Wir und das Tier - Ein Schlachthausmelodram

Dokumentarfilm | Deutschland 2023 | 90 Minuten

Regie: David Spaeth

Der erhellende Dokumentarfilm schaut in großen und kleinen Schlachthäusern Menschen bei der Arbeit zu und lässt sie von ihren ambivalenten Gefühlen gegenüber ihrem eigenen Beruf erzählen. Der Film hinterfragt das Verhältnis von Mensch und Tier und die Haltung von Fleischkonsumenten, die den Tod der Tiere, die sie essen, am liebsten verdrängen würden. Wie man Tiere gleichzeitig respektieren und dennoch töten kann, erläutern die in der Fleischindustrie porträtierten Protagonisten auf eine Weise, dass man ihren oft verpönten Beruf besser verstehen kann. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Eikon Media
Regie
David Spaeth
Buch
David Spaeth
Kamera
Sebastian Bäumler
Musik
Philipp Noll · Axel Huber · Samuel Late
Schnitt
Georg Michael Fischer
Länge
90 Minuten
Kinostart
02.11.2023
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Verleih DVD
Tiberius
Verleih Blu-ray
Tiberius
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Doku über Schlachter und andere Menschen, die in der Fleischindustrie beschäftigt sind.

Diskussion

Zwei rohe Steaks fliegen in Zeitlupe durch die Luft, umgeben von groben Salzkörnern und Gewürzen, bis sie sanft auf einem Grill landen, wo sie braun gebraten werden. Die Szene könnte aus dem Werbeclip eines Fleischkonzerns stammen, doch sie fungiert in dem aufschlussreichen Dokumentarfilm lediglich ein Einstieg. „Wir und das Tier“ von David Spaeth widmet sich den Betreibern und Mitarbeitern von Metzgereien und Schlachthöfen, jenen Menschen also, die dafür sorgen, dass Steaks und Schnitzel zum Verzehr auf die Teller gelangen.

Seit die meisten Leute den Bezug zu Nutztieren verloren haben, weil sie in Städten leben, ist der Beruf des Metzgers verfemt. Dabei sind diejenigen, die Schweine und Rinder schlachten, damit wir ihr Fleisch essen können, keineswegs gefühllose und tierisches Leben missachtende Individuen. Mit diesem Vorurteil räumt der Film gründlich auf und bietet einen Einblick in die Schlachterei-Branche jenseits denunzierender Fernsehreportagen.

Ihr erstes Schwein hieß Brutus

Über die Tierhaltung an sich wird allerdings kaum gesprochen, denn außer einem riesigen industriellen Schlachthof in Bayern stammen die im Film zur Schlachtung vorgesehenen Schweine und Rinder aus kleineren Betrieben. Der Film begleitet insbesondere die Schlachter und Schlachterinnen sowie solche, die den Vorgang des Schlachtens näher kennenlernen wollen.

So arbeitet Elisabeth in einer landwirtschaftlichen Kooperative im norditalienischen Piemont. Schlachten ist für sie die natürliche Beendigung der Tierzucht. Das erste Schwein, das sie schlachtete, hörte auf den Namen Brutus und wurde eher als Haustier denn als Nutztier gehalten. Trotz eigener Zweifel und den Bedenken von Familie und Freunden entschloss Elisabeth sich aber, den lieb gewonnenen tierischen Begleiter zu töten.

Tieren, die man essen will, sollte man keinen Namen geben. Diese eiserne Regel wurde bei Brutus gebrochen. Bei seinen Artgenossen hielt sich Elisabeth später an diese Regel. Dennoch überwiegt bei ihr und anderen, die im Film zu Wort kommen, eine Art respektvoller Pragmatismus. Wenn man Tiere isst, müssen sie davor zu Tode gekommen sein. Bis man sie tötet und auch beim Vorgang des Tötens zollen ihnen die hier porträtierten Schlachterinnen und Schlachter Respekt.

Der Blick großer Säugetiere

Das Schlachtvieh wird vor seiner Tötung mit Pfeifen oder Streicheln beruhigt. Bevor die Tiere zerlegt werden, tötet man sie mithilfe von Strom, Kohlendioxid, Messern und dem Bolzenschussgerät. Der eigentliche Vorgang des Tötens dauert nur wenige Sekunden. Die Schlachter versuchen, das Tier so wenig wie möglich leiden zu lassen – nicht zuletzt auch infolge öffentlichen Drucks. Vom Lehrling über den einfachen Mitarbeiter bis hin zum routinierten Schlachtermeister lässt sich diese Grundhaltung bei allen Protagonisten beobachten. Der Rumäne Ionel, der in dem größten Rinderschlachthof Europas in Bayern arbeitet, gesteht vor der Kamera, dass er privat nur Schweine und Geflügel esse, aber nicht die Tiergattung, die er tötet. 500 bis 1000 Rinder schlachtet er täglich. Trotzdem muss auch er manchmal die Augen schließen, wenn er das Bolzenschussgerät an den Kopf der Tiere hält. Nach Arbeitsschluss beschäftigt er sich mit anderen Dingen.

Spurlos geht das Schlachten an den meisten Protagonisten nicht vorbei. Ihnen ist das Tierwohl nicht egal und sie fragen sich regelmäßig, ob sie ihre Tätigkeit vor sich selbst moralisch verantworten können. Einige halten es durchaus für möglich, dass sie diesen Job nicht für immer ausführen. Als Zuschauer blickt man in Orte, wo große Nutztiere ihre letzten Sekunden verbringen. Der eigentliche Vorgang des Tötens findet jedoch meist neben oder unter dem Kamerarahmen statt oder wird mit unscharfen Einstellungen abgeschwächt. Das schont das Publikum. Beim Beobachten von Schlachtern und Schlachterinnen kommt der Dokumentarfilm aber nicht umhin, auch die Tiere zu zeigen. Es tut weh, den mal wehmütigen, mal ahnungslosen oder gar lebensfrohen Blick von großen Säugetieren auszuhalten, von denen man weiß, dass sie bald sterben werden.

Dabei können auch die eigene Einstellung zum Fleischkonsum hinterfragen werden, denn der Film, der frei von Polemik oder Belehrung ist, lädt dazu jederzeit ein. In Zeiten, in denen sich Tier und Mensch zunehmend voneinander entfremden, der Lebensraum wilder Tiere eingeschränkt wird und die industrielle Massenhaltung den Planeten zerstört, tut der sachliche und konkrete Blick des Films gut.

Jedes Tier ist anders

„Wir und das Tier“ beschäftigt sich auch mit einem sehr heutig wirkenden Phänomen. In einer Universität wird daran geforscht, wie man das Schlachten komplett computergeneriert und maschinell durchführen kann. Auch hier wird ganz auf Effizienz gesetzt, denn Maschinen funktionieren immer, während schlachtende Menschen unter ihrer Beschäftigung leiden oder durch Krankheit ausfallen können. Die Krux am maschinellen Schlachten besteht allerdings in der „natürliche Variabilität“. Jedes Schwein, jedes Rind ist anders gebaut, jedes ihrer Organe sitzt woanders. Das erschwert das von Emotionen befreite Töten durch Maschinen erheblich. So werden wir uns als Gesellschaft wohl noch einige Zeit damit auseinandersetzen müssen, wie wir das Miteinander mit den Tieren in Zukunft gestalten.

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