Eine private Angelegenheit

Drama | Italien 2017 | 85 Minuten

Regie: Paolo Taviani

Ein italienischer Partisan stolpert während des Zweiten Weltkriegs von Eifersucht getrieben durchs Kriegsgebiet im Piemont, weil er seinen besten Freund verdächtigt, mit der von ihm selbst begehrten Frau ein Verhältnis zu haben. Die Adaption eines Romans von Beppe Fenoglio kreist um die Blindheit amouröser Empfindungen, die den Protagonisten fast in den Selbstmord treibt. Das Sujet des Partisanenfilms tritt bei der Suche nach dem, worum es im Leben geht, gänzlich in den Hintergrund. Zusammengehalten wird der Film in seinem sanften Surrealismus vom charismatischen Hauptdarsteller. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
UNA QUESTIONE PRIVATA
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Stemal Ent./Ipotesi Cinema
Regie
Paolo Taviani
Buch
Paolo Taviani · Vittorio Taviani
Kamera
Simone Zampagni
Musik
Giuliano Taviani · Carmelo Travia
Schnitt
Roberto Perpignani
Darsteller
Luca Marinelli (Milton) · Lorenzo Richelmy (Giorgio) · Valentina Bellè (Fulvia) · Francesca Agostini (Junge Bäuerin) · Jacopo Olmo Antinori (Jim)
Länge
85 Minuten
Kinostart
03.09.2020
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Historienfilm | Literaturverfilmung
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IMDb | TMDB

In ihrem letzten gemeinsamen Film fragen Paolo und Vittorio Taviani anhand einer Partisanen- und Liebesgeschichte, worum es im Leben geht und wie man handeln soll.

Diskussion

„Mit halbgeschlossenem Mund und hängenden Armen betrachtet Milton Fulvias Villa, die einsam auf einem Hügel stand, der zur Stadt Alba abfiel.“ So lauten die ersten Worte des Romans „Eine private Angelegenheit“ von Beppe Fenoglio. Das Bild des Partisanen, der verloren vor dem Haus steht, in dem sich unmittelbar vor dem Krieg seine Leidenschaften entfalteten, prägt auch die gleichnamige Adaption der Gebrüder Taviani.

Auch wenn manche Szenen uninspiriert mit altbekannten Bildmustern umgehen, wird der Film von jener parabelhaften Simplizität getragen, der das ganze Werk dieser legitimen Nachkommen von Roberto Rossellini auszeichnet. In ihrem letzten gemeinsamen Film widmet sich das für das italienische Kino so prägende Brüderpaar Paolo und Vittorio Taviani erneut dem antifaschistischen Kampf. Allerdings ist Fenoglios 1963 erschienener Roman alles andere als ein typischer Partisanenroman. Denn der außerhalb und eigentlich auch innerhalb Italiens sträflich übersehene Schriftsteller, der selbst als Partisane gekämpft hat und dessen Leben viele Überschneidungen mit dem Protagonisten von „Eine private Angelegenheit“ aufweist, erzählt weniger von politischen Idealen und glorifizierten Kämpfern im Bergland von Piemont als von den persönlichen Motivationen im Widerstand. Edelmut und Idealismus haben hier kaum Bedeutung.

Von Eifersucht getrieben

Milton, der nicht zufällig nach dem Dichter von „Das verlorene Paradies“ benannt ist und von dem unsagbar charismatischen Luca Marinelli verkörpert wird, stolpert von Eifersucht getrieben durch das Kriegsgebiet. In Rückblenden wird von seiner Liebe zu Fulvia erzählt. Von englischer Literatur fasziniert, schreibt er ihr flammende Briefe. Aber den Gesetzen melodramatischer Handlungen folgend, gibt es auch Giorgio, den besten Freund von Milton. Auch er ist in Fulvia verliebt.

Giorgio ist wagemutiger, körperlicher in seinem Umgang mit der Leidenschaft. Milton ist intellektueller, abwartender. Als er wie zufällig während des Krieges in der ländlichen Villa landet, die in ihm Erinnerungen à la Marcel Proust auslöst, erfährt er, dass Giorgio und Fulvia in seiner Abwesenheit womöglich doch ein Paar geworden sind. Fortan wird der junge Kämpfer in eine hypnotische Eifersucht versetzt. Er begibt sich auf eine rasende Suche nach seinem Freund, der in einem anderen Partisanentrupp kämpft.

Sich nie auflösender Nebel durchzieht die Landschaft; das raue Bergland erzählt von Einsamkeit, aber auch von Gefahren. „Eine private Angelegenheit“ ist auch ein Film über eine Manie, eine Blindheit. Die unglückliche Liebe löst einen beinahe suizidalen Drang in Milton aus. Er springt über eine verminte Brücke, in der Hoffnung, dass sie ihn und seine seelischen Schmerzen in tausend Stücke zerreißt.

Die durch den Krieg torkelnden Soldaten, Deserteure und Pioniere bevölkern Literatur und Kino. Die Tavianis finden in dieser unwirklichen Welt zwischen den Fronten einen sanften Surrealismus, der sowohl aus dem Geisteszustand von Milton als auch dem Wahnsinn des Krieges an sich entspringt. So begegnet Milton einem faschistischen Kämpfer, der auf einem imaginären Jazzschlagzeug trommelt. In einer anderen Szene liegt eine Familie wie tot vor ihrem Haus, doch plötzlich und ohne jede Erklärung steht ein Mädchen auf, geht ins Haus, um Wasser zu trinken und legt sich schließlich wieder zu den Toten.

Ein Affront gegenüber dem Genre

Seitdem Fenoglios Roman erschienen ist, hat es viele existenzialistische Auseinandersetzungen mit dem Widerstandskampf gegeben. Das Genre des Partisanenfilms war insbesondere in den Jahren während des Zweiten Weltkriegs beziehungsweise unmittelbar danach von propagandistischen Aufgaben beseelt; im jugoslawischen und sowjetischen Kontext diente es später auch dem Zweck der Identitätsbildung; doch in späteren Filmen des Genres gab es auch zweifelhafte und verlorene Menschen im Widerstand; man denke nur an Michel Piccolis undurchschaubare Rolle in „Ein Mann zuvielvon Constantin Costa-Gavras.

Trotzdem ist diese wortwörtliche „private Angelegenheit“ bei genauerer Überlegung ein Affront. Denn einen persönlichen Argwohn, eine Liebelei gegen die so bedeutsame Aufgabe der Partisanen zu stellen, hat es in sich. „Eine private Angelegenheit“ fragt, um was es geht im Leben, und vor allem, warum wir handeln. Dass sich der Film nicht wie sein Protagonist im Nebel verirrt, ist letztlich vor allem dem Hauptdarsteller Luca Marinelli zu verdanken, der wie kaum ein Zweiter die gleichzeitige Ausstrahlung eines fatal verliebten Poeten und eines starken Kämpfers miteinander verbindet.

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