Drama | USA 2024 | (sieben Folgen) Minuten

Regie: Park Chan-Wook

Nach dem Fall Saigons im Jahr 1975 und dem Ende des Vietnamkriegs wird ein nordvietnamesischer Spion mit US-amerikanischen Wurzeln beauftragt, einem südvietnamesischen General ins Exil in die USA zu folgen. Dort gerät er in einen unauflösbaren Identitätskonflikt, als er zum Berater bei den Dreharbeiten eines Films über den Vietnamkrieg wird. Die Miniserie dekonstruiert in satirischen Kippbildern und der Überblendung von Migrations- und Thrillererzählung US-zentrierte Narrative über den Vietnamkrieg. Zugleich entwickelt sie eine empathische Perspektive auf die Menschen, die zwischen die Fronten gerieten. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE SYMPATHIZER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
A24/Rhombus Media/Team Downey/Moho Film/Cinetic Media
Regie
Park Chan-Wook · Marc Munden · Fernando Meirelles
Buch
Park Chan-Wook · Don McKellar · Naomi Iizuka · Mark Richard · Anchuli Felicia King
Kamera
Barry Ackroyd · Kim Ji-Yong
Musik
Cho Young-wuk
Schnitt
Jin Lee · Vikash Patel · Fernando Stutz
Darsteller
Hoa Xuande (Der Kapitän) · Scott Ly (Schütze Dao) · Robert Downey jr. (Claude/Niko/Professor Hammer/Ned Godwin u.a.) · Fred Nguyen Khan (Bon) · Duy Nguyễn (Man)
Länge
(sieben Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Serie
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Miniserie über einen nordvietnamesischen Spion mit US-amerikanischen Wurzeln, der einem südvietnamesischen General ins US-Exil folgt und dort in einen Identitätskonflikt gerät.

Diskussion

Saigon ist erst vor wenigen Wochen gefallen, als der schlicht „Captain“ genannte Protagonist (Hoa Xuande) 1975 ein Interview für ein Universitätsmagazin gibt. In den letzten Tagen des Krieges hat er mit angesehen, wie sich verzweifelte Menschen an den Checkpoints drängten. Er hat gesehen, wie die CIA mit Hilfe der südvietnamesischen Truppen eine Spionin aus dem Norden folterten. Wie der Splitter eines Artilleriegeschosses sein Patenkind und dessen Mutter tötete. Er hat ihre Leichen bis in das letzte Flugzeug geschleppt und gesehen, wie die Hauptstadt des Südens in Flammen steht. Keine der Fragen des Studenten, der dem Captain heute gegenübersitzt, haben auch nur den geringsten Überschneidungspunkt mit dessen Kriegserfahrung. Ob er die Solidarität und Unterstützung der US-amerikanischen Aktivisten gefühlt habe, will der Student wissen. „Kaum.“ Der Student beharrt auf der Bedeutung der eigenen Rolle: Er und die Studentenbewegung wären auf der Seite des vietnamesischen Volkes gewesen. „Welches Volk? Das Volk im Norden oder das Volk im Süden?“, fragt der Captain zurück. Der Reporter hat keine Antwort.

Die US-Amerikaner haben kein Mitspracherecht

Der Fall Saigons, der blutige Krieg und die Geschichte Vietnams nach dem Konflikt sind nicht die Geschichte des Studenten. Es ist die Geschichte des Captains: Er, ein Halbblut, geboren in Vietnam, als Sohn einer Vietnamesin und des GIs, der sie vergewaltigte, er, der in den USA studierte, um in seiner Heimat im Krieg zu kämpfen, er, der im Dienste des Nordens als Doppelagent im Süden diente, er erzählt diese Geschichte. Nicht der Student, nicht sein ehemaliger CIA-„Mentor“ Claude, sein ehemaliger Professor Hammer, der Regisseur Niko, der Senator gewordene Kriegsveteran „Napalm-Ned“ oder einer der zahllosen anderen US-amerikanischen Großkotze (allesamt gespielt von einem adäquat vulgären und eitlen Robert Downey jr.), nein er, der Captain, ist das Zentrum der Erzählung. Seine Perspektive und die mit seinem nie genannten Namen verbundene Anonymität machen ihre Essenz aus. Die großen US-Patriarchen, ihr Narzissmus und ihr Rassismus haben ebenso wenig Mitspracherecht wie die Selbstgerechtigkeit der privilegierten Studenten.

Die von Don McKellar und Park Chan-Wook adaptiere Serien eines mit dem „Pulitzer“-Preis prämierten Romans von Viet Thanh Nguyen ist keine Ermächtigungsgeschichte. Die Erzählung des Captains, entlang derer die Serie aufgezogen ist, ist vielmehr von einer grundlegenden Dualität gekennzeichnet, vom Pflichtbewusstsein auf der einen und dem persönlichen Freiheitsdrang auf der anderen Seite. Von der Trauer um die Heimat, die der Krieg für immer zerstört hat, und dem Glück über ihre Unabhängigkeit. Entsprechend ist der Captain auch kein zuverlässiger Erzähler. Die Mini-Serie spult zurück, lässt Ellipsen zu, mischt gezielte Prisen Meta-Fiktion ein und ist immer wieder gezwungen, sich dort zu zensieren, wo der nordvietnamesische Umerziehungsoffizier, dem der Captain seine Geschichte erzählt, Einsprüche erhebt.

Tumult und Tragödie am Kriegsende

Die Bilder von Park Chan-Wook, der neben Marc Munden und Fernando Meirelles auch für die Regie verantwortlich ist, greifen all das bereits in der ersten Folge auf; sie überlagern Identitätsentwürfe, zementieren politische Zerwürfnisse, brechen Ideologien auf, trennen Freund und Feind – und bringen beide wieder zusammen. Die gleiche rigorose Ästhetik, mit der Park in „Joint Security Area“ (2000) die ideologische Entzweiung der zwei Koreas aufbrach, fährt er in „The Sympathizer“ gleich zu Beginn auf, um den Tumult und die Tragödie der letzten Tage des Kriegs einzufangen. Der Captain erlebt sie wie auch seine Kindheitsfreunde Bon (Fred Nguyen Khan) und Man (Duy Nguyn) in Saigon. Die Vietnamesische Volksarmee steht wenige Kilometer vor der Stadt, der Captain sitzt im Saal eines Kinos. Nicht der draußen angekündigte Film „Ein Mann sieht rot“ wird ihm hier gezeigt, sondern die Folter einer nordvietnamesischen Spionin. Eine Art Initiationsritus für den Mann, der dem südvietnamesischen General (Toan Le) unterstellt ist, der ihm hier, ebenso wie der von Robert Downey jr. gespielte CIA-Strippenzieher, im Nacken sitzt.

Was keiner der Männer ahnt, die das Bild wie zwei Teufelchen links und rechts auf den Schultern des jungen Protagonisten platziert: der Captain ist ein Maulwurf, ein Spion im Dienst von Nordvietnam. Die Spionin, die vor seinen Augen gefoltert wird, ist dieselbe Frau, der er vor wenigen Stunden einen Film mit sensiblen Dokumenten aus dem Büro des Generals übergeben hat. Doch der Spionage-Auftrag des Protagonisten endet nicht hier: Er muss den General in die USA begleiten und dessen Aktivitäten auch dort überwachen.

Ein Mann, der nie wirklich ankommt

In Los Angeles ist der Maulwurf nun ein Migrant: ein Mann, der nie wirklich ankommt, der aber auch nicht zurückzukehren vermag. „The Sympathizer“ legt die Schablone des Spionage-Thrillers über ein Migranten-Schicksal. Aus Los Angeles schickt der Captain Briefe nach Hause. Mit blauer Tinte bringt er pathetische Amerika-Prosa zu Papier, in den mit unsichtbarer Tinte dazwischengesetzten Lettern die nächsten Details seiner Mission. Was die Mini-Serie zwischen die Zeilen platziert, ist weniger die Genre-Mechanik als vielmehr eine ständig in Richtung neuer Komplikationen und Tonarten vordringende Idee von Identitätskrise. Der General sammelt die südvietnamesischen Flüchtlinge um sich, um neben dem Getränkemarkt (aus dessen Bestand er sich selbst reichlich bedient) auch noch eine Invasion der nun kommunistisch regierten Heimat zu planen.

Der Captain wird derweil für eine eigene Neuauflage des Kriegs eingespannt: Er soll einen Hollywood-Film als Berater begleiten. Der Kriegsfilm trägt den Studiokalkulationen nach kein subversives Potenzial in sich, soll aber subversiv genug aussehen, um das Geld und die Preise der selbstgerechten Fraktion der überprivilegierten USA abzuräumen. Die Dreharbeiten werden zunehmend zum absurden Spiegel der jungen Vergangenheit, in dem die US-amerikanische Nabelschau auf die Traumata der Vietnamesen trifft, die im Krieg ihre Heimat, ihre Freunde und Angehörigen verloren haben.

Die spektakulär und elegant inszenierten satirischen Kippbilder vom Filmdreh bilden das Herzstück von „The Sympathizer“. Die Hollywood-Mission verschlingt nicht nur die vietnamesischen Statisten, die sich wie der Captain zunehmend in der Schizophrenie der gespielten, angenommenen und verdrängten Rollenbilder verlieren. Sie verschlingt auch das Selbstbild eines Amerikas, das die Tragödie des Vietnamkriegs, die Glorie der eigenen Friedensbewegung, den Popkultur-Kanon und damit die Deutungshoheit für sich beansprucht. Am Ende ist die Geschichte des Amerika- oder Vietnamkriegs nicht neu geschrieben, sie ist zersetzt in der satirischen Absurdität der US-Version, zensiert in der kommunistischen Version des Nordens und verloren in der Selbsttäuschung einer Version, die die Mächtigen des Südens zu schreiben versuchen.

Eine Geschichte der Heimatlosigkeit

Der Captain bleibt als Identifikationsfigur, als Undercover-Agent, als anonymer Vietnamese und als unfreiwilliger US-Amerikaner im Geflecht der historischen Perspektiven gefangen. „The Sympathizer“ ist die Geschichte dieser Heimatlosigkeit, die Geschichte derjenigen, die den Krieg überlebt haben, aber doch stets zwischen den Fronten gefangen bleiben.

 

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