Mit einer langen Kamerafahrt erschließt „Antebellum“ seinen historischen Schauplatz als Abwärtsbewegung in der Gesellschaftshierarchie: Angefangen bei einer klassizistischen Südstaaten-Villa schweben wir vorbei an konförderierten Soldaten, einem Dorf aus bescheidenen Holzhäusern bis hin zu einem Baumwollfeld, auf dem gerade drei schwarze Sklaven bei der Flucht erwischt wurden. Während zwei von ihnen sofort hingerichtet werden, kommt Eden (Janelle Monáe) zurück zu ihrem sadistischen Herrn, wird von ihm verprügelt, vergewaltigt und durch ein Brandzeichen endgültig zu seinem Eigentum.
Mit theatralischem Score und Zeitlupeneffekten inszenieren die Regiedebütanten Gerard Bush und Christopher Renz die Plantage aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs als Hölle auf Erden. Edens Alltag ist dabei der Bewegegungsfreiheit der Kamera genau entgegengesetzt: Mit angsterfülltem Blick muss sie in der dunklen, engen Hütte ihres Herren verharren und darf dabei noch nicht einmal sprechen. Und obwohl der einzige Ausweg für die Gefangenen hier scheinbar aus dem Kamin des Krematoriums führt, will die junge Frau ein weiteres Mal versuchen, mit einem Leidensgenossen zu fliehen. Trotz dieses sehr konkreten dramatischen Ziels wollen sich die alltäglichen Erniedrigungen, denen die Zuschauer in „Antebellum“ beiwohnen, jedoch nie richtig zuspitzen. Bis nach 40 Minuten plötzlich ein Handy klingelt.
„Die Vergangenheit ist niemals tot, sie ist noch nicht einmal vergangen“
Wir befinden uns nun in der Gegenwart, und scheinbar war alles zuvor gesehene ein böser Traum der Bestseller-Autorin Veronica, die Eden bis aufs Haar gleicht. Veronicas Leben ist jedoch das genaue Gegenteil: Sie lebt mit ihrer Familie in einem großen, lichtdurchfluteten Appartement, hält Vorträge über Rassismus und Inklusion und weist in Talkshows konservative Politiker in ihre Schranken. Auch hier bleibt „Antebellum“ ein wenig richtungslos im Alltag seiner Heldin verankert, ohne dabei seine Absichten preiszugeben. Wir folgen Veronica zur Yoga-Stunde, hören ihr bei einer Konferenz zu und begleiten sie zu einem Abendessen mit ihren Freundinnen. Was genau sie jedoch mit der Sklavin Eden verbindet, ist auch nach zwei Dritteln des Films noch ein Rätsel.
Allerdings kommt es mit der Zeit vereinzelt zu beunruhigenden Vorfällen wie einem Skype-Interview mit einer sonderbar provokanten Headhunterin (Jena Malone), Blumen, die ohne Absender verschickt wurden, und Hotel-Angestellte, die Veronica feindselig anblicken. Gleich zwei Mal taucht das William-Faulkner-Zitat „Die Vergangenheit ist niemals tot, sie ist noch nicht einmal vergangen“ im Film auf, und auch sonst wird mehrmals angedeutet, wie Geschichte ihre Spuren im Jetzt hinterlässt. Veronica ist zwar eine selbstbestimmte und erfolgreiche Frau, kämpft aber immer noch gegen ein System der Ungleichheit, das seinen Ursprung in der Sklavenzeit hat. Immer wieder schleichen sich Erinnerungsfetzen aus dieser Zeit ein: eine vorbeirauschende Kutsche, die Zeichnung einer Südstaaten-Villa und schließlich auch einige bekannte Gesichter von der Plantage.
Der neue Rassismus wird mit dem alten zusammengebracht
Erst im dritten und letzten Teil des Films offenbart sich dann, wie Eden und Veronica wirklich zueinander stehen. Es ist ein schauderhafter, äußerst effektiver Twist, der den verschleierten neuen Rassismus mit dem unverhohlenen alten zusammenbringt und dabei die Tore für ein packendes Finale öffnet. Nun lullen einen Horrorfilme zwar häufig mit Nebensächlichem ein, damit uns der Schrecken möglichst unvorbereitet trifft, aber in „Antebellum“ wirkt der Vorlauf zu langatmig und die Gestaltung häufig skizzenhaft und regelrecht planlos. Ihre vielversprechenden Zutaten mischen Bush und Renz meist ungelenk, reizen Spannungsmomente nicht genug aus und interessieren sich dann doch recht wenig dafür, wie sich die Hierarchie auf der Plantage konkret in der Gegenwart fortsetzt.
Sein Potenzial entfaltet „Antebellum“ immer dann, wenn er Rassismus als etwas unerklärlich Böses zeigt, das deshalb so beunruhigend ist, weil es oft unsichtbar bleibt. „Wir sind nirgendwo und überall“ sagt Edens Herr einmal unheilvoll, und vielleicht ist die überwiegende Orientierungslosigkeit des Zuschauers und das über weite Strecken fehlende Bewusstsein dafür, sich in einem Horrorfilm zu befinden, dann zumindest teilweise auch eine gewisse Stärke.