Die perfekte Ehefrau

Komödie | Frankreich/Belgien 2020 | 110 Minuten

Regie: Martin Provost

In einer elsässischen Hauswirtschaftsschule bricht sich Ende der 1960er-Jahre die gesellschaftliche Aufbruchstimmung Bahn: Die jungen Schülerinnen lassen sich von der neuen Freiheit anstecken. Nach dem Tod ihres Mannes erkennt auch die konservative Schuldirektorin, dass sie ihr bisheriges Leben hinterfragen muss. Die betont stilisierte Komödie überspitzt genüsslich die patriarchale Doppelmoral und den Konservativismus ihres Milieus, nimmt das Thema weibliche Unterdrückung und Emanzipation aber zugleich ernst. Grandios gezeichnete und gespielte Figuren, ein flottes Drehbuch mit präzisen Dialogen und die treffsichere Inszenierung sorgen für einen rundum vergnüglichen Film. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LA BONNE ÉPOUSE
Produktionsland
Frankreich/Belgien
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Les Films du Kiosque/France 3 Cinéma/Orange Studio/Umedia
Regie
Martin Provost
Buch
Martin Provost · Séverine Werba
Kamera
Guillaume Schiffman
Musik
Grégoire Hetzel
Schnitt
Albertine Lastera
Darsteller
Juliette Binoche (Paulette Van der Beck) · Yolande Moreau (Gilberte Van der Beck) · Noémie Lvovsky (Marie-Thérèse) · Edouard Baer (André Grunvald) · François Berléand (Robert Van der Beck)
Länge
110 Minuten
Kinostart
05.08.2021
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Genüsslich überspitzte Komödie über eine konservative Hauswirtschaftsschule im Elsass, in die in den späten 1960er-Jahren frischer Wind einzieht.

Diskussion

In der melodramatischsten Szene des Films hängt Paulettes Geliebter, auf dem Weg in sein Schlafzimmer, an einer sich bedrohlich neigenden Regenrinne – und referiert ein Rezept für Apfelstrudel. Was den Charakter des im Elsass spielenden Films „Die perfekte Ehefrau“ ganz gut umreißt: Over the top und stilisiert, dabei – siehe die kulinarische Spezialität des elsässischen Schauplatzes – aber auch Thema und konservativem Milieu des Films verpflichtet. Denn wir befinden uns im Jahr 1967, in einer Hauswirtschaftsschule mitten in der französischen Provinz.

Hier hat unangefochten Paulette das Sagen: Die Direktorin des Instituts, das aus jungen Mädchen perfekte Ehefrauen machen soll, tritt zunächst selbst als ideale Verkörperung dieses Anspruchs auf. Stets perfekt frisiert und gekleidet, immer arbeitsam und fleißig, in jeder möglichen oder unmöglichen Situation die Contenance wahrend und die Dominanz des Mannes wie auch alle anderen gesellschaftlichen Konventionen niemals in Frage stellend – und das auch noch mit einem Lächeln im Gesicht! Ihr Mann Robert, Erbe der Hauswirtschaftsschule Van der Beck, ist der typische Patriarch, der auf Kosten der Frauen lebt und sich ohne jeglichen Selbstzweifel ob seiner Privilegien rund um die Uhr umsorgen lässt. Gleichzeitig ist er ein rechtes Schaf und von eher gemütlichem Charakter, genauso wie seine ebenfalls im Haus lebende Schwester: Die naive, sanftmütige Gilberte, die offensichtlich in ihrer Kindheit steckengeblieben ist und nur beim Kochen richtig aufdreht. Und dann wäre da noch die so handfeste wie gottesfürchtige Schwester Marie-Thérèse, die die jungen Damen im Bügeln, Nähen und Putzen unterrichtet und ansonsten über deren Sittsamkeit wacht.

Nachrichten von Aufruhr und Protest

Ein neuer Jahrgang im Hause Van der Beck startet, und dass es ein herausforderndes Jahr werden wird für Paulette und Co., zeichnet sich früh ab: Nicht nur, dass die Zahl der Anmeldungen mal wieder gesunken ist. Unter den Mädchen befindet sich außerdem eine Rothaarige, was die abergläubische Marie-Thérèse drohendes Unheil wittern lässt. Und aus den Radioapparaten dringen Nachrichten von Aufruhr und Protest: Arbeiter streiken, Studenten rebellieren. Auch die Hauswirtschaftsschülerinnen Albane, Corinne, Annie und Yvette lassen sich von der neuen Freiheit anstecken, testen ihre Grenzen aus, lauschen heimlich einer fortschrittlichen Aufklärungssendung im Radio oder schleichen sich nachts für ein Date aus dem Haus.

Peu à peu verändert sich aber auch die konservative Paulette. Als Robert an einem Stück Kaninchenbraten erstickt und die Direktorin sich daraufhin selbst um die katastrophalen Finanzen der Schule kümmern muss, trifft sie auf den Banker André: Ihre einstige große Liebe, die durch den Zweiten Weltkrieg auseinanderging. Auf genüsslich übertriebene, betont melodramatische Weise finden die beiden wieder zueinander. Und zeitgleich dazu erkennt Paulette, dass sie ihr bisheriges Leben der Unterdrückung der Frau gewidmet hat.

Vergnüglich und flott

Ein äußerst vergnügliches, flottes Drehbuch haben Séverine Werba und Martin Provost da geschrieben, mit famosen, überraschenden, stimmigen Figuren und unglaublich präzisen Dialogen. Juliette Binoche als Paulette, Yolande Moreau als Gilberte und Noémie Lvovsky als Marie-Thérèse sind perfekt besetzt; dasselbe gilt für Édouard Baer als André und François Berléand als Robert, aber auch für die jungen Darstellerinnen von Albane, Corinne, Annie und Yvette. Regisseur Martin Provost, der etwa mit Séraphine über die naive Malerin Séraphine Louis, mit Yolande Moreau in der Titelrolle, aber auch anderen Filmen schon mehrfach das Thema der weiblichen Befreiung verhandelte, hat das Buch treffsicher und mit Gespür für Timing und Rhythmus in Szene gesetzt.

Kostüm, Maske und Ausstattung tragen zum stimmigen Zeit- und Lokalkolorit, aber auch zum spielerischen Charakter des Films bei. Die Komödie überhöht den Konservativismus von Zeit und Milieu sowie die herrschende gesellschaftliche Doppelmoral mit offensichtlichem Spaß an der Sache, nimmt das Thema der weiblichen Unterdrückung beziehungsweise Emanzipation aber gleichzeitig ernst. Dass der Film dabei gelegentlich einen Hauch didaktisch gerät, verzeiht man dem durch und durch sympathischen Werk sofort.

Stets das passende Format

Gelungen ist auch die Kameraarbeit von Guillaume Schiffman, die stets den richtigen Ausschnitt, das passende Format zu finden scheint: Dramatische Landschaftsbilder als Spiegel der melodramatischen Liebe zwischen Paulette und André hier, strenge Einstellungen im Korsett der Hauswirtschaftsschule dort. Eine schöne Musical-Einlage am Ende des Films krönt den luftig-leichten Eindruck, hinter dem selbstverständlich harte Arbeit steckt.

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