Dass politische und gesellschaftliche Krisen Verschwörungserzählungen befeuern und popularisieren, hat zuletzt die Corona-Pandemie auf erschreckende Weise gezeigt. Die medialen Bilder von Demos, auf denen „Big Pharma“, Bill Gates, Regierungsvertreter und -vertreterinnen als Mitglieder einer groß angelegten Konspiration diffamiert werden, waren in den vergangenen Monaten quasi omnipräsent, und obwohl (oder gerade weil) so viele dieser Theorien – von Echsenmenschen über Chemtrails bis zum Glauben an eine flache Erde – offensichtlicher Unfug sind, fällt es oft schwer, ihnen argumentativ-rational zu begegnen. Bleibt noch ein zweiter möglicher Ansatz: der komödiantisch-satirische. Ihn nutzt nun die Animationsserie „Inside Job“ – und das mit vollem Erfolg.
Willkommen bei Deep State, der geheimen Schattenregierung, die die Geschicke der Welt aus einer verborgenen, an die „Men in Black“-Filme erinnernden Untergrundeinrichtung heraus lenkt. Oder eher: zu lenken versucht. Denn auch in der Cognito Inc., wie sich dieses Unternehmen nennt, geht es um gute Quartalszahlen und erfüllte Jahresziele, und auch hier arbeiten nur Menschen. Und außerdem Aliens, Klone, Yetis, Roboter, Tier-Mensch-Hybride und was sonst noch alles dazugehört. Von hier aus werden die Medien manipuliert, das Wetter mit Drohnen kontrolliert und der Dow Jones durch Blutopfer beeinflusst. Und mittendrin: die Wissenschaftlerin Reagan Ridley, die in der ersten der zehn Folgen endlich die langersehnte Beförderung erhält und nun das Exekutivkomitee der Cognito Inc. leiten darf.
Auch Deep State kocht nur mit Wasser
Erster Tagesordnungspunkt: den neu gewählten US-Präsidenten durch Reagans Prestigeprojekt, einen Roboter, ersetzen, was jedoch ordentlich schiefgeht. Denn die KI entwickelt ein Eigenleben und beschließt zunächst, die USA mittels eines riesigen Glaswürfels von der Außenwelt abzuschotten. Beim Versuch, die Maschine zu bändigen, geht allerdings noch mehr schief, woraufhin der Roboter die Menschheit in klassischer „Terminator“-Manier auslöschen will, was Reagan in letzter Minute verhindern kann. Die Vielfalt an Ideen, Popkultur-Referenzen, Figuren und Gags fällt bereits in dieser ersten Episode derart divers aus, dass es eine wahre Freude ist.
Angesichts der verantwortlichen Namen lag dies aber auch nahe: „Inside Job“ ist ein Projekt von Shion Takeuchi, Autorin der ersten beiden Staffeln der Fantasy-Persiflage „Disenchantment“, sowie Alex Hirsch, Erfinder der grandiosen, vor Kreativität übersprudelnden Cartoon-Serie „Willkommen in Gravity Falls“. Richtete die sich noch sowohl an Kinder als auch Erwachsene, ist „Inside Job“ nun letzterer Zielgruppe vorbehalten: Schimpfwörter, sexuelle Anspielungen und Gewalt (wenn auch nicht derart explizit wie etwa in der Superheldenserie „Invincible“) sind eher Regel denn Ausnahme.
JFK, eine hohle Erde und Hippies auf dem Mond
So arbeitet sich „Inside Job“ höchst vergnüglich und immer wieder überraschend an allen möglichen Verschwörungserzählungen ab. In einer Folge etwa gibt es eine Sicherheitslücke in der Klon-Abteilung der Firma, woraufhin eine Horde von JFKs das Gebäude verwüstet und nur durch den (wahren) Attentäter von Präsident Kennedy gestoppt werden kann. Eine andere widmet sich den „Flat Earthern“, die einfach nicht kapieren wollen, dass die Erde doch eigentlich hohl ist. Und eine der Mondlandung, die natürlich stattfand, aber beinahe in einem PR-Desaster mündete, weil die Astronauten lieber eine Hippie-Kommune auf dem Trabanten errichteten, anstatt zurückzukehren, sodass Stanley Kubrick für eine Re-Inszenierung engagiert wurde. Das alles ist kein selbstgefälliges, unreflektiertes Spiel mit Klischees, sondern stets eine clevere Dekonstruktion von Verschwörungstheorien, die auf der Etablierung einer zweiten und dritten Ebene, maßloser Überzeichnung und flapsigem Humor basiert, der in seinem Tempo und seiner Wortgewandtheit zuweilen an „Rick und Morty“ erinnert.
Strukturell bleibt „Inside Job“ hingegen der klassischen Cartoon-Narrationsweise treu: Die Episoden funktionieren nach dem „Case of the Week“-Prinzip weitestgehend unabhängig voneinander, nach der Exposition teilt sich die Handlung stets in zwei parallele Stränge auf, die nach einer unvermeidbaren Eskalation der Ereignisse samt Action-Einlagen wieder zusammenlaufen und in einer – wie schon bei „Gravity Falls“ – netten, aber unaufdringlichen moralischen Schlussbotschaft münden, nachdem die Figuren ihre Schwächen und Mängel überwunden haben. Überhaupt, die Figuren: Das Ensemble besteht neben Reagan als hochintelligenter Wissenschaftlerin mit sozialen Phobien aus einem bunten Potpourri, das unter anderem einen drogensüchtigen Mediziner, eine stylische PR-Dame, einen militaristischen Delfinmenschen, ein Pilz-Alien, das psychoaktive Substanzen ausscheidet, einen klischierten weißen Cis-Kerl, der sich einzig durch seine Profillosigkeit auszeichnet, und Reagans alkoholsüchtigen Vater, der einst die Cognito Inc. leitete, umfasst. Alle haben sie ihre schrulligen Eigenarten, was sie nicht nur memorabel, sondern auch äußerst sympathisch macht.
Hohe Gag-Schlagdichte
Die Kurzweiligkeit der Folgen kombiniert mit dem hohen Tempo, der Gag-Schlagdichte und der schieren Kreativität im Umgang mit Verschwörungstheorien macht „Inside Job“ zu einer stets überraschenden und kompetent inszenierten wie auch erzählten Serie, die natürlich am besten im Originalton geschaut werden sollte. Denn auch wenn die deutsche Synchronisation auf hohem Niveau ist, so gehen einige Wortspiele doch naturgemäß unter. Um an die Klasse von „Gravity Falls“ anzuschließen, fehlt einzig noch ein roter Handlungsfaden über mehrere Folgen hinweg – doch auch der wurde in Alex Hirschs Cartoon-Meisterwerk erst in der zweiten Staffel aufgespannt. Die kann im Falle von „Inside Job“ gern so schnell wie möglich kommen. Wer jemals behaupte, Verschwörungstheorien lasse sich humoristisch nicht begegnen, weil sie absurder als jede Satire seien, wird von dieser Serie eines Besseren belehrt.