Time Bandits (Serie)

Fantasy | Großbritannien/USA 2024 | 373 (10 Folgen) Minuten

Regie: Taika Waititi

Serienneuverfilmung von Terry Gilliams Fantasyfilm „Time Bandits“ (1981): Ein Junge beschäftigt sich leidenschaftlich mit vergangenen Epochen. Eines Tages stößt er in seinem Kleiderschrank auf ein Portal in eine andere Zeit und bekommt es mit den „Time Bandits“ zu tun, einem Fähnlein verwegener Sonderlinge, die dem „Höchsten Wesen“ die Karte mit dem Bauplan des Universums geklaut haben und sie nutzen, um durch Zeit und Raum auf Diebeszüge zu gehen. Der Junge schließt sich der Truppe an und gerät in irrwitzige Abenteuer, verfolgt vom „Höchsten Wesen“ und einer Schergin des Erzbösen, die es auf die Karte abgesehen haben. Die Neuadaption bleibt sowohl dem Look als auch dem satirisch die „Conditio humana“ aufspießenden Tonfall des Originals verpflichtet und nutzt das Serienformat, um den Exkurs in die Historie auszudehnen und dabei auch die Perspektive etwas zu weiten. Geschickte dramaturgische Verklammerungen sorgen dabei für einen schwungvollen Erzählfluss. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
TIME BANDITS
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Anonymous Content/HandMade Films/Media Rights Capital/Paramount Television
Regie
Taika Waititi · Jackie van Beek · Jeff Tomsic · Armagan Ballantyne · Yana Gorskaya
Buch
Jemaine Clement · Iain Morris · Taika Waititi · Melanie Bracewell · Akilah Green
Kamera
D.J. Stipsen · Mike Berlucchi · Bevan Crothers
Musik
Mark Mothersbaugh
Schnitt
Jonathan Woodford-Robinson · Alex Boyd · Ilya Klarich
Darsteller
Kal-El Tuck (Kevin Haddock) · Lisa Kudrow (Penelope) · Roger Jean Nsengiyumva (Widgit) · Charlyne Yi (Judy) · Tadhg Murphy (Alto)
Länge
373 (10 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Fantasy | Komödie | Serie
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Serienneuverfilmung von Terry Gilliams komödiantisch-satirischem Fantasyfilm aus den 1980ern: Ein britischer Junge geht mit den "Time Bandits", einem Fähnlein verwegener Sonderlinge, die dem "Höchsten Wesen" die Karte mit dem Bauplan des Universums geklaut haben, auf Reise quer durch die Zeiten.

Diskussion

Geschichte ist eine großartige Sache, findet Kevin Haddock (Kal-El Tuck) aus dem britischen Städtchen Bingley. Wo bei anderen Jungs Superhelden-Actionfiguren rumstehen, finden sich bei ihm Ritter, ägyptische Götter und Co. Zum elften Geburtstag wünscht er sich keinen Trip in einen Freizeitpark, sondern nötigt seine Familie zu einem Ausflug zum antiken Woodhenge-Monument. Bei Mom, Dad, kleiner Schwester und auch sonst stößt Kev mit dieser Passion fürs Vorvorvorgestrige auf wenig Verständnis. Die Kenntnisse, die er sich dadurch über die Historie angeeignet hat, erweisen sich aber bald als nützlich. Denn eines Nachts rumpelt es in Kevins Kleiderschrank verdächtig, eine Art Portal in eine andere Zeit tut sich auf und wenig später verschlägt es den Jungen mit einer Truppe zeitreisender Tunichtgute, den „Time Bandits“, auf eine wilde Reise quer durch die Epochen.

Dabei treten Jungdarsteller Kal-El Tuck und seine Crewmitglieder, angeführt von Lisa Kudrow, in große Fußstapfen: In den 1980er-Jahren hatte Terry Gilliam mit „Time Bandits“, dem ersten Teil einer „Trilogie der Imagination“ (die in den folgenden Jahren durch „Brazil“ und „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ vervollständigt wurde) einen der schönsten Fantasyfilme dieses an schönen Fantasyfilmen nicht armen Jahrzehnts geschaffen. Terry Gilliam, sein Ko-Autor und Monty-Python-Kollege Michael Palin sowie das Team der von „Beatles“-Star George Harrison und Denis O’Brien gegründeten Produktionsfirma HandMade Films, die auch schon „Das Leben des Brian“ produziert hatten, präsentierten eine Zeitreise-Fabel, die bestens als abenteuerlicher Kinderfilm funktioniert, für nur fünf Millionen Dollar Budget ordentlich fantastischen Budenzauber versprüht und zugleich mit ihrem satirisch die Absurditäten der „Conditio humana“ umspielenden Humor nahtlos an die „Monty Python“-Tradition anschließt.

Ausspinnen und aktualisieren statt aufmotzen

Diesen Stoff nun als Serie neu zu adaptieren, ist ein Wagnis – wie immer, wenn ein vielgeliebter Kultfilm angetastet wird, liegt die Latte hoch. Erzählerisch bietet sich „Time Bandits“ indes für einen seriellen Ausbau durchaus an: Wenn es an Gilliams Film überhaupt etwas herumzumäkeln gibt, dann dass in dem Spielfilm-Format für die einzelnen Zeitreise-Stationen nur recht wenig Zeit bleibt und man Kevin und Co. gut und gerne in noch mehr Epochen begleiten würde, als der Film bietet. Die Serie schafft in dieser Hinsicht Abhilfe, und zwar mit gutem Instinkt für den Brückenschlag zwischen Original und aktuellem Zeitgeist. Mit Taika Waititi, Jemaine Clement und Iain Morris steckt dahinter ein Serienschöpfer-Team, dem Fans bereits die köstliche Horror-Comedy „What We Do in the Shadows“ verdanken und dessen spezifischer Humor sich gut an die Monty-Python-trainierte Komik des Originals anschmiegt. In der 2024er-Version ist der Effekte-Level im Vergleich zu den 1980er-Jahren zwar hochgetunt, aber der Fokus der Macher liegt klugerweise nicht auf dem Aufmotzen, sondern auf dem Ausspinnen und sanften Aktualisieren des Stoffs. Der Look und der Tonfall bleiben immer deutlich eine liebevolle Reminiszenz an Gilliams Film.

Neue spannungsdramaturgische Klammern

Auch dessen Erzählgerüst bleibt erhalten, samt jenseitigem Überbau um himmlische und höllische Mächte: Die „Time Bandits“, denen sich der geschichtsverliebte Kevin anschließt, haben dem „Höchsten Wesen“ (in der Serie gespielt von Taika Waititi selbst) die Karte mit dem Bauplan des Universums gemaust, um damit durch die Jahrhunderte zu streifen und zu klauen, was nicht niet- und nagelfest ist. Das Höchste Wesen will die strategisch unentbehrliche Karte freilich zurückhaben und ist den Dieben auf den Fersen, und dummerweise hat auch das Urböse (in schön sardonischer Gestalt von Jemaine Clement) Wind von der Sache bekommen und hetzt den Bandits „die Jägerin“ auf den Hals.

Diese dämonische Verfolgerin liefert, zusammen mit Zwischenspielen in Himmel und Hölle, die nicht erst im Finale eine Rolle spielen, sondern quer durch die Episoden verteilt sind, einen dramaturgischen Bogen, der die „Ein Epochenabenteuer pro Folge“-Struktur der Serie verklammert und schwungvoll dem Finale entgegenführt. Als spannungsdramaturgisch geschickt erweist sich zudem die Entscheidung, das schön makabre Ende des Films, das unglückliche Ableben von Kevins Eltern, in der Serie nach vorn in eine der ersten Episoden zu verlegen und damit der Hauptfigur eine neue Motivation mitzugeben: Der Serien-Kevin, von Kal-El Tuck als würdiger Nachfolger von Craig Warnock mit einer liebenswerten Mischung aus Altklugheit und kindlicher Neugier verkörpert, hat das Ziel vor Augen, zu dem Zeitpunkt kurz vor dem Tod der Eltern zu reisen, um diese retten zu können. Dass er dabei auch Gesellschaft von einer renitenten jüngeren Schwester bekommt, die zwischenzeitlich ausgerechnet in der Eiszeit festsitzt, sich aber später als willensstarke Ergänzung des Teams erweist, sorgt für ein zusätzliches Identifikationsangebot für die junge weibliche Zuschauerschaft, zumal Kiera Thompson der Rolle viel biestige Power verleiht.

Fans des Originals dürften zunächst bedauern, dass die „Time Bandits“ nun nicht mehr auf Augenhöhe mit dem kindlichen Helden sind, sprich: keine Kleinwüchsigen. Und das, obwohl es in den 2020ern wohl leichter gewesen wäre, geeignete Darsteller:innen zu finden, als es das in den 1980er-Jahren war, wo für kleinwüchsige Schauspieler in der Branche noch kaum Platz war. Die Figurenzeichnung der neuen Bandits, rund um Lisa Kudrow im Piraten-Look als Anführerin mit Profilneurose ist allerdings charmant genug, um einem den bunten Chaoten-Trupp einmal mehr ans Herz wachsen zu lassen, zumal das Serienformat zusätzlichen Raum schafft, um die einzelnen Bandits als Individuen stärker zu konturieren. Und spätestens wenn in einer der Folgen Francesca Mills als kleinwüchsige Himmelsmitarbeiterin auftaucht, wächst der Verdacht, dass sich die Serienmacher vielleicht noch etwas Figuren-Munition aufsparen wollten, um sie in einer zweiten Staffel verstärkt zum Einsatz zu bringen.

Die eurozentrische, männerfixierte und weiße Perspektive wird geweitet

Dass „Time Bandits“ in Serie funktioniert, liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Macher mit ähnlichem Spaß wie Gilliam und Palin in der Menschheitsgeschichte und -mythologie wildern gehen, um mit sicherer Hand das Absurde aufzuspüren. Dabei greifen sie teilweise Motive aus dem Film auf: Auch in der Serie gibt es eine Episode über den trojanischen Krieg und eine aus dem mittelalterlichen England des Robin Hood, wobei aber die Akzente verschoben werden. In der „Troja“-Episode ist es nun nicht mehr die Begegnung mit Heerführer Agamemnon, die im Zentrum steht, sondern Kevin und die Bandits lernen die glücklose Seherin Kassandra kennen. In der Robin-Hood-Episode fehlt der Held aus Sherwood, und die Bandits bekommen es stattdessen mit einem Haufen geknechteter Dörfler sowie den Schergen des Sheriffs von Nottingham zu tun und müssen den Geist des Widerstands gegen die Tyrannei selbst säen – wobei ihnen nicht nur der Hang zu Irrationalität und Aberglaube der Epoche ins Gehege kommen, sondern auch ein veritabler Flugsaurier, der dummerweise hinter ihnen durch ein Zeit-Portal geschlüpft ist. Napoleon bleibt diesmal außen vor; dafür darf Mark Gatiss in einer köstlichen Episode als vierter Earl of Sandwich den adligen Gastgeber einer Party im 18. Jahrhundert geben, zu der Casanova höchstpersönlich als Gast erscheint, die dann aber von den Bandits und der sie verfolgenden Dämonin gecrasht wird.

Darüber hinaus nutzen die Macher die Neuverfilmung als Steilvorlage, um die eurozentrische, männerfixierte und weiße Perspektive zu weiten: Die Reise der Bandits führt hier auch zu Figuren wie der legendären chinesischen Piratin Cheng I Sao, die Anfang des 19. Jahrhunderts das Südchinesische Meer unsicher machte, zu Stephanie Saint-Claire alias Queenie, der „Godmother“ des kriminellen Alkoholschmuggels im Harlem der Prohibitionszeit, zum mittelalterlichen westafrikanischen Krösus und Imperator Mansa Musa sowie zu den alten Maja, bei denen Kevin auf nervenaufreibende Weise lernt, dass Geschichtsschreibung durchaus auch kritisch hinterfragt werden muss, wenn sie von Eroberern und Kolonisatoren stammt.

Ist das Experiment Menschheitsgeschichte gescheitert?

Die „Geheimnisse der Geschichte“, auf die Kevin bei seinen Abenteuern so gespannt ist, entpuppen sich dabei oft als ernüchternd: Wie bei Gilliam ist auch in der Serie die menschliche Historie nicht zuletzt eine Geschichte der Spleens, Seltsamkeiten und Schwächen. Und um die Heilsperspektive, dass doch das ganze irdische Gemurkse geborgen sein könnte im Masterplan des „Höchsten Wesens“, sieht es bei Taika Waititi, Jemaine Clement und Iain Morris sogar noch etwas düsterer aus als bei Gilliam, wo sich Gottvater am Ende immerhin noch als Deus ex Machina herbeibemühte, um die in die Hände des Urbösen gefallenen Helden zu retten und zu erklären, dass alles nur eine Art Experiment war, um die Schöpfung inklusive des dazugehörigen Bösen einer Probe zu unterziehen. Gut vierzig Jahre später, mit der vom Klimawandel verursachten Aussicht vor Augen, dass die Menschheit die Schöpfung zu ruinieren droht, ziehen die Serienmacher den Schluss, dass das „Höchste Wesen“ das Experiment wohl als bereits gescheitert ansehen muss. Glauben sollte man an diesen Gott in leicht derangiert wirkender Gestalt von Taika Waititi besser nicht – denn er hat den Glauben an die Menschheit seinerseits gründlich verloren.

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