Der beste Film aller Zeiten

Romain Antony | 14.11.2022

Der beste Film aller Zeiten ist natürlich nicht der beste Film aller Zeiten. Ich weiß nicht, welcher Film der beste Film aller Zeiten ist. Und es scheint mir auch obsolet ihn bestimmen zu wollen. Es gibt so viele hervorragende Filme. Allerdings auch immer noch zu viele schlechte. Ein Milliardär (gespielt von José Luis Gómez) möchte 80jährig der Nachwelt gut in Erinnerung bleiben und überlegt, ob er für seinen posthumen Ruhm vielleicht eine Brücke bauen sollte, die dann seinen Namen trägt. Ihm kommt beim narzisstischen Sinnieren dann auch die Idee, dass ein grandioser, super guter Film, der beste Film aller Zeiten, ihn unvergesslich machen könnte. Diesen Gedanken setzt er um, produziert den Film, nachdem er die Rechte eines Buches erworben hat. Der weitere Plot des Film beschäftigt sich mit der Umsetzung der Filmidee, beschreibt die Arbeit der Regisseurin mit den beiden Hauptdarstellern (Félix, gespielt von Antonio Banderas und Iván, gespielt von Oscar Martinez) und thematisiert deren Rivalität untereinander, ein Macho-Stück zweier Alphas und Rampensäue und ihre Geltungssucht, ihren Neid auf Erfolge des anderen, auf das Gehabe sich gegenseitig mit schauspielerische Leistungen zu überbieten. Der Film im Film soll die Geschichte von zwei rivalisierenden Brüdern erzählen, die sich in dieselbe Frau verlieben. Großräumige, karg möblierte Interieurs des Milliardärs, lichtdurchflutet, mit breiten Treppenaufstiegen, in der luxuriöse Residenz und marmorösen Wänden, sind die Kulissen dieses Kammerspiels à trois. Die Regisseurin Lola (Penélope Cruz) lässt sich einige Psychotricks einfallen, um die Hauptdarsteller ihres Films in die von ihre gewünschte Interpretation hinein zu transportieren. Ein eigenes, holzgetäfelten Theater, bietet das Ambiente für den Versuch der Regisseurin, die mit Zellophan und Klebeband aneinander gefesselten Hauptdarsteller zu einer Einheit zu verschmelzen, während auf der Theaterbühne einige ihrer, auf Geheiß mitgebrachten Trophäen und Ehrungs-Pokale unter Wimmern und Winden geschreddert werden. Eine ungewöhnlich abgehaltene Dialogprobe findet unter einem massiven Felsblock statt, der wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Schauspieler hängt, gehalten von einem riesigen Kran. Die Konstruktion sollte den Zweck erfüllen Bedrohung erlebbar zu machen damit sie intensiver in die Textinterpretation der Schauspieler einfließt. und in die Textinterpretation einfließt. Können das der Schauspieler nicht auch ohne Hilfsmittel? Schließlich ist es ihr Beruf sich in Gefühlswelten einzulassen. Mir erscheinen diese Arrangements in ihrer Originalität nicht handlungsrelevant, sondern eher zum Vergnügen der FilmzuschauerInnen ausgedacht. Wir erleben als Zuschauer, wie RegisseurInnen Dialogtexte gesprochen haben wollen, wie flexibel die beiden Schauspieler ihren Sprachduktus verändern können, um andere Nuancen des Gesagten zu betonen. Wie schauspielerische Arbeit aussehen kann, wird eindrucksvoll im Film vorgeführt. Das ist schon sehr interessant gemacht. Allerdings überbieten sich die schauspielernden Kontrahenten mit Abwertungen. Besonders infam dabei erweist sich die von Felix vorgetäuschte Krebserkrankung, die Iván sowohl als auch die Regisseurin ernst nehmen und bei ihnen betroffenes Mitgefühl hervorruft. Iván bietet an, die Rolle des krebskranken Félix mitzuübernehmen und beide Brüderrollen zu spielen, um dann später zu erfahren, dass - ätschibätsch -, diese vorgetäuschte Erkrankung einzig dem Zwecke diente, zu zeigen, wie glaubwürdig Félix schauspielern und andere reinlegen kann. Iváns Retourkutsche lässt nicht lange auf sich warten. Genau so gut gespielt ist seine Lobhudelei der seinen Kontrahenten Félix hervorhebt, würdigt, preist, ihn zum großen, größten Schauspieler stilisiert, um ihn, nachdem Félix die Bewertung geschluckt und genossen hat, im Anschluss dran hämisch abzuwerten. Alles Fake, alles nicht echt, nur gespielt, nur vorgetäuscht. Was ist authentisch in diesem Film? Worauf ist Verlass? Welche Gefühle sind echt? Natürlich: Neid und Rivalität! Die Regisseurin überzeugt, als selbstbewusste Feministin weiß sie was sie will, gibt klare Anweisungen, bleibt allerdings dem sich zuspitzendem Macho-Geschehen gegenüber passiv hilflos. Es öfters anzumahnen führt nicht zu einer Veränderung. Laut Drehbuch sollen sich die Brüder beide in die Prostituierte Diana verlieben, die von der Nichte (Irene Escolar) des milliardenschweren Produzenten spielt werden soll - eine schwach charakterisierte Protagonistin im Film. Sie sollen mit ihr eine Kussszene proben. Aufgenommen wird diese geräuschstarke Probe mit unzähligen Mikrophonen. Mit dem Ergebnis ist Lola nicht zufrieden, sie übernimmt die Rolle, macht den beiden die Umarmung vor. Beide Frauen geraten in einen erotisch-ekstatischen Taumel. Handelt es sich hierbei um eine Allegorie, deren Bedeutung mir verschlossen bleibt oder wie ist die Szene zu verstehen, etwa doch fatal banal so wie sie ist? Die Vorarbeit ist endlich geleistet, der Drehbeginn steht bevor und wird mit einer kleinen Feier eingeleitet. Dabei hört Félix ganz zufällig eine erneute Abwertungstirade von Iván mit. Beim Versuch ihn zur Rede zu stellen, kommt es zum Handgemenge. Iván fällt, das Gleichgewicht verlierend, von einer Balkonbrüstung. Während er im Koma liegt, wird der Film fertiggestellt, Félix hat beide Brüderrollen übernommen. Die Kritik ist überschwänglich. Während einer Pressekonferenz wird im Film gezeigt, wie einfältig manche Fragen an Crew, DarstellerInnen, RegisseurInnen sein können. Schnitt: Krankenhaus. Iván erwacht aus dem Koma, befreit sich von Schläuchen und angeschlossenen Apparaten und murmelt voller Hass und Wut, was für ein Miesling doch dieser Félix sei. Der Film endet mit einer Großaufnahme der Regisseurin, die in die Kamera blickt und erwähnt, das manche Filme nie enden. Wir erfahren im Film, wie unterschiedlich Dialoge gesprochen werden können, wie SchauspielerInnen mit kleinen Nuancen in der Betonung Stimmungen abschwächen oder verstärken können. Wie verbreitet sind Rivalitäten, heuchlerischer Umgang, unterschwellige Missbilligung, Missgunst, Neid, Platzhirschallüren im Mediengeschäft? In Interviews beschreiben jedenfalls KollegInnen sich gegenseitig als sympathisch, kompetent, loben sich und finden die Zusammenarbeit außerordentlich konstruktiv. So beschreibt es auch der Boulevard. Kein Haar wird gekrümmt, kein Fuß grätscht dazwischen, kein Auge wird ausgekräht. Ist die Rivalität der Hauptdarsteller vielleicht auch symbolisch zu verstehen als eine unendliche spanische Streitgeschichte zwischen revanchistischen Frankisten, Republikanern, Post-Frankisten, Post-Republikanern. Der spanische Bürgerkrieg, ein Bruderkrieg, eine never ending Story unzureichend befriedeter politischer Lager, ein unzureichendes Zusammenfinden (nicht nur im Kunststoff), eine andauernde Bedrohung (nicht nur unter Felsbrocken)? Fazit: Eine interessante Film-im-Film-Konstruktion, mit zahlreichen Einblicken ins Filmemachen, feinen ironisch, satirischen Seitenhieben auf übereifernden Größenwahn und Eitelkeiten. Der Milliardär scheint seinem Anspruch, den besten Film aller Zeiten produziert zu haben dann doch zu misstrauen. Er finanziert auch eine Brücke, die seinen Namen trägt, um sich der Nachwelt in Erinnerung zu halten. Und als Filmzuschauer kann ich das gut verstehen. cf. auch: www.filmekommentieren.wordpress.com --> klicken.lesen.folgen