They Cloned Tyrone
Action | USA 2023 | 119 Minuten
Regie: Juel Taylor
Filmdaten
- Originaltitel
- THEY CLONED TYRONE
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- Federal Films/MACRO/Made With Love Media
- Regie
- Juel Taylor
- Buch
- Juel Taylor · Tony Rettenmaier
- Kamera
- Ken Seng
- Musik
- Pierre Charles · Desmond Murray
- Schnitt
- Saira Haider
- Darsteller
- John Boyega (Fontaine) · Teyonah Parris (Yo-Yo) · Jamie Foxx (Slick Charles) · J. Alphonse Nicholson (Issac) · Tyler Antonius (Tyron)
- Länge
- 119 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Action | Komödie | Science-Fiction
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
In den 1970ern stoßen ein Dealer, ein Zuhälter und eine Hure aus einem afroamerikanischen Viertel auf eine fiese Regierungsverschwörung: Eine hintergründig-cleverere Actionkomödie in den Spuren des Blaxploitation-Kinos.
Das Rubbellos ist eine Niete. Fontaine (John Boyega) holt es täglich ab, zusammen mit dem „Forty“ Malt Liquor und den Zigarillos. Dann setzt er die tägliche Dealer-Routine fort: der Konkurrenz die Beine brechen, Geldbündel zählen und die fehlenden Scheine eintreiben.
Heute ist es Slick Charles (Jamie Foxx), an dessen Tür Fontaine klopft. Während der Zuhälter ihn mit Ausreden und Beschimpfungen beackert, durchwühlt der Dealer unbeirrt das Motelzimmer. Das Bargeld ist der letzte Fund, den Fontaine macht. Auf dem Rückweg trifft er noch die Prostituierte Yo-Yo (Teyonah Parris). Dann fährt ein Wagen eines verfeindeten Dealers vor. Fontaine wird erschossen … und klopft einen Tag später erneut an Charles’ Tür. Er zieht die gleiche Niete, stemmt die gleichen Gewichte, kauft die gleichen Zigarillos. Nur ist der Zuhälter an diesem Tag eben nicht mehr nur Schuldner, sondern auch Zeuge von der Auferstehung, die Fontaine eben nicht nur geträumt hat. Es stimmt etwas nicht in der Hood. Das in ständige interne Zwiste verstrickte Dreiergespann aus Dealer, Zuhälter und Hure bricht auf, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die scheinbar bedeutungslosen Details des Alltags, der wie eine Matrjoschka-Puppe den immer gleichen Ablauf hervorbringt, entpuppen sich bei genauer Betrachtung als Hinweise einer gewaltigen Verschwörung. Im Gemurmel der Obdachlosen verbergen sich geheime Botschaften, in verlassenen Häusern finden sich unterirdische Geheimlabore. Der Hood-Alltag wird zur Mystery-Geschichte.
„The Matrix“ goes Ghetto
Juel Taylors Spielfilmdebüt entwirft die Matrix neu – als Ghetto. Das Leben hier ist für all diejenigen, die keine Regierungsagenten sind, ein modernes, am Reißbrett entworfenes Sklaverei-Experiment. Der Mechanismus dahinter ist der gleiche, den auch die moderne Besitzsklaverei anwendet: die Zerstörung des Selbstbilds. Als Fontaine erfährt, dass er ein Klon ist, fällt die stoische Art, mit der er Nieten zieht, Geld eintreibt und Konkurrenten ausschaltet, in sich zusammen: „I’m me“, brüllt er, pocht verzweifelt auf die eigene Brust, muss aber, je tiefer er, Charles und Yo-Yo in die buchstäblich im Untergrund gestrickte Verschwörung vordringen, begreifen, dass sein Ich nur die Verlängerung eines fremden Willens ist. Die Stimme seiner Mutter kommt vom Tonband, sein verstorbener Bruder ist eine implantierte Erinnerung, sein Leben eine für ihn entworfene Rolle, er selbst nur der Klon eines unbekannten Originals.
Dealer bleiben Dealer, Zuhälter bleiben Zuhälter, Prostituierte bleiben Prostituierte. Die Tage laufen nach dem gleichen Schema weiter, die Rubbellose bleiben Nieten. Jeder spielt eben die Rolle, die das ominöse Regierungsprojekt, das die Nachbarschaft kontrolliert, ihnen zuweist.
Rassismuskritik trifft Genre-Schauwerte
Mit dem Verweis auf die in der medialen Aufarbeitung der amerikanischen Rassismusgeschichte wenig beachteten Humanexperimente reiht sich „They Cloned Tyrone“ in den Zweig des zeitgenössischen Genrekinos ein, in dem schwarze Regisseur:innen wie Jordan Peele und Boots Riley den bitteren diskurspolitischen Kern ihrer Geschichten mit Schauwerten des Genres verschweißen. Ästhetisch schließt Taylor sichtbar an die Blaxploitation-Ära an – nicht nur, weil die Geschichte in den 1970er-Jahren spielt. Auch die grobkörnig-schummrige Pulp-Ästhetik und der Subtext machen dort weiter, wo Filme wie „Blacula“ (der gemeinhin als erster Blaxploitation-Horrorfilm genannt wird und Bram Stokers Metapher der blutsaugenden Oberklasse mit einem Verweis auf die modernen Sklaverei-Geschichte verbindet) den Grund legten.
Anders als die Hoods der Blaxploitation-Ära ist das fiktive Glen kein abstrakter und ahistorischer Ort, sondern ein konkret mit der Geschichte verwobener Kulturraum. Die Artefakte der Hood – im Popkulturkosmos längst mit Kultstatus belegt – sind die Instrumente, mit denen die Regierung die Bevölkerung kontrolliert: Malt Liquor, Perm Lotion, Fried Chicken – alles ist Teil der permanenten Gedankenkontrolle. Den Ausbruch aus dieser Matrix inszeniert Taylor als absurdes, komisches und kathartisches Aufbegehren. Das Ensemble meißelt mit schneller Zunge, gutem Timing und viel Lust am Quatsch beständig an den eigenen Stereotypen, bis die Persönlichkeiten darunter freigelegt sind: John Boyega als stoischer Griesgram mit humanistischer Ader, Jamie Foxx als Quasselstrippe, deren Ausfälle so spontan kommen, dass sie unmöglich in einem Drehbuch stehen können, aber zu geschliffen erscheinen, um nicht in einem Drehbuch stehen zu können, und Teyonah Parris als streetsmarte Wissenschaftsbeirätin mit strukturell ersticktem Geistespotenzial. Sie sind die Menschen, die unter der Kontrolle der Regierung täglich Nieten ziehen, aber gemeinsam eine Möglichkeit erkämpfen, das zu werden, was sie sein wollen: sie selbst.