Streisand“-Scoring-Stage), und nun würdigt ihn Laurent Bouzereau, seinerseits ein Meister des filmkundlichen Dokumentarfilms, mit diesem Porträt. Ohne konkreten Anlass, außer vielleicht diesem: Er ist auch mit 92 Jahren schlicht der Beste!

Wenn man in der Filmmusik von Hymnen spricht, von Melodien, die das, was Kino ausmacht, auf den Punkt bringen, fällt zwangsläufig sein Name. Wie kein anderer unter den Filmkomponisten hat er mit seiner Arbeit die Fantasie der – jungen und alten, männlichen und weiblichen – Kinozuschauer in eine Welt begleitet, in der die Realität mit der Imagination verschmilzt und geheime Wünsche und Utopien wahr werden.

„Oscar“-Rekord

Für zwei Stunden mit Luke Skywalker in der Sternenflotte gegen das Böse kämpfen, mit Superman die Welt retten, mit E.T. fliegen, mit Indiana Jones auf die Suche nach dem Heiligen Gral gehen oder die verborgene Insel von Jurassic Park entdecken. Mögen die Regisseure dazu Steven Spielberg, George Lucas oder Richard Donner heißen, die Musik ist immer: John Williams.

Der 1932 auf Long Island in eine Musikerfamilie geborene Williams, der eigentlich Konzertpianist werden wollte, dann aber in Los Angeles irgendwie über den Jazz in die Filmmusik schlitterte, ist der erklärte Liebling Hollywoods: In seiner nunmehr 70 Jahre währenden Karriere erntete er nicht weniger als 54 „Oscar“-Nominierungen (Rekord!), und fünf Mal bekam er die begehrte Goldstatuette letztendlich überreicht.

Laurent Bouzereau kennt die Hollywood-Gewaltigen wie kaum ein anderer

Kein Wunder, dass sich Produzenten wie Brian Grazer, Ron Howard, Frank Marshall und Steven Spielberg zusammengetan haben, um ihm und seiner Musik dieses Doku-Denkmal zu setzten. Dazu suchten sie sich einen Dokumentarfilm-Regisseur, der wie kein anderer dazu in der Lage ist, die Leute hinter der Kamera greif- und verstehbar zu machen. Laurent Bouzereau hat abendfüllend die Entstehungsgeschichten von „Der weiße Hai“, „Psycho“, „Lawrence von Arabien“, „Der Exorzist“ und hunderter anderer Klassiker analysiert und dabei bewiesen, dass „Behind-the-Scenes Documentaries“ oder „Making-ofs“ mindestens so spannend und unterhaltsam sein können wie der Betrachtungsgegenstand selbst. Der 62-jährige Franzose kennt die Hollywood-Gewaltigen wie kaum ein anderer, sodass sie ihm inzwischen Geschichten so ungezwungen erzählen, als wären sie zu Gast bei Freunden. Mit Spielberg und Williams ist er seit Jahrzehnten tatsächlich eng befreundet, sodass sich die Geschichte der Filmmusik, so wie sie John Williams, schrieb, fast wie von selbst erzählt.

Bouzereau hält sich nicht allzu lange mit technischen Details über die Kunst der Komposition auf. Auch didaktisch geht es nicht im Übermaß zu. Aus dem breiten Fundus an Fotografien, historischen und eigens geführten Interviews sowie etlichen Filmausschnitten kreiert er einen „Stream of Consciousness“, der Staunen macht. Kein Wunder, bei einer derartigen Dichte von zeitlosen Klassikern und Ohrwürmern, die im Moment des Hörens nicht nur das Kopfkino der Interviewten, sondern auch des Zuschauers ankurbeln. Man bekommt immense Lust aufs Wiedersehen und Hören all der großen und kleinen Filme, bei denen man sich immer schon gewundert hat, warum sie so „familiär“ klingen. Williams schaffte es immer wieder – wie durch Zauberhand – die Essenz dessen, was seine Kollaborateure auf die Leinwand gebracht haben, musikalisch in die Herzen der Betrachter zu pflanzen.

Zwar kann auch Bouzereau sich nicht der Tatsache verschließen, dass Filmmusik weg vom Orchesterzauber schon längst zum computergenerierten Sounddesign mutiert ist. Vielleicht sei es nur wieder eine Phase wie in den 1960er- und 1970er-Jahren, als die Regisseure in Hollywood lieber zeitgenössische Songs nutzten und die Orchester im Film zugunsten kleinerer Elektro-Bands kurz einmal unmodern wurden. Doch die Wehmut, dass Menschen wie John Williams vielleicht nicht mehr gebraucht werden (sein Score zu „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ von 2023 wird sicher sein letzter gewesen sein), währt nur kurz. Zu übermächtig sind die Emotionen, die die „guten alten“ Filme zusammen mit seiner Musik auch 2024 noch evozieren. Von all den vielen Konzerten seiner Musiken mit Stars wie Anne-Sophie Mutter und den Filmen auf der Leinwand ganz zu schweigen. Nein, John Williams ist natürlich nicht tot! John Williams ist längst unsterblich.

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