Auf hoher See kontrollieren finster dreinschauende Nazis penibel einen schwedischen Fischkutter. Eigentlich ein Moment höchster Anspannung, aber die beiden vermeintlichen Fischer mit ihren kräftigen Körpern, stattlichen Bärten und hochgekrempelten Hemdsärmeln bleiben davon demonstrativ ungerührt. Als sie sich auch noch über die humorlosen Deutschen lustig machen, scheint ihr trauriges Schicksal besiegelt. Im letzten Augenblick erscheinen jedoch ihre ebenso furchtlosen Freunde, mähen die Nazis mit Gewehrsalven nieder und sprengen ihr Boot in die Luft.
Dem neuen Film des britischen Regisseurs Guy Ritchie merkt man nicht unbedingt an, dass er zumindest halbwegs auf einer wahren Geschichte beruht. Bei den falschen Fischern handelt es sich nämlich um Beteiligte der „Operation Postmaster“. Um die Deutschen 1941 zu schwächen, sollte eine geheime Spezialeinheit auf der spanischen Insel Fernando Po das Versorgungsschiff Duchessa d’Aosta zerstören. Welches Risiko die von Winston Churchill autorisierte Mission für deren Mitglieder barg, wird im Film folgendermaßen auf den Punkt gebracht: Werden sie von den Engländern erwischt, kommen sie ins Gefängnis, schnappen sie die Nazis, drohen Folter und Tod.
Zähe Kerle mit flotten Sprüchen in gefährlichen Situationen
Guy Ritchie, bei dem zurzeit eine Produktion nahtlos in die nächste übergeht, liegt erwartbar wenig an historischer Genauigkeit. Viel attraktiver ist es für ihn, zähe Kerle mit flotten Sprüchen in gefährliche Situationen zu bringen. Den freien Umgang mit der Geschichte thematisiert „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ gewissermaßen selbst. James-Bond-Schöpfer Ian Fleming, der damals für den Marinenachrichtendienst gearbeitet hat, wird per Drehbuch in die Operation Postmaster miteingebunden und bekommt, genau wie der von ihm später erfundene Geheimagent, einen Kollegen namens „M“. Der echte Ian Fleming ließ sich für seinen Geheimagenten 007 wiederum von „Operation Postmaster“-Kommandant Gus March-Phillips inspirieren, den Henry Cavill hier als charmanten Kraftprotz verkörpert. Zweifellos liegt „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ das unbekümmerte Spiel mit der Fiktion und die flotte Abenteuergeschichte mehr als die pflichtschuldigen Auftritte von Churchill (Rory Kinnear) in verrauchten dunklen Zimmern.
Der Kampf gegen die Nazis, der freie Umgang mit der Geschichte, die humorvolle Großspurigkeit und die anachronistische Musikauswahl erinnern zwangsläufig an Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“. Unbeabsichtigt scheint diese Parallele nicht zu sein. Die mit dem britischen Team kooperierende Agentin Marjorie Stewart (Eiza González) ist eine Art Spiegelfigur zu der von Mélanie Laurent verkörperten Shosanna in Tarantinos Film. Auch die zielsichere Schützin Marjorie sehnt sich als Jüdin nach Rache. Während sie mit schauspielerischem Talent und weiblichen Reizen den fiesen Nazi-Grobian Heinrich Luhr (Til Schweiger) zu blenden versucht, wird sie sogar mit einem ähnlichen Detail entlarvt wie die Spione in „Inglourious Basterds“ bei ihrer Bierbestellung.
Spielerische Täuschungsmanöver, selbstbewusste Protzereien, mitreißende Action
Til Schweiger wiederum spielt in beiden Filmen mit. Erwähnenswert ist das für deutsche Zuschauer schon deshalb, weil er unter den Nazis im Film hörbar einer der wenigen Muttersprachler ist. Seinen Heinrich verkörpert er angemessen kalt und dumpf, lässt aber hier und da auch eine harmlos wirkende Unbeholfenheit durchschimmern. Mitunter leidet der Film ein wenig unter seinen vielen Figuren, die oft nur wenig Zeit bekommen, ihr Profil zu schärfen. Neben Heinrich und der im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen emotional etwas komplexer gezeichneten Marjorie sticht auch der comicartig überzeichnete Muskelprotz Lassen (Alan Ritchson) heraus, der seine Feinde mit Pfeil und Bogen erlegt.
Am besten funktioniert „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ über seine spielerischen Täuschungsmanöver, selbstbewussten Protzereien und mitreißende Actionszenen wie die stakkatoartig geschnittene finale Schlacht um das Schiff Duchessa. Und gerade wegen der Überschneidungen zu Tarantinos Film treten Guy Ritchies inszenatorische Eigenheiten umso stärker hervor. Statt Originalität und Doppelbödigkeit findet man bei ihm ebenso unterhaltsames wie wuchtiges Draufgängerkino mit großer Klappe.