Die Tagebücher von Adam und Eva
Drama | Deutschland 2023 | 88 Minuten
Regie: Franz Müller
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- Mizzi Stock Entertainment
- Regie
- Franz Müller
- Buch
- Franz Müller
- Kamera
- Agustín Mendilaharzu · Markus Koob
- Musik
- Tonia Reeh
- Schnitt
- Stefan Stabenow
- Darsteller
- Anca Androne (Eva) · Alex Brendemühl (Adam) · Belina Mohamed-Ali (Elena ) · Jakob D'Aprile (Alejandro ) · Eva Löbau (Alex )
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- 23.01.2025
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama | Fantasy | Liebesfilm | Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Skurrile Low-Budget-Komödie nach einer Vorlage von Mark Twain über die beiden ersten Menschen, die mit den Eigenheiten des anderen Geschlechts fremdeln.
„Es hat keine Hüften und läuft spitz zu wie eine Karotte. Wenn es steht, spreizt es sich wie ein Lastkran“. So ließe sich ein erwachsener männlicher Körper beschreiben, würde man ihn zum ersten Mal sehen und nach vergleichenden Begriffen suchen, nach Formen, die ihm ähnlichsehen. Für Eva (Anca Androne), die erste Frau des biblischen Schöpfungsmythos, ist alles, was sie um sich herum erblickt, neu und schier unbeschreiblich. Erst seit einem Tag scheint sie auf der Welt zu sein, weil sie sich nicht weiter als an ein Gestern zurückerinnern kann.
In der ersten Sequenz von „Die Tagebücher von Adam und Eva“ kleidet der Regisseur Franz Müller ihre Ankunft in eine Kamerabewegung. Eine Graslandschaft, die kopfüber zu sehen ist, dreht sich so lange, bis sie in der gespiegelten Horizontalen zu stehen kommt. Eva möchte das, was sie sieht, nicht auf den Kopf stellen, sondern lieber mit neuen Worten und Namen ordnen.
„Es heißt so, weil es so aussieht“, sagt sie auf Adams (Alex Brendemühl) Frage, worauf sich die Bezeichnungen, die sie erfindet, genau beziehen. Doch wie lässt sich eigentlich etwas wie ein Lastkran als Vergleich heranziehen, wenn Kräne erst Jahrtausende später erfunden werden? Aus dieser Unstimmigkeit zog Mark Twain in seiner zweigeteilten Erzählung den ganzen Humor. In „Die Tagebücher von Adam und Eva“ erzählt er die menschliche Schöpfungsgeschichte als eine ironische Brechung der Geschlechterdifferenzen seiner Zeit am Ende des 19. Jahrhunderts. Im Wechsel führen Adam und Eva ein Tagebuch, in dem sie mit den Eigenheiten und Unzulänglichkeiten ihres Partners fremdeln.
Der Urtext deutscher Beziehungskomödien
Dass Franz Müller, einer der interessantesten und kreativsten Regisseure deutschsprachiger Low-Budget-Komödien, diese Kurzgeschichte nun für einen Film adaptiert, leuchtet schon nach wenigen Minuten unmittelbar ein. In den anhand schematischer Gegensätze konstruierten Differenzen, aber auch im bewusst sarkastischen Spiel mit diesen Klischees zeigt sich schnell, dass Twains Buch durchaus als so etwas wie ein Urtext deutscher Beziehungskomödien gelten darf.
Darum lässt sich diese Geschichte auch bruchlos weitererzählen. Den Off-Kommentar der beiden Figuren legt Müller bisweilen über kurze illustrierende Vignetten aus dem heutigen Berlin: Paare, die sich kennenlernen und zusammenziehen, die mit den Erfordernissen der Familienplanung hadern und nach anderen Arten von Beziehungsgemeinschaften suchen, die sich streiten und wieder versöhnen (oder eben auch nicht). Dabei droht der Film bisweilen auf eine allzu geübte und reibungslose Art in eine moderne Form der Sittenkomödie abzurutschen, weil er etwas zu passgenau und wohlfeil den Abgleich der Vorlage mit den hinzufantasierten Bildern sucht.
Im Umgang mit Kostümen und Requisiten wird sehr selbstbewusst eine filmische Form der Arte Povera verteidigt. Das Entdecken und das Erfühlen einer unbekannten Welt geht mit ihrer Neugestaltung einher. Durch die Landschaften des Bergregenwaldes in Argentinien wandeln Menschen in Wollperücken und Tiere aus Plüsch und Bettlaken; besonders hübsch ist ein kompliziert aus unzähligen Decken vernähter Brontosaurus gelungen, den gleich mehrere Schauspieler zugleich in Bewegung setzen müssen. Den Mond holt Eva als einen leuchtenden Lampion vom Himmel herunter.
Von spöttischer Lakonie zu sanfter Ergebenheit
Die ursprünglich als Werbetext für eine Ausstellungsmesse geschriebenen „Tagebücher von Adam und Eva“ waren für Mark Twain ein einträglicher Kassenschlager, der zum zentralen Bestandteil einer weltweiten Lesereise wurde. Durch den frühen Tod seiner Frau bewegt, schrieb er die Geschichte später um und erweiterte sie. Diesen Wechsel im Tonfall vollzieht der Film auf eine feinnervige Weise mit: Die sonore Brummelstimme des US-Indie-Sängers Bill Callahan, der Adam aus dem Off spricht, wechselt unmerklich von spöttischer Lakonie zu sanfter Ergebenheit. Aus ironischem Spiel wird, auch das ist oftmals ein Wesensmerkmal gelungener Komödien, am Ende begründetes romantisches Sentiment: „Wo immer sie auch war, da war das Paradies.“