Drama | Mexiko 2022 | 118 Minuten

Regie: Natalia López

Die Schicksale dreier mexikanischer Frauen werden durch eine Entführung in Zusammenhang mit dem Drogen- und Waffenschmuggel miteinander verknüpft. Die bürgerliche Arbeitgeberin einer Hausangestellten, die spurlos verschwunden ist, die Schwester der Entführten sowie eine Polizistin sind in die Suche involviert; jedoch scheinen die Verstrickungen in die kriminellen, auf Gewalt beruhenden Strukturen, mit denen Kartelle die Region dominieren, übermächtig. Auf elliptische und mehrsträngige Weise erzählt der Film, wie schwierig es ist, in einem System der Angst moralisch richtig zu handeln. Dabei bleibt das Netz der Verstrickungen undurchsichtig und gewinnt dadurch eine unheimliche Atmosphäre, die sich konsequent über die Bilder legt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ROBE OF GEMS
Produktionsland
Mexiko
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Cárcava Cine
Regie
Natalia López
Buch
Natalia López
Kamera
Adrian Durazo
Musik
Santiago Pedroncini
Schnitt
Omar Guzman · Natalia López · Miguel Schverdfinger
Darsteller
Nailea Norvind (Isabel) · Aida Roa (Roberta) · Antonia Olivares (Maria) · Juan Daniel García Treviño (Adan) · Balam Toledo (Balam)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Debütfilm über die Schicksale dreier mexikanischer Frauen, die durch eine Entführung im Zusammenhang des Drogen- und Waffenschmuggels miteinander verknüpft werden.

Diskussion

Die mexikanische Bürokratie kommt der Unzahl an Todesfällen kaum noch hinterher. Die Kamera schwebt durch eine Polizeistation: Eltern, Großeltern und Kinder tummeln sich vor den Schreibtischen der Beamten. Ein Stimmengewirr füllt den düsteren Raum. Der Ton der Protokolle schwankt zwischen Nüchternheit und Verzweiflung. Wer hier wen vermisst, ist aus dieser Einstellung kaum herauszulesen. Zu groß ist das Chaos im mexikanischen Hinterland, wo Menschen spurlos verschwinden und möglicherweise nur tot wieder auftauchen.

Zu den Vermissten zählt die Schwester der Hausangestellten Maria (Antonia Olivares). Sie ist gemeinsam mit ihrer Mutter und mit der Hausbesitzerin Isabel (Nailea Norvind) auf die Polizeistation gekommen, um die Verschwundene zu melden. Ein Suchtrupp unter der Leitung der Polizistin Roberta (Aida Roa) hat bereits die Umgebung mit Hunden abgesucht. Bis jetzt erfolglos. Der Aktion wurde abgebrochen. Erst einmal bleibt nur die Bürokratie; der Vorfall wandert zu den Akten.

Drei Schicksale – eine Wirklichkeit

Die Entführung verbindet das Schicksal der drei Frauen, was nach und nach bruchstückartig klar wird. Die Regisseur Natalia López verknüpft zwei unterschiedliche Erzähltraditionen ihrer mexikanischen Heimat miteinander. Zum einem greift sie auf die mehrsträngige Erzählweise aus dem Frühwerk von Alejandro González Iñárritu zurück, zum anderen merkt man dem Film ihre Erfahrungen als Cutterin ihres Ehemanns Carlos Reygadas und für Amat Escalante an, nicht zuletzt daran, wie langsam-meditativ und zugleich verstörend López die Wirklichkeit einfängt.

Hinzu kommt, dass sich die Regisseurin und Drehbuchautorin auf drei Protagonistinnen fokussiert, die in den Drogenkrieg anders verwickelt sind als die Männer. Dadurch ergeben sich auch andere Handlungsspielräume sowie äußere und innere Konflikte. Die Polizistin Roberta merkt, dass ihr Sohn Adan (Juan Daniel Garcia Treviño) Teil einer Gang oder eines Kartells ist und droht ihm, indem sie ihn sich bis auf die Unterhose im Freien ausziehen und dort schlafen lässt. Ihre Warnung bewirkt allerdings nichts. Adan weiter vielmehr weiterhin im illegalen Drogen- und Waffengeschäft mit. Eines Tages ist auch er verschwunden, und die Mutter wirft dem senilen Opa vor: „Du bist ein Feigling!“ Die Männer sind hier definitiv keine Helden.

Keine Helden, nur ambivalente Heldinnen

Die Frauen versuchen es wenigstens, aber scheitern. Isabel setzt sich für die Suche und Aufklärung der entführten Hausangestellten ein. Sie stößt jedoch selbst bei Maria an Grenzen, die ihre Schwester zwar vermisst, aber mehr als ihre Arbeitgeberin von den komplexen Verwicklungen in der mexikanischen Gesellschaft weiß. Schließlich steckt sie selbst mittendrin: Maria verbirgt ihrerseits im Auftrag von Gangstern einen entführten Mann, der geknebelt in einem Zimmer ihres Hauses festgehalten wird.

Die absurde Situation erinnert an die Entführungen während der argentinischen Diktatur, wie sie der Film „El Clan“ schildert, in dem eine bürgerliche Familie das Verbrechen beging. In „Robe of Gems“ sind die Entführer dagegen komplett arm und vor allem ängstlich; ihnen bleibt kaum eine andere Wahl, als sich dem kriminellen System anzupassen.

Gewalt und Angst vor Gewalt ernähren dieses grausame System der Kartelle wie ein Teufelskreis. Auch die Frauen sind dagegen nicht immun. Isabel ist anfangs sehr hartnäckig, aber nachdem sie auf offener Straße selbst entführt wird und nackt mit Schüssen erschreckt und gedemütigt wird, bricht sie zusammen. Maria hat Angst um ihre Familie; ihre Teilnahme am korrupten System ist moralisch nicht einfach zu beurteilen.

Die Handlungen der drei Frauen bleiben ambivalent. Einmal gesteht die Tochter ihrer Mutter Isabel, dass sie Pilze genommen haben. Die Polizei verhört die Jugendlichen, aber Isabel blickt locker darüber hinweg. Die Verbindungslinien und die Konsequenzen ihrer Handlungen sind den Protagonistinnen nicht immer klar.

Eine undurchsichtige Atmosphäre

Genauso unklar verhält es sich mit dem Filmerlebnis. Natalia López erzählt teils elliptisch, teils in düsteren Räumen, in den nicht immer alles zu erkennen ist. Das Netz der Verstrickungen ist auf der Erzählebene undurchsichtig und gewinnt dadurch eine unheimliche Atmosphäre, die sich über die Bilder legt. López beobachtet neben den Gesprächs- und Gewaltszenen in statischen Einstellungen die verwaiste Umgebung: trockene Sträucher, verfallene Villen, feuchte Betonbunker, stinkende Müllhalden. Überall können jederzeit Leichen gefunden werden. Und alle haben Angst, dass sie die Gesichter der Toten erkennen könnten.

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