Moving On
Drama | Südkorea 2019 | 105 Minuten
Regie: Yoon Dan-bi
Filmdaten
- Originaltitel
- NAM-MAE-WUI YEO-REUM-BAM
- Produktionsland
- Südkorea
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Tiger Cinema/Graduate School of Cinematic Content
- Regie
- Yoon Dan-bi
- Buch
- Yoon Dan-bi
- Kamera
- Kim Gi-hyeon
- Schnitt
- Won Chang-Jae
- Darsteller
- Choi Jung-un (Ok-ju) · Yang Heung-ju (Byeong-ki) · Park Hyun-young (Mi-jeong) · Park Seung-jun (Dong-ju) · Kim Sang-dong (Großvater)
- Länge
- 105 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama | Familienfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Ein meisterliches südkoreanisches Filmdebüt um ein Mädchen, das mit Vater und Bruder ins Haus des Großvaters zieht, wo die Familie allmählich zusammenwächst.
Noch ein paar letzte Blicke. Noch einmal den Blick durch die Küche schweifen lassen. Noch einmal ein Bild an der Wand betrachten. Noch einmal das Licht ausschalten. Es braucht keine Worte, um zu verstehen, wie schwer der Jugendlichen Okju der Abschied fällt und dass da gerade für sie ein wichtiger Abschnitt in ihrem Leben endet. Wenn ein Umzug auch Chance und Neuanfang bedeuten kann, dann ist er in „Moving On‟ von Yoon Dan-bi das Gegenteil: ein Rückschritt. Weil Okjus Vater sich die Wohnung nicht länger leisten kann und sich gerade von seiner Frau getrennt hat, muss das Mädchen mit ihm und dem jüngeren Bruder in das Haus seines Opas ziehen. Ein schwieriger Neustart. Denn offenbar war der Kontakt zum Opa lange abgebrochen, sodass Okjus Vater seine beiden Kinder nun erst förmlich vorstellen muss. Und der Opa, der sich gerade erst von einem Krankenhausaufenthalt nach einem Hitzschlag erholt, ist alles andere als begeistert über die drei neuen Mitbewohner, die sich selbst bei ihm eingeladen haben.
Der Blick fürs Wesentliche
Yoon Dan-bi hat ihren persönlich gefärbten Debütfilm mit vielen langen, statischen Einstellungen inszeniert und verzichtet weitgehend auf einen Musikeinsatz, der nicht aus dem Raum der Figuren kommt. Und doch wirkt diese formale Strenge nicht distanziert oder gar unangenehm oder kühl. „Moving on‟ reduziert vielmehr das Tempo und lenkt den Blick auf das Wesentliche. Im Wechselspiel aus scheinbar beiläufigen Dialogen und vielsagendem Schweigen entfaltet sich die Geschichte und lässt zugleich eine ungeheure Nähe zu den Figuren entstehen. Bald verbringt auch Okjus Tante Mijung mehr Zeit im Haus ihres Vaters. Sie nutzt die Chance, ihrer unglücklichen Beziehung zu entfliehen, und bedeutet vor allem Okju viel. Während die Tante von der Liebe gerade enttäuscht ist, versucht die andere, ihre ersten Schritte zu gehen.
Sensibel beobachtet der Film, wie die Figuren einander langsam näherkommen, Bruder und Schwester, Opa und Enkel, Vater und Kinder. So wird „Moving on‟ zum Generationenporträt, in dem Okju eine zentrale Rolle spielt. Sie ist Fix- und Angelpunkt der Geschichte, mit ihr beginnt und endet der Film – auch, weil die Regisseurin durch diese Figur ihre eigenen Erfahrungen spiegelt. Und doch unterscheidet sich Okju von den Heldinnen anderer Coming-of-Age-Filme. Sie handelt kaum, sie spricht wenig. Stattdessen reagiert sie, beobachtet und denkt nach.
Die Größe im Kleinen
Die kontemplative Stimmung des Films und der liebevolle Blick auf die Figuren erinnert nicht selten an die Werke von Hirokazu Kore-eda, der ebenfalls im Kleinen große Geschichten erzählt, oder auch an jene von Yasujiro Ozu. Kammerspielartig ist auch „Moving on‟ geworden. Die meisten Szenen spielen in dem ebenso hellen wie spürbar von gelebtem Leben erfüllten Haus des Großvaters. Zudem wird immer wieder gemeinsam gegessen. Ob zu zweit, zu dritt, zu viert oder zu fünft – am Tisch erinnert man sich an die Vergangenheit, schweigt, lässt Gefühle zu, trauert und lacht.
Als die Kräfte des Großvaters nachlassen, er immer häufiger teilnahmslos herumsitzt und vollkommen verstummt, steht die Hausgemeinschaft vor einem Problem. Okjus Vater und ihre Tante müssen eine Entscheidung treffen. Wer kann auf den Großvater aufpassen? Und was soll mit dem Haus passieren?
Dezent fließt der gesellschaftliche Druck ein
„Ich habe nirgends, wo ich hingehen kann‟, sagt Okjus jüngerer Bruder Dongju einmal, als er von seiner Schwester aus deren Schlafzimmer geworfen wird. Aber es ist auch ein Satz, der symptomatisch ist. Okju, ihr Vater und ihr Bruder befinden sich in einem Zwischenraum und finden gerade keinen Halt. Wenn der Film zu Beginn auch zeigt, wie zugemüllt und verwahrlost das Viertel ist, aus dem die Familie fortziehen muss, dann wirft der Film auch einen Blick in die Gegenwart und lässt erahnen, wie hoch der Druck auf die Menschen ist, die nicht über genug finanzielle Mittel verfügen, um mithalten zu können.
Gerade jetzt, wo durch den Erfolg von „Squid Game‟ Südkorea als hochspannendes und vielfältiges Produktionsland wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten ist, ist der Film der 1990 geborenen Yoon Dan-bi eine Entdeckung! Ein Film über die letzten Blicke und die Abschiede als möglicher Beginn einer Regiekarriere.