„Wer tot ist, kann sich nicht mehr versöhnen“, heißt es in „Spuk unterm Riesenrad“. Dabei wollte sich der Kirmesbetreiber Jackel (Peter Kurth) anlässlich des 40. Jubiläums seines Rummelplatzes doch endlich mit seinen beiden Töchtern versöhnen. Aber die sagen beide ab, und dann sackt Jackel auch noch mitten im Spiel tot am Klavier zusammen. Wer soll jetzt den Rummel weiterführen? Da hilft nur ein kleines Wunder in Form eines Blitzschlags, der Jackels Geist ins gepunktete Pony fahren lässt und drei Figuren aus der Geisterbahn zum Leben erweckt.
Hexe, Riese und Rumpelstilzchen, das Trio aus der Geisterbahn, kommen manchem womöglich bekannt vor. Die drei sind auch schon mehr als vierzig Jahre alt, denn der Kinderfilm „Spuk unterm Riesenrad“ basiert auf der gleichnamigen Kinderserie von Günter Meyer und C.U. Wiesner, die ab Januar 1979 zunächst im DDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde und als zweiteiliger Film dann auch in ost- und westdeutsche Kinos kam.
Drei leibhaftige Geister
Die Geschichte spielt jetzt in der Gegenwart. Jackels Enkelkinder Tammi (Elisabeth Bellé), Keks (Lale Andrä) und Umbo (Noèl Gabriel Kipp) hatten mit dem Großvater bislang wenig zu tun. Während ihre Mütter Britta (Katja Preuß) und Simone (Sophie Lutz) noch überlegen, welche Urne es sein und was mit dem Rummel geschehen soll, müssen die drei irgendwie die Zeit herumbringen. Dabei sorgen die leibhaftig gewordenen Geister immerhin für etwas Aufregung.
Charme und Komik der Originalserie beruhten darauf, dass die Gegenwart der Stadt Berlin samt ihrer modernen Technik für die drei Spukgestalten zunächst hochgradig desorientierend wirkte. Ein Kaufhaus wurde zur riesigen Herausforderung, und die Hexe flog schließlich auf einem Staubsauger statt einem Besen durch die Gegend. In der zweiten Hälfte wandelte sich der Plot dann zu einer Debatte über Moral und Menschlichkeit, an deren Ende Riese und Hexe recht brav in die Gesellschaft eingegliedert wurden.
Um beides geht es in der Neuverfilmung von Thomas Stuber nicht mehr. Anna Schudt, Moritz Führmann und David Bennent verschwinden als die drei aus der Geisterbahn unter tonnenschwerem Make-up und wilden Haarbergen, haben aber weder mit der Moderne Probleme noch plagen sie sich mit der Frage nach Gut und Böse. Das Drehbuch von Anja Kömmerling und Thomas Brinx macht aus den drei Geisterbahnfiguren vielmehr weitgehend unbeschriebene Blätter und überraschend folgsame Gemüter. Wie Graugänse nach dem Schlüpfen in den berühmten Versuchen von Konrad Lorenz sind sie fest auf das erste menschliche Wesen geprägt, das ihnen nach dem Blitzschlag begegnet. Tammi ist nun ihre „Mutti“, der sie getreulich folgen.
„Voll nice, was ihr draufhaft!“
Die aber will davon zunächst überhaupt nichts wissen, da sie bei der Instagram-Challenge ihres Idols Azzo gewinnen will. Wer in diesem Sommer die meisten Likes sammelt, darf Azzo persönlich treffen. Doch dann wird ihr klar, dass die magischen Fähigkeiten und besonderen Eigenheiten von Hexe, Riese und Rumpelstilzchen dabei durchaus hilfreich sein könnten: „Voll nice, was ihr draufhabt!“
Eigentlich aber sprechen Jugendliche nicht so, wie es die Vorauswahl zum Jugendwort des Jahres vermuten ließe. Was lustig klingen soll, wirkt bemüht und altbacken. Das gilt zwar auch für den Rummelplatz als stationäre Einrichtung, aber so viel Nostalgie muss sein. Doch ein pupsendes Pony? Und ein rasendes Riesenrad? „Spuk unterm Riesenrad“ versteht physischen Humor als weitgehend unmotivierten Slapstick und flache Gesellschaftskritik. Dass Tammi quasi mit ihrem Handy verwachsen und von ihrer Mutter und allen Zumutungen der Welt genervt ist, wirkt schlicht wie abgedroschener Kulturpessimismus. Dass Keks hingegen unreflektiert und so begeistert wie die Parodie eines Wirtschaftsberaters daherredet, soll wohl lustig sein.
Scherze ohne Ziel
Als in der Geisterbahn anfangs ein „Slimer“ aus den „Ghostbusters“-Filmen zu sehen ist, hofft man noch auf eine Neuinterpretation, die Grusel aus Ost und West aus den letzten fünfzig Jahren zusammendenkt und neu verbindet. Und auch die Auseinandersetzung der Töchter mit dem Erbe ihres offenbar ebenso dominanten wie eigensinnigen Vaters hätte Potenzial gehabt. Doch für das ganz junge Publikum ist „Spuk unterm Riesenrad“ nicht albern genug und für etwas ältere Kinder nicht nachdenklich genug. Statt die drei Geister interessante Dinge tun zu lassen, dienen diese nur als beliebig austauschbarer Vorwand für ziellose Scherze. Das ist schade, denn mit diesen Darstellern und den professionellen Spezialeffekten hätte man aus dieser Vorlage deutlich mehr herauskitzeln können.