Expats
Drama | USA 2023 | (sechs Folgen) Minuten
Regie: Lulu Wang
Filmdaten
- Originaltitel
- EXPATS
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- Amazon Studios/Blossom Films/Local Time/Per Capita Prod.
- Regie
- Lulu Wang
- Buch
- Lulu Wang · Kimi Lee
- Kamera
- Anna Franquesa-Solano
- Musik
- Alex Weston
- Schnitt
- Matt Friedman · Alex O'Flinn
- Darsteller
- Nicole Kidman (Margaret) · Sarayu Blue (Hilary Starr) · Yoo Ji-young (Mercy) · Brian Tee (Clarke) · Jack Huston (David Starr)
- Länge
- (sechs Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama | Serie
- Externe Links
- IMDb | JustWatch
Serie über das Leben dreier Auswandererinnen in Hongkong und das mysteriöse Verschwinden eines Jungen.
Wie weiterleben, wenn man für unermessliches Leid verantwortlich ist, das man anderen Menschen angetan hat? Das ist die Frage, der sich eine der drei Protagonistinnen der Miniserie „Expats“ von Lulu Wang stellen muss. Die junge Mercy (Yoo Ji-young) lebt wie die beiden anderen Hauptfiguren Margaret (Nicole Kidman) und Hilary (Sarayu Blue) in Hongkong. In der Sonderverwaltungszone im Süden Chinas herrschen politisch turbulente Zeiten; auf der Straße gibt es immer wieder Proteste gegen die Peking-nahe Regierung.
Reichtum schützt nicht vor Unglück
Das Leben der beiden „Expatriates“, der Auswandererinnen, die Lulu Wang ins Auge fasst, wird von den politischen Verwerfungen in der Stadt aber nur am Rande berührt. Die Freundinnen Margaret und Hilary führen eine privilegierte Existenz in Luxusapartments, die mit ihrem internationalen Flair und vielen Bediensteten auch in anderen Metropolen der Welt beheimatet sein könnten. Doch für die von Nicole Kidman gespielte Figur ist das betuchte Leben mit einem Schlag bedeutungslos. Denn der materielle Wohlstand vermag das Loch nicht zu füllen, das ein tragisches Ereignis verursacht. Bei einem Besuch auf einem Hongkonger Markt verliert die Babysitterin Mercy in einem unachtsamen Moment den kleinen Gus aus den Augen. Obwohl sie und die Familie sofort mit der Suche beginnen und auch die Polizei eine Fahndung nach dem Kind einleitet, bleibt Gus unauffindbar.
Das Leben von Margret und ihrem Ehemann (Brian Tee) gerät damit aus den Fugen. Während Brian Trost im christlichen Glauben findet und sich damit abzufinden scheint, dass sein Sohn nicht mehr am Leben ist, klammert sich Margret an den Gedanken, dass Gus von einem Fremden entführt wurde.
In sechs Episoden leuchtet die Miniserie „Expats“ das Leben im qualvollen Schwebezustand der Ungewissheit aus. Das eindrücklich vermittelte Leid der Mutter gibt einen lebendigen Eindruck, wie man in einer solchen Extremsituation weiter existiert. Für die Familie, die noch zwei Kinder hat, wird die Situation zur Zerreißprobe. Die Mutter mietet sich schließlich eine eigene Wohnung, die im Vergleich zur luxuriösen Bleibe der Familie eine Bruchbude ist. Einmal sieht man Nicole Kidman beim Baden in einer Plastikwanne; ihr Blick geht lange ins Nirgendwo.
Auch von ihrer besten Freundin Hilary hat Margaret sich entfremdet. Die beiden Frauen finden keinen Weg mehr zueinander. Wenn sie im Aufzug ihres Apartmentkomplexes aufeinandertreffen, herrscht bedrückendes Schweigen; ansonsten werden nur Oberflächlichkeiten ausgetauscht.
Ambivalenzen und soziale Hintergründe
Am 50. Geburtstag ihres Gatten trifft Margaret erneut mit Mercy zusammen, die für das Verschwinden ihres Sohnes verantwortlich ist. Die Begegnung, die für Margaret geradezu irreal anmutet, setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, die neue Hoffnung wecken, aber auch alte Wunden aufreißen. Die in China geborene US-amerikanische Filmemacherin Lulu Wang beherrscht dabei vor allem den Ton zwischen Drama und Komödie. Bei einer weniger vielschichtigen Handhabung der Romanvorlage wäre der Stoff von „Expats“ wohl zu einer hohlen, rein vom Plot getriebenen Angelegenheit geraten. Doch ähnlich wie in ihren Kinofilmen „Posthumous“ und „The Farewell“ verfügt Wang über einen für Ambivalenzen sensiblen filmischen Blick, den sie vor allem auf den Einwanderer-Aspekt des Stoffes und die sozialen Verhältnisse und Hintergründe der Figuren wirft.
Die jugendliche Protagonistin Mercy, die den einengenden Verhältnissen ihres US-amerikanischen Elternhauses entflieht, um in Hongkong eine eigenständige Existenz zu führen und sich deshalb als Kindermädchen verdingt, ist nicht die einzige Figur, die das Spektrum um Facetten jenseits des Wohlstandes von Hilary und Margret erweitert. Auch dem häuslichen Personal der Expats wird Raum gegeben. In einer gut eineinhalbstündigen Binnenerzählung, die ein eigenständiger Spielfilm sein könnte, beleuchtet Wang die Schicksale einiger sonst meist unsichtbaren Frauen, deren Lebensinhalt in der Zufriedenstellung ihrer „Herrinnen“ besteht – ein Verhältnis, das von Intimität bei gleichzeitiger Distanz geprägt ist – und von einem unüberbrückbaren Machtgefälle.
Wang inszeniert dabei auch Momente von großer Leichtigkeit, etwa wenn eine Gruppe der größtenteils aus Malaysia stammenden Angestellten beieinandersitzt und sich am Liebeselend ihrer wohlbetuchten Arbeitgeberinnen delektiert – Momente der Erheiterung und der Solidarität der hart arbeitenden Frauen untereinander.
Schmerzhafte Entscheidungen
Die indischstämmige Hilary begibt sich ebenfalls auf eine Identitätssuche mit Blick auf ihre eigene Herkunft. Sie leidet an der zerrütteten Ehe mit ihrem Mann David (Jack Huston), der ein Verhältnis mit einer jüngeren Frau unterhält, sowie an einem ungeklärten Konflikt mit ihrem schwerkranken Vater. Für alle Figuren stellt sich die Frage, ab wann man nach einem einschneidenden Erlebnis das eigene Leben wieder anpacken und tatkräftig weitermachen muss. Da dieser Prozess bei Menschen verschieden lang dauern kann, kommt es in „Expats“ zu schmerzhaften Entscheidungsmomenten.
Das Seriendrama rund um das mysteriöse Verschwinden eines Jungen ist unverstellt, authentisch und mitunter mit einer so unerwarteten wie wertvollen Komik, dass man vor allem dem Innenleben der weiblichen Figuren nahekommt.