Bodyguard (2018)
Serie | Großbritannien 2018 | 362 Minuten
Regie: Thomas Vincent
Filmdaten
- Originaltitel
- BODYGUARD
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2018
- Produktionsfirma
- World Productions
- Regie
- Thomas Vincent · John Strickland
- Buch
- Jed Mercurio
- Kamera
- John Lee
- Musik
- Ruth Barrett · Ruskin Williamson
- Schnitt
- Andrew McClelland · Steve Singleton
- Darsteller
- Richard Madden (David) · Keeley Hawes (Julia Montague) · Sophie Rundle (Vicky) · Vincent Franklin (Mike) · Gina McKee (Anne Sampson)
- Länge
- 362 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Serie | Thriller
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Miniserie um einen britischen Afghanistan-Veteranen, der zum Bodyguard der Innenministerin befördert wird und sich nicht nur gegen Attentäter, sondern auch gegen ein Netz aus politischen Intrigen zur Wehr setzen muss.
Sergeant David Budd (Richard Madden) will nicht aus der Schusslinie treten. Er hat in einem Regionalzug nach London eine mit einem Sprengstoffgürtel präparierte Selbstmordattentäterin gestellt. Da die Frau mehr verängstigt als zum Äußersten entschlossen wirkt, versucht er, sie zur friedlichen Kapitulation zu überreden, auch als das Anti-Terror-Kommando längst zur Stelle ist und Scharfschützen sie ins Visier genommen haben, um die brandgefährliche Situation mit einem tödlichen Sicherheitsschuss zu beenden. Doch Budd spielt nicht mit; er deckt die Frau mit seinem Körper und schafft es tatsächlich, dass alle lebend den Zug verlassen und die Attentäterin sich widerstandslos verhaften lässt.
Die Miniserie von Autor Jed Mercurio führt gleich zum Auftakt ebenso prägnant wie packend in ihr Sujet und ihre Figuren ein. „Bodyguard“ ist in London als einer Stadt angesiedelt, über der latent die Drohung islamistischer Anschläge schwebt: Großbritannien ist in den „war on terror“ verstrickt; und David Budd ist davon gezeichnet. Bevor er zur Polizei wechselte, hat er als Soldat in Afghanistan gekämpft und leidet seitdem an posttraumatischen Störungen. Und er hegt einen latenten Groll gegen diejenigen, die Menschen zu Kanonenfutter in diesem Krieg machen: gegen die Politiker, die Soldaten wie ihn nach Afghanistan geschickt haben, nicht weniger als gegen die Hintermänner der Terroristen, für die die junge Frau als „Märtyrerin“ ihr Leben lassen sollte. Seine Weigerung, sie dem Todesschuss preiszugeben, gründet nicht nur in Menschenfreundlichkeit oder Mut– tatsächlich wirkt er ähnlich verängstigt wie die Attentäterin –, sondern auch darin, dass er in ihr eine Art Leidensgenossin zu sehen meint.
Wer muss hier vor wem beschützt werden?
Als Budd kurz nach dem verhinderten Terroranschlag zum Leiter des Security-Teams der Innenministerin Julia Montague (Keeley Hawes) befördert wird, ahnt man, dass dies zu Spannungen führt. Denn die selbstbewusste Politikerin hat die britischen Einsätze im Irak und in Afghanistan mitgetragen; derzeit arbeitet sie daran, eine umstrittene Erweiterung des „Regulation of Investigatory Powers Act“ durchs Parlament zu bringen. Keine Politik, die Davids persönlichen Überzeugungen entspricht. Was freilich im Job außen vor zu bleiben hat, und David ist, der latenten PTSD zum Trotz, ein Profi. Allerdings zeichnet sich bald ab, dass nicht nur das Verhältnis zu Montague selbst sich ungleich komplexer entwickelt als erwartet, als die Reserviertheit zwischen der Ministerin und ihrem Bodyguard immer mehr von gegenzeitiger Anziehung konterkariert wird; auch die ihm zugedachte Rolle in ihrem „inner circle“ wird dubios, als ihn seine Vorgesetzte bei der Metropolitan Police und die Leiterin des SO15 auffordern, Informationen über Kontakte und Treffen der Ministerin auszuspionieren und an sie weiterzugeben. Bald sorgen nicht nur Attentatsversuche für Aufregung, sondern Budd sieht sich in ein Netz undurchsichtiger Machtinteressen verstrickt: Terroristen, politische Gegner, die Führungsspitze der Polizei, der Inlandsgeheimdienst, Kriminelle. In dem neuen Krieg, in dem Budd einmal mehr zum Kanonenfutter zu werden droht, weiß er bald nicht mehr, wer seine wirklichen Gegner sind.
Die sechs Episoden umspannende Miniserie erfindet das Politthriller-Genre nicht neu; sie zelebriert das aus Serien wie „Homeland“ und „Spooks“ bekannte, von Actionsequenzen angeheizte Intrigenspiel aber mit außerordentlicher erzählerischer und inszenatorischer Souveränität. Die Regisseure Thomas Vincent und John Strickland sorgen dafür, dass sich sowohl die physische Action als auch das mit Worten ausgefochtene, aber ebenfalls knallharte Taxieren in Besprechungen oder bei Verhören durchweg nervenzerrend gestaltet. Die Basis dazu liefert das bestens austarierte Drehbuch von Jed Mercurio, das die Handlungs- und Motivfäden labyrinthisch geschickt auslegt und Zuschauer wie Figuren in die Irre führt, um schließlich alles äußerst konsequent und gründlich zu einem stringenten Gesamtbild zu verweben.
Die Unberechenbarkeit der Figuren
Vor allem aber trumpft die Serie mit spannenden, vielschichtigen und schwer durchschaubaren Charakteren auf. Richard Madden stattet Budd mit tapferem Stoizismus aus, hinter dem die seelischen Blessuren jedoch beständig sichtbar bleiben. Zwar steht seine berufliche Kompetenz als Bodyguard außer Frage, doch durch seine psychischen Belastungen, zu denen neben der Kriegserfahrung auch ein zerrüttetes Familienleben gehört, wird er zum unzuverlässigen Helden. Und das nicht nur, weil man sich immer fragen muss, ob Budds Kriegstraumata ihn nicht doch irgendwann im entscheidenden Augenblick so lähmen, dass er nicht mehr richtig reagieren kann, sondern auch, weil schwer einschätzbar ist, zu welchen Entscheidungen ihn seine Überzeugungen und seine persönliche Situation bringen werden.
Ähnlich ambivalent sind auch die anderen Figuren gestaltet: die von Keeley Hawes gespielte Ministerin, bei der man nie so recht weiß, wie viel Karriere-Kalkül in ihre politischen wie privaten Handlungen hineinspielt, aber auch die Spitzen von Polizei und Geheimdienst, bei denen unklar ist, wie viel Sinn fürs Gemeinwohl und für Recht und Gesetz in ihrem Gerangel um Kompetenzen übriggeblieben ist; aber auch „kleine Fische“ wie die Assistenten der Ministerin. Das zeichnet „Bodyguard“ vor allen anderen Dingen aus: die Serie atmet eindrucksvoll das Klima eines profunden gesellschaftlichen Vertrauensverlusts – ein toxisches Misstrauen, das das gesamte staatliche Getriebe von den großen bis zu den ganz kleinen Rädchen erfasst hat.