Selbst vielen Alpinisten dürfte der Name Bradford Washburn (1910-2007) kaum etwas sagen. Der Geologe leitete 40 Jahre lang das Boston Museum of Science, doch seine eigentliche Leidenschaft galt den Bergen. Vor allem den Felsmassiven in Alaska. Seit den 1930er-Jahren bestieg er in dem bis dahin kaum erforschten Gebiet viele Gipfel und machte sich vor allem durch seine Fotos einen Namen. Mit einer monströsen Kamera, die eigentlich fürs Militär entwickelt worden war, schoss er aus der Luke von Flugzeugen großformatige Bilder, die den US-Bundesstaat in unberührter Naturschönheit zeigten. Nach diesen Fotos erstellte Washburn detaillierte Landkarten, die vielen Bergsteigern bei den Vorbereitungen ihrer Touren halfen.
Drei Bergsteiger und ihr Vorbild
Der Dokumentarfilm „Die unendliche Weite des Himmels“ verbindet ein Porträt dieses Pioniers mit einer Kletterpartie über die berüchtigte Mooses-Tooth-Traverse auf einer Route, die zuvor noch nie begangen wurde. „Die unendliche Weite des Himmels“ zählt damit zu den zahlreichen Bergsteiger-Filmen, die in den vergangenen Jahren ins Kino kamen. Wobei sich in aller Regel grandiose Landschaftspanoramen mit akrobatischen Kletterkünsten verbinden, was trotz aller spektakulären Aspekte allerdings selten ohne Redundanzen bleibt.
Dieser Gefahr entgeht der Film von Renan Ozturk und Freddie Wilkinson durch eine souveräne Verzahnung der Kletterpassagen der drei Alpinisten mit der Biografie jenes Mannes, dessen mehr als achtzig Jahre alte Fotos sie zu dieser Tour erst inspiriert haben. Von Bradford Washburn sind allerdings nicht nur alte Schwarz-weiß-Bilder überliefert, sondern auch Filmaufnahmen, mit denen er einige seiner Expeditionen dokumentiert hat. Etwa die Besteigung des Mount McKinley, der aus Respekt vor den Ureinwohnern Alaskas seit 2015 wieder den indianischen Namen Denali trägt. Darin sieht man dann, wie Washburn kurz vor dem Gipfel seiner Frau Barbara den Vortritt lässt, damit sie als erste Frau auf dem höchsten Berg der USA in die Geschichtsbücher eingehen kann. Zudem gibt es Sequenzen aus einem Interview mit dem Ehepaar aus dem Jahr 2000, in dem beide von ihrer Leidenschaft für die Berge und die Fotografie berichten. Hinzu kommen Statements von Biografen, Bergsteigern und Fotografen, die davon erzählen, in welchem Maße Washburn sie bei ihrem Tun inspiriert hat.
An der Grenze ihres Könnens
Ab der Mitte des Films stehen die Versuche der Kletterer Renan Ozturk, Freddie Wilkinson und Zack Smith im Vordergrund, ihre von vielen für unmöglich gehaltene Mooses-Tooth-Traverse zu meistern. Das Unterfangen bringt das Trio auch schnell an die Grenze seines Könnens. Aufgrund der ungewöhnlichen Wärme haben die Alpinisten mit Lawinen, Steinschlag und allerlei Wetterkapriolen zu kämpfen. Sie brechen ab, wollen aber bald einen weiteren Versuch starten. Doch auch der misslingt. Allerdings sind sie sich inzwischen sicher, dass ihr Unterfangen grundsätzlich machbar ist.
Doch ein halbes Jahr vor dem neuerlichen Aufbruch nach Alaska zieht sich Ozturk bei einer anderen Bergtour schwerwiegende Verletzungen zu. Lange Zeit ist unklar, ob er seinen Beruf je wieder ausüben kann. Denn wie Wilkinson lebt er inzwischen ganz von der Kletterei. Derweil beschließt Zack Smith, seinem gefährlichen Hobby trotz aller Leidenschaft nicht weiter nachzugehen. Seine Beziehung zerbrach daran, dass seine Freundin die ständige Angst um ihn nicht mehr aushielt. Also nehmen Wilkinson und der wieder genesene Ozturk schließlich zu zweit einen weiteren Anlauf, um die Mooses-Tooth-Traverse endlich doch zu meistern.
Was will man auf den Bergen?
Abseits der teilweise atemberaubenden Bilder dieses Unterfangens sind es auch die Räsonnements der beiden Bergsteiger, die überzeugen. Weit entfernt davon, sich als Superhelden zu inszenieren, verschweigen sie nicht ihre (Selbst-)Zweifel angesichts der Irrationalität ihres Tuns, das sie immer wieder in die Berge treibt, obwohl viele ihrer Freunde darin umgekommen sind. Unter den zahlreichen Bergsteigerfilmen ist „Die unendliche Weite des Himmels“ fraglos einer der besseren.