Mank
Drama | USA 2020 | 131 Minuten
Regie: David Fincher
Filmdaten
- Originaltitel
- MANK
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2020
- Produktionsfirma
- Netflix
- Regie
- David Fincher
- Buch
- Jack Fincher
- Kamera
- Erik Messerschmidt
- Musik
- Trent Reznor · Atticus Ross
- Schnitt
- Kirk Baxter
- Darsteller
- Gary Oldman (Herman J. Mankiewicz) · Lily Collins (Rita Alexander) · Charles Dance (William Randolph Hearst) · Amanda Seyfried (Marion Davies) · Arliss Howard (Louis B. Mayer)
- Länge
- 131 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
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Eine Ode an den kreativen Schaffensprozess: David Finchers Film übers Hollywood der 1930er-Jahre und die Entstehung des Filmklassikers „Citizen Kane“ durch die konfliktreiche Zusammenarbeit des Drehbuchautoren Herman J. Mankiewicz mit Regisseur Orson Welles
Irgendwo im amerikanischen Westen, im Frühjahr 1940, noch vor Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Etwas Geheimnisvolles und Mysteriöses durchzieht von Anfang an die Atmosphäre des schwarz-weißen Films – wie in einem Film noir. Ein Mann wird mit dem Auto auf eine Ranch gefahren; nach einem schweren Unfall geht er an Krücken. Mit ihm kommen auch seine Krankenpflegerin, eine Assistentin und ein Agent. Die nächsten Wochen wird er hier verbringen. Dies ist allerdings keineswegs ein reiner Erholungsaufenthalt; eher ähnelt es einer privilegierten Gefangenschaft, dem erzwungenen Rückzug in ein Kloster, in kontrollierte Konzentration.
Der Mann ist Herman „Mank“ Mankiewicz (1897-1953; gespielt von Gary Oldman), Bruder des Regisseurs Joseph L. Mankiewicz, ein bekannter und erfolgreicher, wenn auch etwas aus dem Tritt geratener Drehbuchautor des legendären Hollywood-Studios RKO.
Orson Welles, Herman Mankiewicz & „Citizen Kane“
Mankiewicz ist schrullig und auf seine Art genial, aber er ist auch ein schwerer Alkoholiker und sozial derart unerträglich, dass es außer seiner Ehefrau niemand auf Dauer mit ihm aushält – und er es auch nicht mit seinen Mitmenschen. Aber Mankiewicz ist eben auch sehr gut; darum soll er das Kinodebüt für einen schreiben, der ebenso als Genie wie als schwieriger Zeitgenosse gilt: Orson Welles. Der erfolgreiche Theatermacher war als Autor des Radioknallers „Krieg der Welten“, der das halbe Land für ein paar Stunden an die Invasion von Außerirdischen glauben ließ, berühmt geworden. Im Kino aber musste er sein Können erst noch beweisen. Darum stellte man ihm mit Mankiewicz einen erfahrenen Könner zur Seite.
Die beiden kommunizierten vor allem über Telefon und die Notizen zu den jeweiligen Drehbuchfassungen, die per Kurier hin- und hergeschickt wurden. Das Ergebnis ist am Ende ein Film, der nicht nur die Filmwelt erschüttern sollte: „Citizen Kane“, eines der berühmtesten Werke der klassischen Studio-Ära Hollywoods und für viele der beste Film der Filmgeschichte. Es ist aber auch einer der sagenumwobensten Filme, um den sich viele Anekdoten und Unklarheiten ranken. Umstritten ist unter anderem auch, welchen Anteil Orson Welles am Drehbuch hatte, das neben dem von Mankiewicz auch seinen Autorennamen trägt.
David Fincher schlägt sich auf die Seite der Titelfigur
In „Mank“ erzählt David Fincher seine Version dieser Geschichte. Sie ist nicht schmeichelhaft für Welles, dafür aber umso gnädiger mit Mankiewicz. Fincher folgt darin der berühmten US-Kritikerin Pauline Kael und ihrer legendären Abrechnung mit Welles in ihrem Buch „Raising Kane“. Aus Mankiewiczs Leben gegriffen, setzt sich „Citizen Kane“ hier im Hirn des Autors und auf der Leinwand (beziehungsweise dem Bildschirm) vor den Augen der Zuschauer zusammen.
Dazu zitiert Fincher ausgiebig die formalen Mittel von „Citizen Kane“: Nahaufnahmen, Unschärfen, Ton-Bild-Scheren, abrupte Szenenwechsel, überhaupt das sehr sprunghafte Erzählen und die langen Rückblenden, die gewissermaßen das Pferd der Erzählung von hinten aufzäumen. Hier führen sie vor allem ins Hollywood der 1930er-Jahre.
Das schiere Handwerk hat Fincher immer schon interessiert. Wie haben sie das damals gemacht? Und was waren es für Atmosphären in den drei goldenen Jahrzehnten der Filmindustrie zwischen den frühen 1920er- und den frühen 1950er-Jahren? Als die Studiobosse Diktatoren waren, denen die Stars „gehörten“. Einer von ihnen, MGM-Boss Louis B. Mayer (Arliss Howard), bekommt einen schönen Satz in den Mund gelegt: Die Magie des Films, sagt er, läge vor allem darin, dass Film die einzige Ware sei, die nach dem Kauf nur in der Erinnerung der Kunden existiert, während sie sich weiter im Besitz des Verkäufers befindet. Allenfalls ein paar Multimillionäre durften hier noch mitspielen, sie waren Geldgeber, finanzierten ein wenig oder halfen bei der Vermarktung – wie der mysteriöse Howard Hughes oder eben der Medienmogul William Randolph Hearst, der als Vorbild der „Citizen Kane“-Figur gilt.
Ein Hoch auf die Drehbuchautoren
Man könnte diesen Film also als rein historische Rekonstruktion, als akademische Film-im-Film-Arbeit und persönliche Liebhaberei eines Regisseurs abtun, der sich diese Laune erlauben kann. Doch das würde „Mank“ verkennen. Dabei sind die detaillierten Innenansichten aus der größten Ära Hollywoods filmgeschichtlich hochinteressant, ein Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik und eine Dekonstruktion des „Citizen Kane“-Mythos. Doch „Mank“ ist mehr: Eine Erinnerung an das Schaffen und die Bedeutung der oft vergessenen Drehbuchautoren, vor allem aber eine Ode auf den kreativen Prozess als solchen, der Versuch, dem Undarstellbaren visuelle Gestalt zu geben - der Beziehung zwischen Schwerstarbeit und Genie, zwischen den Einflüssen der Fakten, der sogenannten Wirklichkeit zur Inspiration, die diese zu etwas Neuem, Überrealem veredelt.
Fincher hat dies auch schon in seinen sensiblen Darstellungen des Ermittlungshandwerks in „Sieben“ und „Zodiac“ vorgemacht – doch hier geht es um Künstler. Insofern ist dies auch Finchers bisher persönlichster Film.
Rund um Gary Oldman als Mankiewicz ist die Besetzung interessant und ungewöhnlich: Lily Collins verkörpert seine Assistentin Rita Alexander, die Newcomerin Tuppence Middleton seine Frau, Amanda Seyfried die Hollywood-Diva Marion Davies, die auch die Lebensgefährtin des Medienmagnaten William Randolph Hearst (Charles Dance) war. Tom Burke spielt Orson Welles.
Die Darstellung der 1930er-Jahre verweist in die Gegenwart
Zugleich erscheint „Mank“ überaus aktuell in seinem Bild eines Landes, in dem die Exzesse der Oberschicht mit der Korruption der ganzen Gesellschaft und dem Größenwahnsinn einzelner Superreicher einhergehen. Hollywood lieferte dazu Pomp und Glamour – umso schlimmer, wenn es wie im Fall von „Citizen Kane“ dann nicht wie gewünscht spurte und einen seiner reichen Gönner sogar direkt anging. So wie William Randolph Hearst einst den Schriftsteller Upton Sinclair in einer Medienkampagne politisch nahezu ruinierte, so versuchte er auch die Karriere von Mankiewicz, der ihm nicht gehorchen wollte, zu zerstören und den Film „Citizen Kane“ zu verhindern.
Im Jahr 2020 sieht man darin und in der politischen Paranoia, die der Film schildert, unwillkürlich ein Spiegelbild des Trumpismus. Im Hollywood der 1930er-Jahre findet Fincher eine Welt, in der sich Unterhaltung und Politik gefährlich durchdringen. Dabei bewahrt er sich zugleich aber einen Sinn für die Größe der alten Filmindustrie, für ihre Magie über allen Abgründen hinweg.
„Mank“ ist Finchers erste Kinoarbeit seit „Gone Girl“ (2014). Ein Herzensprojekt seit über 20 Jahren. Doch 1997, direkt nach „Sieben“ und „The Game“, erlaubt man ihm, obwohl er als das größte Jung-Genie seiner Generation galt, keinen Schwarz-weiß-Film. Es musste erst Netflix kommen, um diese anspruchsvolle Feier künstlerischer Kreativität, die so viel mehr ist als die nostalgische Beschwörung alten Hollywood-Zaubers und ein Stück Nerd-Kult für Cinephile, doch noch möglich zu machen.
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