„A Quiet Place: Tag Eins“ ist ein dritter Teil der Horrorgeschichte um die menschenfressenden Aliens, die ein einziges Handicap haben: Sie können nicht sehen. Also reagieren sie auf die Geräusche ihrer Beute. Wer kein Geräusch macht, wird von den hungrigen Kreaturen nicht entdeckt. Das hat bei den ersten zwei Filmen „A Quiet Place“ und „A Quiet Place 2“ bestens funktioniert, es wurden interessante Möglichkeiten von Alltag in Geräuschlosigkeit und von Bewegung in Stille durchgespielt. Die Protagonisten mussten jeden noch so geringen Laut vermeiden, um zu überleben.
Tosender Lärm über der Stadt
Die ersten beiden Filme spielten in einer ruhigen Umgebung auf dem Land, was sich in „A Quiet Place: Tag Eins“ nun ändert. Es ist der Tag, an dem die Außerirdischen landen. Schauplatz ihres ersten Auftritts in ausgerechnet New York City. Zu Beginn des Films steht der schöne Satz im Bild, dass der durchschnittliche Lärmpegel dieser Stadt bei 90 Dezibel liege; das sei die Lautstärke eines Schreis, der durchgehend über der Stadt hängt. Man kann daraus schließen, dass es mit der Stille dort nicht richtig klappen wird, selbst wenn die Autos stehenbleiben und die Menschen schweigen. Tatsächlich gibt es genug Lärm, auch noch in der zerstörten Stadt, der von den Protagonisten genutzt werden kann, um ihre minimale verbale Kommunikation dahinter zu verstecken.
Das Spiel mit dem Leisesein wird in „Tag Eins“ also weniger; stattdessen gibt es ein Spiel mit dem Lautsein. Wer die Kreaturen ablenken will, etwa von der Verfolgung anderer Menschen, hat zahllose Gelegenheiten, sie durch schnellen Lärm wegzulocken. Alarmanlagen kann man auslösen, Scheiben einschlagen; mit Stahl, Blech, losem Asphalt und überhaupt mit so ziemlich allem, was herumliegt, kann man ohne weiteres Getöse veranstalten. Das ist eine schöne Bereicherung des stillen Plots; zudem gibt es den Protagonisten mehr Handhabe gegen die Angreifer, als sie es in den früheren Filmen hatten. Der Reichtum an Möglichkeiten, den eine Großstadt bietet, funktioniert sogar noch im Untergang, soviel darf man als Trost aus dem Kino mitnehmen.
Freundschaft mitsamt einer Katze
Fürs Visuelle hat „Tag Eins“ in der Stadt eigentlich auch genug Angebote. Daraus entsteht allerdings wenig, was das Apokalypse-Genre nicht bereits so oder wilder gezeigt hätte. Häuser gehen kaputt, der Untergrund wird geflutet, Jacob van Hoddis’ „Weltende“-Gedicht all over again. Bloß eine Sache ist neu: Dass alle Brücken von New York in die Luft fliegen, ist ein grandioser Anblick.
Die Aliens selbst sind furchterregend, sie haben Einzelauftritte in schnell geschnittenen Sequenzen oder erscheinen in Massenattacken, in denen sie ihre Menge, ihre Geschwindigkeit und ihr konzentriertes Lauschen gut demonstrieren. Trotz aller bisherigen Bekanntschaft mit ihnen lernt man sie noch einmal näher kennen; das steigert durchaus den Respekt.
Was „Tag Eins“ von den beiden Vorgängern unterscheidet, ist die Geschichte, die er erzählt. Der Angriff, die Panik und die Evakuierung der Menschen übers Wasser, all das ist vorhanden, um die zwei schon bestehenden Teile zu bedienen. Man muss sie keineswegs kennen, da „Tag Eins“ weniger ein Spin-Off als vielmehr ein Prequel ist. Doch der Film selbst will gar nicht unbedingt auf klassischen Survival-Horror hinaus. Er trägt zwar alles in sich, was die Sequels inhaltlich nutzen, und er gibt sich Mühe mit der Action, nimmt sich als Thema aber etwas Zarteres vor. Denn er zeigt eine Freundschaft unter lebensbedrohlichen Bedingungen mitsamt einer Katze als Hoffnungsträger. Das kann je nach Erwartungshaltung enttäuschend oder erbaulich sein.
Eine gefühlvolle Apokalypse
So führt Regisseur Michael Sarnoski eine sterbenskranke, aber erstaunlich agile Frau mit ihrer Katze zu einem völlig verstörten Mann, der ihr nachläuft wie ein zweites Haustier. Er lässt sich nicht verscheuchen, findet allmählich aber zu Verstand. Natürlich lernen die zwei sich schätzen, was wortlos passiert. Beide sind keine Helden, sie beherrschen die Lage mal besser, mal schlechter. Der Spannung ist das nicht abträglich; es ist eher eine generelle Irritation, die ihr Handeln auslöst. Sie schlagen sich auf der Suche nach nostalgischen Zielen durch die Stadt. Mit ihrer erwachenden Zuneigung, mit der Sorge um die Katze, mit all dem liebenswerten Charme, den sie mitten in der Apokalypse an den Tag legen, geben sie dem Film ein arg gefühlvolles Zentrum. Das ist, zumindest für einen Horrorfilm, eine seltene Haltung.