Bombay Rose
Animation | Indien/Frankreich/Großbritannien/Katar 2019 | 93 Minuten
Regie: Gitanjali Rao
Filmdaten
- Originaltitel
- BOMBAY ROSE
- Produktionsland
- Indien/Frankreich/Großbritannien/Katar
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Cinestaan Film Company/Les Films d'Ici/Goldfinch
- Regie
- Gitanjali Rao
- Buch
- Nadja Dumouchel · Asad Hussain · Gitanjali Rao
- Musik
- Cyli Khare · Yoav Rosenthal
- Schnitt
- Gitanjali Rao
- Länge
- 93 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Animation
- Externe Links
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Zwischen Bollywood-Melodram und harscher Gesellschaftskritik changierender Animationsfilm über die Liebe eines Hindu-Mädchens zu einem jungen Moslem.
„Hier ist das Paradies, das Bollywood-Paradies!“ Hier kann man sicher sein, dass der Held dem Bösewicht am Ende eins auf die Nase gibt und mit der hübschen Tänzerin und einem Lied auf den Lippen Richtung Sonnenaufgang entschwindet. So etwas gibt es in den heruntergekommenen Vorstadtkinos von Bombay täglich zu sehen. „Doch den Kuss haben sie uns geklaut!“, schimpft Salim, der sich gerne über die Zensoren aufregt, die das Happy End prüde beschneiden. Das Paradies ist eben doch nur eine Illusion!
Salim, der im Zug gewaltsamer Unruhen zum Waisen wurde, kam aus Kaschmir nach Bombay, um hier in dem riesigen Schmelztiegel sein Glück zu suchen, das er mit dem Warten auf den richtigen Job und dem Stehlen von frischen Blumensträußen auf den Gräbern des Friedhofs aber reichlich überstrapaziert. Bis er auf Kamala trifft. Sie hat sich mit ihren Eltern überworfen und lebt nun mit ihrer kleinen Schwester Tara in den Slums in Sichtweite ihres Großvaters, der als Uhrmacher stoisch und mit Würde dem Lebensende entgegensieht. Während Kamala in ihren Tagträumen von einem Prinzen auf einem wunderbaren Ross aus allem Elend entführt wird, wartet in der Wirklichkeit schon der Raubvogel namens Mike, der seine „Bombay Rose“ schon eine Weile umgarnt, weil er sie gewinnbringend nach Dubai in einen fremden Haushalt verkaufen will.
Zwischen Bollywood-Traum und Realität
Kamala braucht Geld für die Ausbildung der begabten Tara und lässt sich deshalb zunächst bereitwillig von Mike umgarnen. Doch dann entsteht zwischen der Hindu Kamala und dem Muslim Salim eine eigentümliche Zuneigung. Eigentlich verachtet die junge Frau den Dieb, träumt aber insgeheim doch von einer Zukunft, in der sie in beiden Religionen Hochzeit feiern. Das Paradies: eine wunderbare Illusion.
Im Melodram, dem aus Bollywood zumal, wird viel geweint; aber oft genug triumphiert am Ende trotzdem die Liebe und das Gute. Und so hält auch die Filmemacherin Gitanjali Rao in ihrer Reflexion über die kleinen und großen Ungerechtigkeiten der indischen Gesellschaft den ein oder anderen Rettungsanker bereit. Denn zuallererst ist es ja ein Märchen, eine Illusion, ein Wunschbild, das sie in „Bombay Rose“ erzählt. Sie bedient sich ganz bewusst der Matrix der Bollywood-Dramaturgie und realisiert das Melodrama zudem als Animation. Hier lassen sich Märchen noch leichter als Märchen erzählen, weil die Ästhetik ohnehin künstlicher und abstrakter ist. Rao nutzt sie für ein schwelgerisches Spiel mit Farben und Formen, das die bedrückende Realität des Kastendenkens, der Ausbeutung und Armut sowie der Unterdrückung religiös Andersdenkender konterkariert.
Die Utopie eines besseren Lebens
„Bombay Rose“ atmet die Tragödie, hat aber auch wunderbare Momente, die all das, was zu sehen und noch mehr zu erahnen ist, ein wenig erträglicher machen. Man könnte der Regisseurin vorwerfen, dass sie die Realität unter dem fast schon naiv-expressionistisch anmutenden Pinselstrich ihrer Animationen betäuben möchte, genauso wie es jene tun, die in Bombay tagtäglich ins Kino gehen, um mit Hilfe all der Helden und schönen Frauen aus den Mainstream-Bollywood-Spektakeln die Realität für ein paar Stunden zu vergessen. Doch die Botschaft, stark zu sein, das Träumen nicht aufzugeben und erhobenen Hauptes durchs Leben zu gehen, vermittelt sich so nachdrücklich, dass man eher von einer Utopie als von einer Illusion reden möchte. Wer weiß, vielleicht bleibt ja – nachdem das Licht wieder angeht – doch ein wenig davon fürs wahre Leben übrig.