Being in a Place - A Portrait of Margaret Tait
Dokumentarisches Porträt | Großbritannien 2022 | 61 Minuten
Regie: Luke Fowler
Filmdaten
- Originaltitel
- BEING IN A PLACE - A PORTRAIT OF MARGARET TAIT
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2022
- Produktionsfirma
- Luke Fowler/Sarah Neely
- Regie
- Luke Fowler
- Buch
- Luke Fowler · Margaret Tait
- Kamera
- Luke Fowler · Peter Todd
- Musik
- Lionel Marchetti · Lee Patterson · Donald W. Lindsay
- Schnitt
- Luke Fowler
- Länge
- 61 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarisches Porträt | Filmessay
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Dokumentarische Collage über die schottische Dichterin und Filmemacherin Margaret Tait (1918-1999).
Nicht zuletzt aufgrund einer vorbildlichen institutionellen Arbeit erfährt die schottische Dichterin und Filmemacherin Margaret Tait (1918-1999) seit einigen Jahren weltweite Anerkennung. Vor allem im Jahr 2018, rund um den 100. Geburtstag der sich stets ihrer natürlichen Umgebung hingebenden Regisseurin, ermöglichten zahlreiche Veranstaltungen bis dato unbekannte Zugänge zu dieser großen Künstlerin.
Wer sich ein Bild machen möchte, dem seien ihre Filme wie „Where I Am Is Here“, „Garden Pieces“ oder „On the Mountain“ wärmstens empfohlen, in denen Tait eine einzigartige Philosophie der Präsenz und des Sehens offenbart. Es sind Filme, die kompromisslos für die Kraft der Wahrnehmung eintreten und sichtbar machen, was wirklich zählt: ein Lachen, eine Blume, ein Augenblick der Stille. Ihr ganzes Filmschaffen ist ein Plädoyer für das Hier-Sein, das „Being in a Place“.
Der englische Titel des Filmporträts „Being in a Place“ von Luke Fowler umfasst eine schöne Doppelbedeutung, die auch für Tait von großer Bedeutung war. Das „Being“ beschreibt sowohl das Sein wie auch das Lebewesen. Der schottischer Filmemacher, dem man durchaus ein Nahverhältnis zu Tait nachsagen kann, realisierte 2019 bereits den Kurzfilm „Houses (for Margaret)“, der sich Taits Werk annäherte. Mit „Being in a Place - A Portrait of Margaret Tait“ schöpft Fowler nun aus dem Vollem, indem er zahlreiche Archivmaterialien (Tonaufnahmen Taits, Dokumente, Filmausschnitte) nutzt, für Tait wichtige Menschen und Orte besucht und sich gleichzeitig an die Verfilmung eines nie realisierten Tait-Films, „Heartlandscape“, sowie an die Hintergründe des Scheiterns dieser für das britische Fernsehen angedachten Dokumentation wagt.
Der Geist Taits soll evoziert werden
Fowler ist ein Filmemacher, der sich an den Grenzen zwischen Experiment und Dokumentarischem bewegt. Da ist es nicht verwunderlich, dass er hier durch formale, quasi assoziative Schnittfolgen und seine haptischen 16mm-Bilder gleichermaßen den Geist Taits zu evozieren versucht. Seine Filme sind Gespräche mit jenen, von denen sie handeln. Man könnte sagen, dass sie wie Briefe an die Porträtierten funktionieren, egal ob diese tot oder lebendig sind.
„Being in a Place“ ist eine rauschhafte Collage; allerdings widerspricht die daraus entstehende Flüchtigkeit Tait mehr, als dass sie ihr gerecht wird. Man hat zwischen Einzelbildern und diversen Materialien nie das Gefühl, wirklich da zu sein, zumindest nicht an den Orten, die gefilmt werden. Aber vielleicht ist das auch ein ungelenker Anspruch, schließlich heißt der Regisseur Luke Fowler und nicht Margaret Tait. In seinen wie unverhofft aufleuchtenden und sogleich wieder verschwindenden Bildern vermittelt sich eine Rastlosigkeit, die danach trachtet, in der Schönheit von Taits Welt zu ertrinken, die auch und unbedingt die Orkney-Inseln einschließt, lange Zeit Mittelpunkt von Taits Schaffens.
Herzförmige Fahrt auf einer Landkarte
„Heartlandscape“, ein Porträt- und Reisefilm, in dem Tait einer herzförmigen Fahrt auf der Landkarte folgend, Menschen auf den Inseln filmen wollte, wurde vom Fernsehsender Channel 4 abgelehnt. Fowler zeigt die Dokumente, mit denen ihr das mitgeteilt wurde. Gleichzeitig folgt sein Film eben jener Herzform. Fragmente von Gesichtern und Begegnungen wechseln mit Bildern aus Taits Filmen. Letzteres ist durchaus delikat, schließlich hatte sich die Filmemacherin immer gegen solche Verwendung von Ausschnitten aus ihrer Arbeit für dokumentarische Zwecke gewehrt.
Fowler geht dabei wohl auch deshalb vorsichtiger zur Werke als etwa in seinem Film „Cézanne“ (2019), in dem er viel offener versucht, filmische Entsprechungen für die Malerei des Porträtierten zu finden. Trotzdem verschmelzen Fowlers Bilder hier gelegentlich mit jenen von Tait; dann verselbständigt sich das Material und man erkennt eine Überlappung, die mal fasziniert, mal irritiert.
Man fragt sich, ob bereits eine Landschaft reicht, um den Geist einer Person zu evozieren. Genügt es, bestimmte Farben zu sehen, zum Beispiel das charakteristische Grün einer Wiese, um einen verstorbenen Menschen gegenwärtig zu halten? Ist in diesem Sinn das Lebewesen wirklich in den Ort eingeschrieben? Existieren wir fort in dem, was wir hinterlassen?
Diese großen Fragen stehen im Zentrum von „Being in a Place“. Es geht hier um eine Art Fußabdruck durch die Filmgeschichte. Tait selbst spricht in den Tondokumenten davon, wenn sie berichtet, wie sie während ihres Studiums in Rom auf Roberto Rossellini traf. Das filmische Erbe als Überlebensstrategie einer Art, die Welt zu betreten.
Das Einfachste und Schwierigste zugleich
Das größte Problem von „Being in a place“ ist zugleich seine größte Stärke. Die schiere Menge an Materialien und der Zugang zu diesen entfremden letztlich mehr von Taits Weltsicht, als dass diese verdeutlicht werden könnte. Denn auch wenn der Zugang zu Archiven von Fowler mit viel Demut und Sinn für Taits Werk angegangen wird, so besticht Taits Arbeit gerade darin, dass sie sich um jene Dinge dreht, zu denen alle Zugang haben. Auch deshalb sind die stärksten Bilder jene, die sich der Landschaft Orkneys widmen, die das Einfachste und Schwierigste zugleich versuchen: Etwas zu sehen und da zu sein.