Wenn die Stille einkehrt
Drama | Dänemark 2020 | 552 (zehn Folgen) Minuten
Regie: Milad Alami
Filmdaten
- Originaltitel
- NÅR STØVET HAR LAGT SIG
- Produktionsland
- Dänemark
- Produktionsjahr
- 2020
- Produktionsfirma
- Danmarks Radio/Norsk Rikskringkasting/Sveriges Television/Ríkisútvarpið-Sjónvarp/Yleisradio
- Regie
- Milad Alami · Iram Haq · Jeanette Nordahl
- Buch
- Dorte Warnøe Høgh · Ida Maria Rydén · Astrid Øye · Marie Østerbye
- Kamera
- Aske Foss · Sebastian Winterø · Kasper Wind Nielsen · Adam Wallensten
- Musik
- Martin Dirkov
- Schnitt
- Per Sandholt · Jeppe Bødskov · Lars Therkelsen · Michael Aaglund · Michael Bauer
- Darsteller
- Karen-Lise Mynster (Elisabeth Hoffmann) · Jacob Lohmann (Morten Dalsgård) · Malin Crépin (Lisa) · Henning Jensen (Holger Frennerslev) · Katinka Lærke Petersen (Ginger)
- Länge
- 552 (zehn Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama | Serie | Thriller
Eine Drama-Serie rund um einen Terroranschlag in Kopenhagen, der zahlreiche Todesopfer kostet.
Die mediale Berichterstattung über Gewaltverbrechen, und das gilt auch für Amokläufe und Terrorakte, ist meistens Täter-zentriert: Aus was für einem familiären, sozialen und ideologischen Umfeld kommen die Mörder, was waren die langfristigen Prägungen, was die kurzfristigen Auslöser, die sie zu ihren Taten getrieben haben? Diese Herangehensweise ist menschlich: Sie ordnet das Schreckliche in eine Ursache-Wirkung-Kette ein, macht es erklär- und damit irgendwie fassbar. Sich den Opfern zu widmen, kommt dagegen vergleichsweise kurz und beschränkt sich oft auf die schieren Zahlen.
In Filmen und Serien über Attentate sieht das etwas anders aus; da ist der Fokus in den letzten Jahren immer wieder auf die Leidtragenden gerichtet worden, etwa Fatih Akins „Aus dem Nichts“ über den Kölner Nagelbomben-Anschlag, Anthony Maras‘ „Hotel Mumbai“ über die Massenmorde, die im November 2008 in der indischen Metropole verübt wurden, oder Erik Poppes „Utøya 22. Juli“ über den Angriff des Rechtsradikalen Anders Breivik auf ein Jugendlager auf der gleichnamigen norwegischen Insel. Die dänische Serie „Wenn die Stille einkehrt“, die um ein fiktionales Attentat in einem Restaurant in Kopenhagen mit 19 Todesopfern kreist, fokussiert nun auf besonders ambitionierte Weise auf die Opfer eines Verbrechens und nutzt dabei klug den epischen Erzählraum, den Serien bieten.
Ein vielschichtiges Spektrum an Betroffenen
Die Gewalttat selbst ist hier nur eine Art Angelpunkt, um den herum die von Ida Maria Rydén und Dorte W. Høgh geschriebene Serie die Leben von mehreren Protagonisten und Protagonistinnen aufrollt, deren Existenzen auf unterschiedliche Weise von dem Terrorakt betroffen sind. Dabei setzt die Serie einige Tage vor dem Anschlag ein und nimmt sich später ausführlich Zeit, um dessen Folgen zu beleuchten. Was sonst in der Berichterstattung weitgehend auf Zahlen reduziert wird, wird so in seiner ganzen schrecklichen Dimension erfahrbar: Dadurch, dass man die Figuren zunächst in ihrem normalen Alltag kennenlernt, wird die Verheerung umso fühlbarer, die der Mordanschlag bedeutet, und das gilt nicht nur für die eigentlichen Todesopfer, sondern auch für die Personen, die durch ein Netz von Beziehungen mit ihnen verbunden sind, in dem nach der Tat ein fürchterliches Loch klafft, eine Verletzung, die nicht mehr gutzumachen sein wird.
Im Fokus steht ein Figurenensemble, das ein breites soziales Spektrum ablichtet. Da ist einerseits der Besitzer des Restaurants, in dem der Anschlag stattfinden wird und den man zunächst noch als Koch kennenlernt, der wild entschlossen ist, seinen alles andere als fairen Boss los und sein eigener Herr mit eigenem Laden zu werden. Da ist ein Teenager, der in dem Restaurant jobbt und mit Drogenproblemen kämpft, zur Verzweiflung seiner gutbürgerlichen Eltern. Der Vater ist Klempner, die Mutter Lehrerin. Einer ihrer ehemaligen Schüler aus einer Familie mir arabischem Migrationshintergrund sehnt sich danach, sich von seiner Familie und vor allem von seinem dominanten Bruder zu emanzipieren, gerät dabei aber an einen zwielichtigen falschen Freund.
Die kleine Tochter einer jungen Frau, die ebenfalls in dem Restaurant jobbt, um ihr Studium zu finanzieren, findet in der Nähe eines Flüchtlingsheims eine Tasche mit Munition. Das alarmiert die Justizministerin, die in vorgerücktem Alter gerade darüber nachdenkt, ob sie noch einmal für eine weitere Amtszeit kandidieren soll und die vor den Wahlen noch einen Gesetzesentwurf durchs Parlament bringen will, der abgelehnten Asylbewerbern in Dänemark Bewegungsfreiheit gewähren soll. Öffentliche Angst vor potenziellen islamistisch motivierten Terrorakten ist da das letzte, was sie politisch brauchen kann.
Komplexes Bild der Gesellschaft
Die Showrunnerinnen verbinden die Schicksale dieser und einiger weiterer Figuren zu einem berührend-packenden Erzählteppich, der statt einer übersichtlichen Ursache-Wirkung-Kette ein komplexes Bild individueller und gesellschaftlicher Realitäten eröffnet, die in dem Anschlag einen tragischen Kulminations- und Wendepunkt finden. Trotz der Fülle der Figuren gehen die einzelnen Charaktere dabei nicht unter, geraten nicht zu reinen Repräsentanten bestimmter sozialer Milieus, sondern überzeugen als Individuen. Was auch hervorragenden Darstellern und Darstellerinnen wie Jacob Lohmann (der den Vater des Jungen mit Drogenproblemen spielt) und Karen-Lise Mynster (als Justizministerin) zu verdanken ist, nicht zuletzt aber einem Drehbuch und einer Inszenierung, die das Attentats-Sujet an keiner Stelle reißerisch oder melodramatisch ausschlachten.