Animation | Brasilien 2019 | 73 Minuten

Regie: Gabriel Bitar

In einer brasilianischen Großstadt bricht eine Angst-Epidemie aus, in deren Zuge sich Menschen in Steine verwandeln. Gemeinsam mit zwei Freunden macht sich ein Junge auf die Suche nach einem Gegenmittel. Die Reise führt ihn nicht nur zu seinem Vater, der die Familie vor Jahren verlassen hat, sondern auch zum mysteriösen Gesang der Tauben. Wagemutig mischt der brasilianische Animationsfilm die Ästhetik der Ölmalerei und die Stilmittel des Expressionismus mit einem dystopischen Setting, richtet sich aber trotzdem an ein junges Publikum. In ausdrucksstarken Bildern führt er vor Augen, wie Angst Menschen einschränkt, wobei der Film dabei vor allem die Rolle propagandistischer Medien und autokratischer Strukturen kritisiert. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
TITO E OS PÁSSAROS
Produktionsland
Brasilien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Bits Produções NIP
Regie
Gabriel Bitar · André Catoto · Gustavo Steinberg
Buch
Eduardo Benaim · Gustavo Steinberg
Musik
Ruben Feffer · Gustavo Kurlat
Schnitt
Vânia Debs · Thiago Ozelami
Länge
73 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Animation | Coming-of-Age-Film | Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Ausdrucksstarker Animationsfilm um einen brasilianischen Jungen, der nach einem Mittel gegen die Angst sucht, die sich in seiner Gesellschaft epidemisch breitmacht.

Diskussion

Ölmalerei und Expressionismus lassen sich gut miteinander in Verbindung bringen. Aber Ölmalerei, Expressionismus und Kinderfilm? Der brasilianische Animationsfilm „Tito and the Birds‟ wagt genau diese Mischung und führt vor, wie sich Einflüsse der bildenden Kunst ganz unaufdringlich und ohne didaktischen Anspruch, aber sehr wirkungsvoll in einen Film für ein junges Publikum einbinden lassen.

Die Geschichte kreist um den zehnjährigen Tito, dessen Vater von seiner Mutter vor die Tür gesetzt wird. Als eine Maschine des Erfinders explodiert, mit der er den Gesang von Tauben erforschen wollte, reicht es Titos Mutter. Sie sieht ihren Sohn in Gefahr – und Titos Vater muss ausziehen. Eigentlich war Titos Vater aber gar nicht schuld an dem Malheur. Doch Titos Mutter ist ohnehin furchtbar ängstlich und versucht ihren Sohn immerzu zu beschützen. „Die Welt da draußen ist sehr gefährlich“, ermahnt sie ihn. Doch Angst, das wissen schon Kinder, kann Menschen zu merkwürdigem Verhalten anstiften und schadet ihnen meist mehr, als dass sie ihnen helfen würde.

Vom Ausbruch einer Angst-Pandemie

Angst ist auch das zentrale Thema von „Tito and the Birds‟. Immerzu werden die Menschen in der Großstadt mit schrecklichen Nachrichten aus dem Fernsehen bombardiert. So lange, bis sie sich kaum noch vor die Tür trauen. Könnte der riesige Kuppelbau des Unternehmers und Fernsehmoderators Alaor Santos die Rettung sein? Könnte man unter diesem wieder frei und furchtlos leben?

Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass die Angst der Menschen hier künstlich immer weiter auf die Spitze getrieben wird und jemand sich die Sorgen zunutze machen will, um daraus Profit zu schlagen. Wie effektiv all die tendenziösen Nachrichten sind, zeigt sich bald in Gestalt einer Angst-Pandemie, der immer mehr Menschen zum Opfer fallen. Die Krankheit fängt mit Augenringen an, danach folgt ein Zittern am ganzen Körper, zuletzt verwandeln sich die Menschen in unbewegliche Steine. Gemeinsam mit seinen beiden Freunden, der forschen Sarah und dem zurückhaltenden Buio, macht Tito sich auf die Suche nach seinem Vater. Er ist sich sicher, dass dieser mit seiner Maschine einem Gegenmittel auf der Spur war.

Handgezeichnete Elemente, digitale Effekte

In Anlehnung an expressionistische Gemälde haben die Regisseure Gustavo Steinberg, Gabriel Bitar und André Catoto den Film mit schiefen Gebäuden, starken Farbkontrasten, vielen Schatten und unzähligen Linien gestaltet. Ganz deutlich überträgt sich dadurch die bedrohliche, unheimliche Wirkung. Aber zu einem eigenen Flair tragen die mit Öl gemalten Hintergründe bei, wobei vor allem manch eine dick aufgetragene Linie den Bildern eine überraschende Haptik verleiht und sich handgezeichnete Elemente nahtlos mit digitalen Effekten verbinden.

Eher einfach sind im Vergleich dazu die konturlosen Figuren gehalten, die oft mit den Hintergründen zu verschmelzen scheinen. Aber auch hier gelingt es den Gestaltern, mit einfachen Mitteln durch Blicke, Mimik und Körperhaltung Charakterzüge der Figuren präzise auszudrücken.

Eine Gesellschaft, die zunehmend zersplittert

Trotz seiner eigenwilligen und sehr besonderen künstlerischen Umsetzung, durch die er sich deutlich vom Mainstream des Animationsfilms abhebt, ist „Tito and the Birds“ auch in der Realität verwurzelt. Der Film zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die zunehmend zersplittert, stellt satirisch überhöht die Rolle propagandistischer Medien zur Schau und kritisiert autokratische Strukturen. Der geplante Kuppelbau von Alaor ist nur eine Weiterführung der Gated Communities, in denen sich die Wohlhabenden hinter Mauern verschanzen.

So fließen eine Menge großer gesellschaftlicher Konfliktfelder ein, aber auf eine Art und Weise, die auch junge Menschen durch die Überzeichnungen, die Bildlichkeit und die Symbole erahnen lassen, wo etwas schiefläuft. Der Vereinzelung stellt der Film daher ein kleines Team gegenüber, dem sich sogar unerwartete Verbündete anschließen. Und Tito findet die Lösung für das Geheimnis des Vogelgesangs auch nicht mit Hilfe der Tauben, die in goldenen Käfigen gehalten werden, sondern von Straßentauben, die abgelehnt werden, aber eben auch frei sind.

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