Die Geier kreisen über dem südkoreanischen Präsidenten Park Chung-hee (Lee Sung-min). Es sind die letzten Tage seiner bereits 18 Jahre währenden Ära. Der Mann, der 1961 einen Militärputsch einleitete, sich durch Wahlen bestätigen ließ und seine Macht durch Kriegsrecht und Verfassungsänderung verteidigte, sieht sich 1979 nicht nur mit Protesten aus der Bevölkerung und einem zunehmenden außenpolitischen Druck von Seiten der USA konfrontiert, sondern verliert zunehmend auch den Rückhalt seines inneren Zirkels.
Ein Politthriller alter Schule
Geheimdienst-Direktor Kim Gyu-pyeong (von Lee Byung-hun gespielt, historisches Vorbild: Kim Jae-gyu) ist als engster Vertrauter von Präsident Park die entscheidende Figur seines Niedergangs. Kim ist ein klassischer Geheimdienst-Mann: rational, beherrscht, kalt. Sein Stil findet in der angeschlagenen Park-Regierung nur noch wenig Gehör. Sein Widersacher, der Sicherheitschef Kwak Sang-Cheon (von Lee Hee-joon gespielt, historisches Vorbild: Cha Ji-cheol), steht für die nächste Generation: impulsiv, cholerisch, vulgär. Kwaks Lösung für den Druck aus dem In- und Ausland fährt auf Ketten. Panzer sollen den Präsidenten schützen, Panzer sollen die Demonstranten in Busan und Masan niederwalzen. Tatsächlich setzt Präsident Park nicht auf Reformen, um sich den Amerikanern anzunähern und das eigene Volk zu beschwichtigen; stattdessen verhängt er das Kriegsrecht.
Der daraufhin entbrennende Machtkampf ist Thriller-Kino alter Schule. Die moralischen Untiefen eines John-le-Carré-Romans treffen in „Das Attentat“ auf den Verfolgungswahn von Alan J. Pakulas „Paranoia“-Trilogie und Coppolas „Der Dialog“, was durch die strengen Respekts- und Loyalitätsetikette Koreas eine ganz eigene Färbung bekommt. Die Angst vor dem Gesichtsverlust prägt das offizielle Miteinander; Trenchcoat, Pomade und Hornbrillen sind in Mode; kurze, konspirative Treffen bestimmen die Atmosphäre.
Zwei Kontrahenten im alles umfassenden Machtkampf
Kim und Kwak bringen ihre Agenten in Position; sie buhlen bei Trinkgelagen mit dem Präsidenten um dessen Gunst und setzen ihre Spitzel aufeinander an. Das verdeckte und doch für allen Beteiligten offen einsehbare Machtgerangel durchdringt jede Regierungssitzung, jede private Unterredung und jede offizielle Stellungnahme. Das Saufen, das Scherzen, die Begrüßung – alles ist hier Machtkampf. Die Paranoia sickert sukzessive in das Blaue Haus des Staatspräsidenten ein. Kwak und Kim nutzen die Trümmer der alten Hierarchie, um sich an die Spitze einer neuen zu setzen.
„Das Attentat“ von Woo Min-ho ist das zweite filmische Großprojekt, das sich mit der Ermordung Park Chung-hees und dem Ende seiner Diktatur auseinandersetzt. Im Sang-soo erzählt in „The President’s Last Bang“ (2005) ebenfalls vom letzten Tag der Park-Ära. Der Präsident ist darin eine obszöne, japanisch sprechende Witzfigur, die sich vor großen Entscheidungen wegduckt und erst zum abendlichen Saufgelage unter dem Rock seiner Konkubinen wieder auftaucht; Kim wiederum ist in diesem Film nicht der elegante, beherrschte Strippenzieher, sondern ein impulsiver, gekränkter Verlierer, der für ein verletztes Ego seinen Freund Präsident Park umbringt und Korea von einem Abgrund in den nächsten zieht.
Ein Thriller, der sich zur Tragödie wandelt
„Das Attentat“ entfernt sich von diesen kontroversen satirischen Hieben gegen Park und Kim (ein Gericht ordnete 2005 die Zensur diverser Szenen aus „The President’s Last Bang“ an; ein Jahr später wurde das Urteil revidiert) und wirkt letztlich fast wie eine formale und inhaltliche Antithese zu dem Film von Im Sang-soo. Woo Min-hos Inszenierung ist kontrolliert, sauber und geschliffen; im Vergleich zu „The President’s Last Bang“ wirkt sie geradezu zahm, öffnet sich aber den geschichtlichen Ambivalenzen, die das brutale Ende der Park-Ära noch immer umwehen. Aus der bitterbösen Satire wird ein Thriller, der sich nach und nach zur Tragödie wandelt.
Dieser Wandel macht deutlich, dass die Strukturen einer Diktatur nicht die propagierte effektive und geradlinige Politik produzieren, sondern hässliche, von Ressentiment, persönlichen Motiven und gekränkten Egos getrübte Affektentscheidungen. Einer der von Kim geplanten und befohlenen Mordaufträge wird dann auch für den Geheimdienst-Direktor zur persönlichen Heimsuchung. Während die drei Attentäter, die der Direktor auf einen früheren Freund angesetzt hat, dessen Leichnam mit einer Knochenmühle zu Hühnerfutter zermalmen, sitzt Kim, der genau Bescheid weiß, neben dem Präsidenten im Theater und versucht sein Gesicht zu wahren. Auch Präsident Park ist weniger eine boshafte Witzfigur als vielmehr ein tragischer Tyrann. Allein und betrunken stimmt er wenige Stunden vor seiner Ermordung ein Lied von Einsamkeit an, das nur Kim hören kann, der ihn mit dem Stethoskop durch die Wand belauscht. „Wenn der Staat zusammenbricht, werden wir alle sterben“, sagt Kim seinen Agenten vor dem Attentat. Eine bittere Vorhersage für die Nachfolger im Blauen Haus, über dem noch lange die Geier kreisen werden.