Die Sympathien halten sich auf beiden Seiten in Grenzen: Schwiegertochter Claire (Emily Wiseman) ist für die Feinbergs nicht gläubig genug (und vor allem nicht jüdisch), Sohn Art (Nick Blood) hat nach der Heirat den zuvor engen Kontakt zu seinem Vater Saul Feinberg (Allan Corduner) und seinem besten Freund Heimish (Paul Kaye) weitestgehend abgebrochen. Doch die Zeit heilt manche Enttäuschung, zumal nun ein Nachkomme ansteht. Es soll ein Neuanfang werden, immerhin ist Saul nicht mehr der Jüngste und will zumindest noch eine Weile ein guter Großvater sein. Die Reise zurück ins Viertel der Jugend und ins Elternhaus ist für Art mit vielen Erinnerungen behaftet. Früher hatte er gerne im elterlichen Bestattungsunternehmen mitgearbeitet, ja hätte es sogar übernehmen sollen. Doch Karriere und das große Geld waren der Grund, warum der junge Mann nach der Hochzeit das Weite suchte.
Aus dem Erfolg ist allerdings nichts geworden. Schlimmer noch: Wenn er seinen Vater nun nicht bewegen kann, für seine Schulden eine Bürgschaft zu leisten und das Haus als Sicherheit einzusetzen, ist die Existenz der jungen Familie zerstört. Es ist alles andere als ein unbeschwertes Wiedersehen, zumal Heimish schnell vom Ansinnen seines einstigen Bruders im Geiste erfährt und das Friedensangebot gänzlich als Heuchelei missversteht.
Ein Dämon grätscht ins Familiendrama
All das hätte genügend Stoff für ein veritables Familiendrama gegeben, zumal es in der Kultur des ultraorthodoxen chassidischen Judentums spielt. Doch alte, für den Unwissenden mitunter unnahbar scheinende Religionen bieten noch ein anderes dankbares Spielfeld für Hollywood. Und so gibt es auch in „Abyzou – Keine Seele ist sicher“ einen Prolog, der ein anderes Unheil andeutet, welches fortan über der Familie Feinberg schwebt. Es bahnt sich zunächst im Haus von Yosille (Anton Trendafilov) seinen Weg ins Diesseits. Die Familie des alten Zaddiks (ein chassidischer Rabbi) ist von etwas Unaussprechlichem befallen, das er in einer rituellen Selbstopferung zu bannen versucht. Doch was als Rettung (für die Welt) geplant war, scheitert am Unwissen der Feinbergs. Denn nur der Zuschauer war Zeuge des archaischen Rituals, das den schrecklichen Dämon Abyzou im toten Körper Yosilles für immer bannen sollte. Doch als dieser ins Souterrain des Hauses der Feinbergs zur Aufbahrung gelangt und von Art empfangen und vorbereitet wird, entfernt dieser ahnungslos das Messer aus dessen Brust und das Amulett mit den Bannzeichen. Der Schrecken kann erneut seinen Lauf nehmen.
Bereits 2012 war der folkloristische Dämon Abyzou, der ungeborene Kinder tötet oder lebende malträtiert, Gegenstand in Ole Bornedals Horrorfilm „Possession – Das Dunkle in dir“. Doch kam er seinerzeit in einem alten Kästchen und terrorisierte eine „ganz normale“ US-amerikanische Kleinfamilie, wütet er nun im Umfeld einer religiösen Gruppe, die an ihn glaubt. Das gibt dem Unheimlichen noch einmal eine geerdetere, man kann sagen realistischere Note. Denn in Häusern, in denen alte Bücher in düsteren Bibliothekszimmern darauf warten, entschlüsselt zu werden, in denen sich archaische, in die Dielen geritzte Beschwörungszirkel unter muffigen Teppichen verbergen und in denen Kerzenlicht bei Tag und Nacht keine wohlige Wärme verströmt, da ist es fast erwartbar, dass in den dunklen Ecken und hinter bleiernen Vorhängen gehörnte Gestalten kauern.
Atmosphäre und Archaik
Während „Possession – Das Dunkle in dir“ das Grauen als moderne Achterbahnfahrt inszenierte, verbreitet „Abyzou“ (der im Englischen sinniger „The Offering“ – die Darbringung – heißt) zunächst einmal Atmosphäre. Das gelingt Regisseur Oliver Park für all diejenigen in überzeugender Art und Weise, die für den Schrecken weniger Gemetzel und Gedärme als Archaik benötigen. Zudem weiß er um seine Vorbilder und führt ganz wie einst bei „Rosemarys Baby“ einen Experten und Freund als Nebenrolle ein, der, in Wissenschaft und (Aber-)Glaube versiert, das Problem benennt und sich dabei selbst in Lebensgefahr bringt. Dieser Kniff ist für das Funktionsgerüst eines guten Geisterhorrors essenziell. Denn auch in „Abyzou – Keine Seele ist sicher“ ist es erst die Expertise und die Beweisführung, die den Teufel weg vom Spuk ganz real und bedrohlich werden lässt.
„Abyzou – Keine Seele ist sicher“ steht damit auch ganz in der Tradition der „Conjuring“-Reihe und dürfte all jenen einen nachhaltigen Schauer über den Rücken jagen, für die Glauben auch immer eine dunkle Seite hat, die man besser nicht ausspricht.