High Fidelity
Literaturverfilmung | USA 2020 | 285 (zehn Folgen) Minuten
Regie: Jeffrey Reiner
Filmdaten
- Originaltitel
- HIGH FIDELITY
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2020
- Produktionsfirma
- ABC Signature Studios/Midnight Radio
- Regie
- Jeffrey Reiner · Andrew DeYoung · Natasha Lyonne · Chioke Nassor · Jesse Peretz
- Buch
- Veronica West · Sarah Kucserka
- Kamera
- Carmen Cabana
- Musik
- Nathan Larson
- Schnitt
- Kate Hickey · Matthew Barbato · Jack Cunningham · Catherine Haight
- Darsteller
- Zoë Kravitz (Robyn "Rob" Brooks) · Jake Lacy (Clyde) · Da'Vine Joy Randolph (Cherise) · David H. Holmes (Simon Miller) · Kingsley Ben-Adir (Russell "Mac" McCormack)
- Länge
- 285 (zehn Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f (Ep. 2-6,8-10), ab 16; f (Ep. 1&7)
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Literaturverfilmung | Serie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Eine Serienadaption des Romans von Nick Hornby, in der aus einem männlichen Plattenfreak mit Listentick und Liebesproblemen ein weibliches Pendant geworden ist.
„You make me sick!“ So schreien es die „Satan’s Rats“ in wütender Punkrock-Manier ins Mikro. Für die Hauptfigur von „High Fidelity“ ist es ab diesem Zeitpunkt amtlich: Ex-Freund Mac ist endgültig in der Top Five der schmerzlichsten Trennungen aller Zeiten gelandet, mit einem Knall, herzlichen Glückwunsch! Wem diese tragikomische Top-Five-Schlussmacher-Liste genauso bekannt vorkommt wie der Titel, der irrt nicht: Der US-Streamingdienst Hulu hat sich an ein Serien-Remake der erfolgreichen Nick-Hornby-Verfilmung von Stephen Frears gewagt, die nun auch schon 20 Jahre auf dem Buckel hat.
Anders als die von John Cusack gespielte Filmfigur Rob ist die Serienfigur Rob im Jahr 2020 allerdings kein wutentbrannter Musik-Nerd mehr. In der von Veronica West und Sarah Kucserka entwickelten Serie ist Robyn „Rob“ Brooks eine junge Frau, der in Sachen musikalisches Know-how und verbaler Schlagfertigkeit so schnell niemand etwas vormacht. Willens- und ausdrucksstark wird sie von Zoë Kravitz gespielt, der Tochter des Rockmusikers Lenny Kravitz und der Schauspielerin Lisa Bonet. Mit Afro-Braids und Slacker-Klamotten, die schlanken Arme voller vereinzelter Tattoos, steht Rob mit beiden Beinen im Leben beziehungsweise im eigenen Plattenladen in Brooklyn. Der läuft allerdings ziemlich miserabel. Ihrem filmischen Vorgänger gleicht die junge Frau dabei in mehreren Punkten: Einmal ist das die Selbstgeißelung angesichts des tragischen Umstandes, ständig verlassen zu werden. Und zweitens die Angewohnheit, sich mit dieser schmerzhaften Erkenntnis immer wieder Richtung Kamera und damit zum Zuschauer zu wenden.
Attraktiv, smart, am Puls der Zeit & anstrengend
Rob ist eine veritable Szene-Gängerin eines New Yorks, das selbst eine ziemliche Transformation, besser: Gentrifizierung, durchschritten hat. Wie die Stadt ist ihre Bewohnerin attraktiv, smart, am Puls der Zeit – und anscheinend so anstrengend, dass es niemand länger mit ihr aushält. Dass das so unterhaltsam und gar nicht repetitiv anmutet, ist der Vorlage von Nick Hornby zu verdanken. Wobei sich die Kinoadaption von Stephen Frears und die aktuelle Serie durchaus das Wasser reichen können.
Ziemlich eng, aber mit einem ganz eigenen Millennial-Drive beerbt „High Fidelity“ ein filmisches Vorbild, das schon damals mittels einer großartigen Songauswahl und cleveren Dialogen das hervorkitzelte, was der Pop-Musik selbst gerne nachgesagt wird: das Kreisen ums Liebesleid in all seinen Varianten – Rob würde es „Remix“ nennen. Passend zum mit Hip-Hop aufgepeppten Sound der Gegenwart wirkt die von Zoë Kravitz verkörperte Rob wie die dynamisch-weibliche Variante ihres Vorgängers. Wobei sie die teils haargenau gleichen, allerdings in 10 Folgen neu arrangierten Situationen durchleiden muss.
Ein Abklappern der Ex-Partner
Den Startschuss für diesen „Parcours de cœur“, bei dem Rob in Eigentherapie ihre Ex-Partner abklappert, gibt die große Liebe Mac. Die Herzensbrecher-Episode liegt mehr als ein Jahr zurück, Mac hat die Stadt längst verlassen. Jetzt versucht Rob mit Hilfe ihres Bruders und ihrer Freunde aus ihrem Schmerz auszubrechen. Zunächst mit einem vom Bruder eingefädelten Date, das sich als sympathisch-gewitzt, in seiner bewundernden Ergebenheit aber auch als etwas langweilig herausstellt. Dann mit einem schnuckeligen Balladen-Sänger, dessen junges Alter Rob dann aber doch zu schnuckelig ist. Und dann mit Mac selbst, der sich tatsächlich erdreistet, nach New York zurückzuziehen. Das aber nicht allein, sondern mit seiner neuen Verlobten Lily, Schimäre und Nemesis zugleich.
Flankiert wird Rob durch zwei Sidekicks in Form ihrer besten Freunde und Mitarbeiter, die unterschiedlicher nicht sein könnten: der weiblichen, aber ebenso überdrehten Jack-Black-Variante Cherise (Da’Vine Joy Randolph) sowie Simon (David H. Holmes), der in der Beziehung mit Rob seine Homosexualität entdeckte.
Im Abklappern all der Verflossenen kommt Robs Selbstbewusstsein langsam auch der Tatsache auf die Schliche, dass all die Trennungen nicht unbedingt mit Rob als Person zu tun hatten, sondern teilweise sogar von ihr selbst initiiert wurden – trügerische Erinnerung, noch trügerischere Selbstmanipulation.
Was war zuerst da, die Musik oder das Elend?
Was allerdings bar jeder rosaroten Überinterpretation liegt, ist der Soundtrack, mit dem sich die Macher selbst übertroffen haben. Wie eines der mit viel Liebe, Gedankenkraft und Expertise zusammengestellten Mixtapes von Rob unterstreichen sie die jeweilige Emotionslage, in dem sie Gefühl und Gehör miteinander verschmelzen. Was war für den Verlassenen zuerst da, die Musik oder das Elend? Das fragte schon Rob im Film.
An solch einen Soundtrack kommt vielleicht nur noch die Hauptdarstellerin Zoë Kravitz heran, deren schlagfertiges Kraftpaket Rob scheinbar nichts auf der Welt aus Gleichgewicht bringen kann – außer vielleicht ihr eigenes, stolperndes Herz. Mutter Lisa Bonet stand dabei selbst einst im „High Fidelity“-Film auf der anderen Seite: Als Sängerin und Love Interest der Hauptfigur. Jetzt dreht die Serie die Geschlechterrollen um und bringt dadurch frischen feministischen Wind in zwei eher als männlich verschriene Domänen: Musik-Nerdtum und das Hadern mit ständiger Zurückweisung.