Drama | USA 2018 | 237 (zwei Teile) Minuten

Regie: Patrick Wang

Die „Bread Factory“ ist ein altes Kunstzentrum im Bundesstaat New York, das immer kurz vor dem ökonomischen Kollaps steht und seine Fördermittel zu verlieren droht. Als ein hippes Paar von Konzeptkünstlern in derselben Nachbarschaft aktiv wird, verschärft sich die Situation weiter. Während eine neue Aufführung vorbereitet wird, waten viele der Künstler und Aktivisten in die Untiefen der Lokalpolitik. Hinreißende Komödie, die mit einer Vielzahl paralleler Handlungsstränge von der unbedingten Notwendigkeit von eigensinniger Kunst für Gemeinden erzählt. Ein stets im richtigen Maße zarter und zorniger, pragmatischer und utopischer, analytischer und herzlicher Film. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
A BREAD FACTORY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
In the Family/Vanishing Angle
Regie
Patrick Wang
Buch
Patrick Wang
Kamera
Frank Barrera
Musik
Aaron Jordan · Melissa Li · Chip Taylor
Schnitt
Elwaldo Baptiste
Darsteller
Tyne Daly (Dorothea) · Elisabeth Henry (Greta) · James Marsters (Jason) · Nana Visitor (Elsa) · Keaton Nigel Cooke (Simon)
Länge
237 (zwei Teile) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Komödie
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Zweiteilige Komödie um ein Kulturzentrum in einer Kleinstadt, das vom Auftauchen eines Paars von Performance-Künstlern bedroht wird, die mit einem Neubau zur Konkurrenz werden.

Diskussion

Man kennt diese Orte. Betagte Gebäude, die bessere Zeiten gesehen haben. An den Rand gedrängt, verborgen in Seitengassen und Hinterhöfen, spärlich besucht und deshalb immer kurz vor dem Ende. Offenkundig nicht zeitlos, sondern hoffnungslos anachronistisch und gerade dadurch charmant. Gedenkstätten einer klugen, herausfordernden Kultur, die immer in der Vergangenheit zu leben und in der Gegenwart zu darben scheint. Das Schöne an ihnen ist die Hässlichkeit, die spöttisch die hässliche Schönheit kommentiert, die andernorts vorherrscht. Im Inneren: Theater- und Kinosäle, Museen oder Kulturzentren. Als junger Mensch fühlt man sich dort immer ein wenig verloren, fehl am Platz, aber irgendwie ist man auch stolz, diese alte Welt neu für sich entdeckt zu haben.

Kunst, wo vorher Industrie war

Die zweiteilige Komödie „A Bread Factory“ von US-Regisseur Patrick Wang präsentiert einen solchen Ort. Ein altes Kunstzentrum in der fiktionalen Stadt Checkford im Bundesstaat New York, seit 40 Jahren in den Räumlichkeiten einer alten Brotfabrik am Werk. Hier werden Theaterstücke und Opern aufgeführt, Filme und Kunstinstallationen gezeigt, es wird gelehrt und gelernt, man verwaltet und verzweifelt. Kunst, wo vorher Industrie war; eine neue Art von Arbeit, um eine andere Art von Hunger zu stillen.

Jedes Kino, in dem man „A Bread Factory“ sehen würde, wäre wohl auch ein solcher Ort. Jetzt sind beide Teile des Films auf dem Streamingdienst Mubi erschienen. Die beiden Teile des Films, „For the Sake of Gold“ und „Walk with me a Mile“, sind jeweils zwei Stunden lang. Man betritt diese Komödie wie das titelgebende Kunstzentrum, in dem sich jeder Raum, jedes Objekt und jeder Mensch wie ein Schwamm mit Geschichten vollgesogen hat. Alles sieht ein wenig schummrig und altmodisch aus. Nach und nach findet man sich zurecht, lernt die Atmosphäre, die Bewohner und selbst die Unvollkommenheiten lieben.

Kulturelle Verdrängungskämpfe

Der Film ist schon 2018 erschienen, war jedoch in Deutschland bis zur Veröffentlichung durch den Arthouse-Streamingdienst nicht verfügbar. So ergänzt der Film seine Geschichte von Kunst und Kommerz um eine Meta-Erzählung. Denn ein Mythos der Gegenwart ist die universelle Verfügbarkeit. Ein Überangebot an Kultur, das für jeden etwas bereithält, soll es geben. Doch offenkundig ist auch der Kulturmarkt nie ansatzweise so frei, wie manchmal behauptet wird. Zu viel verschwindet, wird verschleppt oder versteckt. Natürlich sind teure Produktionen eben lauter, präsenter und leichter verfügbar. Aber auch innerhalb dessen, was unter „Kunst“ firmiert, gibt es klare Verwertungshierarchien, noch und gerade am Rand herrschen Verdrängungskämpfe.

Einmal heißt es im Film, die Brotfabrik habe es schwer in einer „Zeit der Krümel“. Seitdem das hippe Künstlerduo MayRay (Janet Hsieh und George Young) in der Stadt ist, müssen sie stark um Fördermittel bangen. Neben den Vorbereitungen für eine neue Aufführung von Euripides’ „Hekabe“ ist der Kampf um einen Zuschuss für Lehrmittel der präsenteste unter dutzenden Handlungssträngen. Die Geschäftsführerinnen Dorothea (Tyne Daly) und Greta (Elisabeth Henry) kämpfen um ihr Lebenswerk, auch wenn Verkauf und Gentrifizierung der einfachere Weg wären. In einer der überraschenden Musical-Sequenzen der zweiten Hälfte steht in ihrem Büro plötzlich ein Chor von Sirenen, der mit einem einfacheren Leben ohne Chaos und Unsicherheiten lockt.

Spiel mit dem Verschieben von Zeichen

MayRay sind eine Parodie auf allzu gefällige, knallige Performance- und Konzeptkunst, die ihre eigene Banalität durch Exzess maskiert. Sie treten etwa in Astronautenanzügen auf, an denen kleine Puppen ihrer selbst angebracht sind, und wiederholen die immer gleichen Sätze, um ihnen neue Bedeutung abzuringen. Kunst bedeutet oft ein Spielen mit und das Verschieben von Zeichen. Poesie erzeugt Kategoriefehler, vereint Unvereinbares. Die Factory (Warhol lässt grüßen) ist da keine Ausnahme. Die Menschen tun dort überraschende Dinge, und alle Rollen sind ungewöhnlich besetzt. Der Filmvorführer Simon (Keaton Nigel Cooke) ist noch ein junges Kind, auch die Lokalzeitung wird seit neuestem von Teenager Max (Zachary Sayle) geleitet. Einige Darsteller wie Sir Walter (Brian Murray) hingegen sind im Greisenalter. Kellnerinnen werden plötzlich Protagonistinnen.

MayRay tragen bei ihren Performances Hüte an den Füßen und sitzt auf Tischen, in schrillen Monologen beklagen sie beispielsweise die „Hierarchie der Möbel“. Auch sie spielen mit Zeichen und Kategorien, arbeiten sich an schlüpfriger Semantik ab. Und doch erkennt man unmittelbar, wie lächerlich ihr Werk ist. Der Regisseur schafft es, wohl auch durch seine eigenen Erfahrungen als Theaterregisseur und Schauspieler, die moderne Kulturszene zu parodieren und zu hinterfragen, ohne in Ressentiments abzugleiten. Kein Hauch des spießbürgerlichen Kunsthasses, der immer noch nicht über Marcel Duchamp hinweg ist und im Museum unentwegt „das kann weg“ zischt. Stattdessen ein aufrichtiger, die Utopie im Pragmatischen suchender Blick, der über Streitereien bei Sitzungen lachen kann und glühende Liebe für einen Polydoros-Monolog entwickelt.

Die Kamera als geduldiger Zuhörer und Beobachter

Patrick Wang bezeichnet sich als „sometime director“, und tatsächlich ist seine Regiearbeit stark von Einflüssen jenseits des Kinos geprägt. Sein Blick gilt vor allem Darstellern und ihrem Spiel, die Kamera ist unter seiner Führung ein geduldiger Zuhörer und Beobachter. Seine Theater-Herkunft schlägt sich in einem besonderen Sinn für Sprache nieder, für Rhythmus und Betonungen. Was nicht heißt, dass der Film nicht auch faszinierende Bilder für seine Konflikte finden würde. In einem Café verfallen Leute plötzlich in Stepptanz-Einlagen, als hätte die Unruhe des öffentlichen Raums eine neue Dimension angenommen. Von einem großen Streit werden stellenweise nur Sekunden gezeigt, Touristen fallen in einer Musical-Einlage zwischen Busby Berkeley und Jacques Demy über die Stadt her. Die Ereignisse von Teil 1 werden am Anfang der zweiten Hälfte mit Pappkulissen, Zeitraffer und Stop-Motion nachgespielt.

Den Mehrwert des Kunstzentrums sieht „A Bread Factory“ in der Gemeinschaft, die es hervorbringt. In physischen und Denk-Räumen, die neue Begegnungen erlauben. Der Film endet mit einem endlosen Strom von Menschen, der aus dem Nichts an der Bread Factory vorbeizieht. Und aus dem Kunstzentrum tauchen plötzlich kostümierte Gestalten – Punks und Hasen, Wikinger und Könige – auf, die sich wie ein Nebenfluss in diesen Strom speisen. Aus dem alten Gebäude fließt frisches Blut in die Adern der Welt. Keine Selbstverständlichkeit, sondern, wie der Film ganz richtig zeigt, etwas, für das es sich immer aufs Neue zu kämpfen lohnt.

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