Time (2021)
Gefängnisfilm | Großbritannien 2021 | 179 (4 Folgen) Minuten
Regie: Lewis Arnold
Filmdaten
- Originaltitel
- TIME
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- BBC
- Regie
- Lewis Arnold
- Buch
- Jimmy McGovern
- Kamera
- Mark Wolf
- Musik
- Sarah Warne
- Schnitt
- Sacha Szwarc
- Darsteller
- Sean Bean (Mark Cobden) · Stephen Graham (Eric McNally) · James Nelson-Joyce (Johnno) · Hannah Walters (Sonia McNally) · Paddy Rowan (David McNally)
- Länge
- 179 (4 Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Gefängnisfilm | Serie | Thriller
Gefängnisdrama-Mehrteiler um einen Häftling, der mit seiner Schuld und mit den brutalen Verhältnissen im Mikrokosmos der Haftanstalt ringt.
Mark Cobden (Sean Bean) bezeichnet sich als „Mörder“, als ihn ein Mithäftling nach dem Grund für seine Gefängnisstrafe fragt. Juristisch gesehen ist er damit zu streng mit sich; seine Tat war nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig. Cobdens Gewissen sind solche Differenzierungen aber egal, die Schuld, das Leben eines anderen Menschen ausgelöscht zu haben, lastet in voller Schwere auf ihm. Vor seiner Zeit im Knast war er Lehrer, Familienvater und heimlicher Alkoholiker. Dann hat er eines Nachts in angetrunkenem Zustand einen Mann überfahren und ist dafür zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Um ein milderes Strafmaß hat er sich vor Gericht nicht bemüht; ihn verlangt es nach Buße. In seiner Zelle wird er in stillen Momenten von Erinnerungen an den Unfall und an jene Momente vor Gericht heimgesucht, als ihm die verzweifelte Witwe des Opfers ihren ganzen Schmerz und Hass entgegenschleuderte.
Moralische Zwickmühlen
„Time“ ist das jüngste Serienprojekt von Jimmy McGovern, der einst mit „Für alle Fälle Fitz“ Krimi-Geschichte schrieb – und ein großartiges Vehikel für Sean Bean, der hier einmal mehr sein Talent für zwischen inneren und äußeren Konflikten sich aufreibende Figuren beweist. In vier Teilen kreist das Gefängnisdrama darum, wie Cobden sich in der Haftanstalt einlebt und seine Zeit absitzt – und bald nicht nur darum ringt, mit der Reue und dem Wissen zu leben, das sich das Geschehene nie wieder gutmachen lässt, sondern in einem Umfeld zu überleben, in dem völlig andere, brutalere Spielregeln gelten als in dem kleinbürgerlich-biederen Milieu, aus dem er stammt. Unter diesen Umständen nicht auch noch die Reste seiner ramponierten Integrität einzubüßen, wird zur qualvollen Bewährungsprobe.
Seine Geschichte wird gekoppelt mit der des Gefängniswärters Eric McNally (Stephen Graham), der für die Sicherheit in dem Zellentrakt, in dem Mark einsitzt, verantwortlich ist. Dieser McNally ist ein strenger, aber korrekter Mann, der versucht, seinen Job mit so viel Anstand wie möglich zu machen – und doch bald in eine qualvolle Zwickmühle gerät, als Häftlinge versuchen, ihn zu erpressen. McNally hat einen Sohn, der seinerseits straffällig wurde und in einem anderen Gefängnis einsitzt; das nutzen gut vernetzte Kriminelle als Druckmittel, um McNally zu zwingen, Drogen und anderes Illegale in den Knast zu schmuggeln – sollte er sich weigern, werden sich Mittel und Wege finden, es den Sohn büßen zu lassen.
Über Schuld – persönlich und gesellschaftlich
Rund um die zwei exzellenten Charakterdarsteller Bean und Graham entfaltet „Time“, ähnlich wie einst die stilbildende Gefängnisserie „Oz“, ein facettenreiches Bild des Gefängnis-Mikrokosmos und ein Drama um den Umgang mit Schuld sowohl in persönlicher Hinsicht wie auch als gesellschaftliche Praxis, wobei sich kritische Fragen nach dem System des Strafvollzugs ergeben. Ohne auf die Zuspitzungen zurückzugreifen, die das Gefängnis-Genre mitunter bedient – der Knast als Hölle auf Erden, in der sich ein Held von sadistischem Wachpersonal, Psychopathen und Duschraumvergewaltigern umgeben sieht – stellt der Mehrteiler die Frage nach dem Sinn einer Institution, in der straffällig gewordene Menschen zwar für eine bestimmte Zeit von der Gesellschaft weggeschlossen werden, in der es jedoch um die Möglichkeiten einer Resozialisierung aus verschiedenen Gründen nicht gut bestellt ist.
In „Time“ wirkt sich nicht zuletzt die Tatsache verheerend aus, dass in dem Gefängnis, in dem Cobden einsitzt, zu wenig Wachpersonal für zu viele Insassen verantwortlich ist und daran scheitert, Aggressionen im Zaum und die mafiösen Strukturen, aus denen einige der Häftlinge stammen, draußen zu halten – der Arm des organisierten Verbrechens reicht lässig durch die Gitterstäbe hindurch. Die Gang-Mitglieder geben den Ton an, und Ersttäter wie Cobden, psychisch Kranke (wie sein erster Zellengenosse) oder Affekttäter (wie sein zweiter Zellengenosse) tanzen nolens volens mit. Oder tragen die Konsequenzen, wie Cobden schmerzhaft erfahren wird. Therapeutisch-seelsorgerische Angebote wie die der Nonne Marie-Louise (Siobhan Finneran) gibt es zwar, aber sie sind nur eine schwache Stütze gegen die Schwerkraft dieser kriminellen Verhältnisse.
Jimmy McGovern zeichnet im Lauf der vier Episoden ein weitgehend düster-pessimistisches Bild des Strafvollzugs, beharrt aber schlussendlich darauf, dass es trotz aller systemischer Schwächen immer noch so etwas gibt wie den freien Willen des Individuums und einen Umgang mit Schuld, der den eingeengt-ausweglosen Gefängnis-Horizont transzendiert – wobei McGovern, der der Figur Mark Cobden einen katholischen Hintergrund mit auf den Weg gibt, in den letzten Episoden auch mit religiösen Motiven arbeitet. Und so trotzt er bei aller Kritik am institutionalisierten Umgang mit Schuld und Verbrechen seinem Sujet schließlich doch noch eine hoffnungsvolle Volte und so etwas wie eine Erlösungsaussicht ab – wenn auch nur für eine seiner beiden Hauptfiguren.