Fancy Dance
Drama | USA 2023 | 90 Minuten
Regie: Erica Tremblay
Filmdaten
- Originaltitel
- FANCY DANCE
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- Confluential Films/Significant Prod./AUM Group/Creativ Prod. Lab/Indigenous Intensive
- Regie
- Erica Tremblay
- Buch
- Miciana Alise · Erica Tremblay
- Kamera
- Carolina Costa
- Schnitt
- Robert Grigsby Wilson
- Darsteller
- Lily Gladstone (Jax) · Isabel Deroy-Olson (Roki) · Ryan Begay (JJ) · Shea Whigham (Frank) · Crystle Lightning (Sapphire)
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Drama um eine junge Frau aus einem Reservat in Oklahoma, deren Schwester vermisst wird und die um das Sorgerecht für ihre Nichte kämpfen muss.
Ein junges indigenes Mädchen sammelt irgendwo im ländlichen Oklahoma an einem Fluss Krabben, während ihre Mutter in der Nähe mit einem Metalldetektor ein Stück Rasen absucht. Auf der anderen Seite des Flusses steht ein weißer Angler – er schaut die Frau begehrlich an, als diese ihr T-Shirt auszieht und sich scheinbar versonnen am Wasser wäscht. Dabei ist er so vertieft in den Anblick, dass er nicht bemerkt, wie das junge Mädchen hinter seinem Rücken seine Brieftasche leert und ihm die Autoschlüssel entwendet. Die beiden Diebinnen flüchten mit dem Pick-up-Truck des Anglers und fahren ins Reservat. Dort verkaufen sie den Wagen und Schmuck aus dem Diebesgut an einen indigenen Ladenbesitzer.
Zwei Schwestern haben sich mit den falschen Leuten eingelassen
Die Eingangssequenz stellt ohne Beschönigung die Heldin des Films vor. Sie heißt Jax (Lily Gladstone) und ist kein Engel. Bereits mehrfach ist sie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und scheint ihren nicht ganz so ehrlichen Lebenswandel an ihre junge Verwandte weiterzugeben. Denn Roki, so der Name der 13-Jährigen, ist gar nicht Jax’ Tochter, sondern ihre Nichte. Deren Mutter Tawil ist seit mehreren Monaten verschwunden und trotz aller Bemühungen von Jax unauffindbar. Während die naive Roki überzeugt ist, dass ihre Mutter bald wieder zu ihr stoßen wird, weiß Jax, dass ihre Schwester in großer Gefahr ist. Denn beide Frauen haben sich mit Drogendealern eingelassen, und dass Tawil so lange nicht gesehen wurde, lässt Schlimmstes vermuten. Beim Dealen mit Dope gerät Jax in eine sehr gefährliche Situation, bekommt aber gleichzeitig auch einen Tipp von einem Kunden, mit wem genau Tawil sich eingelassen hat.
Roki wiederum klammert sich an die Hoffnung, ihre Mutter bald wieder zu sehen, weil sie mit ihr auf dem nächsten PowWow, dem alljährlichen Treffen der amerikanischen Ureinwohner, beim traditionellen Tanz mitmachen will. Dafür näht sie mit viel Eifer an ihrem Kostüm und klammert sich an ihren Traum. Die Lage verkompliziert sich, als plötzlich Jax’ weißer Vater Frank auftaucht. Er soll das Sorgerecht für seine Enkelin erhalten, weil Jax vorbestraft ist. Das passt weder Roki noch Jax, und so kochen alte Spannungen hoch, die mit dem Tod von Jax’ und Tawils leiblicher indigener Mutter zu tun haben ...
Herkunft, Familie und Traditionen
„Fancy Dance“, das Spielfilmdebüt von Erica Tremblay, wurde in einem Reservat der Cherokee Nation gedreht und schildert das Leben der Bewohner dort realistisch und beiläufig zugleich. Das Drama handelt von Herkunft, Familie und Traditionen, aber auch von einem gemischten kulturellen Erbe, wie Jax es hat. Ihr Vater ist weiß und sah nach dem Tod seiner indigenen Frau keinen Grund mehr, im Reservat zu bleiben, und das bewertet seine Tochter Jax als Verrat. Sie selbst hat keine eigene Familie gegründet, lebt in keiner Beziehung, was für sie als offenbar lesbische Frau in ihrer Umgebung auch schwierig ist. Gelegentlich bezahlt sie eine Stripperin für einen Lapdance oder Kuscheln. Das Leben hat es offenbar nicht besonders gut mit ihr gemeint. In dem Lebensabschnitt von einigen Wochen, in dem der Film spielt, verfolgt sie keine besondere berufliche Agenda. Doch in ihrer Suche nach der Schwester legt sie eine genauso verzweifelte Hartnäckigkeit an den Tag wie im Kampf um ihre Nichte.
Diesen Aufgaben stellt sie sich ganz, bringt sich dabei in vielerlei Hinsicht in brenzlige Situationen, lässt sich aber nicht von ihrem Ziel abbringen. Auch den Mangel an Beschäftigung im Reservat und in seinem Umkreis schildert der Film in kurzen, aber prägnanten Szenen. Kleinkriminalität und Drogen bestimmen das Leben indigener und weißer Figuren. Nur Jax’ Halbbruder hat es zu etwas gebracht: Er ist Polizist geworden und achtet darauf, dass Jax sich nicht zu sehr gehen lässt. Durch das Benennen von Verwandtschaftsverhältnissen überlässt der Film es dem Publikum, die Biografien und Familien im Film zu ergänzen. Aus der alltäglichen Eintönigkeit im Reservat schlägt der Film jedoch kein voyeuristisches Kapital. Die Ereignislosigkeit mündet in die illegalen Aktivitäten, die wiederum einigen Figuren zum Verhängnis werden. So finden narrative Enden schließlich zu einem zusammenhängenden Ganzen zusammen.
Die Genregrenzen verwischen
Der Film verwischt die Genregrenzen zwischen Sozial- und Familiendrama sowie Thriller und Road-Movie. Eigentlich erzählt er von einer Suche – nach der Wahrheit, nach der Herkunft und nach einer lebenswerten Zukunft. Tremblays Film ist unaufdringlich und trotzdem fesselnd, schwankt zwischen schönen Bildern der Natur und den unwirtlichen Weiten Oklahomas oder dem tristen Reservat. Und schließlich ist da ja auch noch der PowWow, das traditionelle Zusammentreffen der amerikanischen Indigenen mit Tanzritualen, die in Jax’ Familie sowie in ihrem Stamm eine maßgebliche Rolle spielen. Für die Teenagerin Roki ist der Tanz Sehnsucht und Verdrängung zugleich, während Jax als vom Leben Enttäuschte eigentlich mit ihm abgeschlossen hat. Am Ende, das ist absehbar, aber folgerichtig, wird er noch einmal eine entscheidende Rolle für die Familie spielen, fungiert als Aufbäumen, wiederbelebte Tradition und Schwanengesang in einem.