M'entends-tu?
Serie | Kanada 2018 | 230 (10 Folgen, Staffel 1) 230 (10 Folgen, Staffel 2) Minuten
Regie: Miryam Bouchard
Filmdaten
- Originaltitel
- M'ENTENDS-TU?
- Produktionsland
- Kanada
- Produktionsjahr
- 2018
- Produktionsfirma
- TeleQuebec
- Regie
- Miryam Bouchard · Charles-Olivier Michaud
- Buch
- Florence Longpré · Pascale Renaud-Hébert · Nicolas Michon
- Kamera
- Philippe Roy
- Musik
- Tim Rideout
- Schnitt
- Justin Lachance
- Darsteller
- Florence Longpré (Ada) · Ève Landry (Carolanne) · Mélissa Bédard (Fabiola) · Mehdi Bousaidan (Nassim) · Sophie Desmarais (Amélie)
- Länge
- 230 (10 Folgen, Staffel 1) 230 (10 Folgen, Staffel 2) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Serie | Tragikomödie
Humorvoll-leichtfüßige und lebensbejahende Serie über drei befreundete Kanadierinnen über Dreißig und aus schwierigen sozialen Verhältnissen, die sich gegen die Probleme behaupten, die ihnen in durch Gewalt, Ausbeutung oder defizitäre Familienstrukturen erwachsen.
„Kannst du mich hören?“, fragt der Serien-Titel „M’entends-tu?“ aus der Feder von Schauspielerin Florence Longpré. „Schnauze!“, plärrt ein Zeichentrick-Mann noch während des animierten, pastellfarbenen Vorspanns aus einem kleinen Fenster am Bildrand zurück. Zehn jeweils 25-minütige Episoden folgen den drei Freundinnen Ada (gespielt von Longpré selbst), Fabi und Caro. Dennoch die Serie, die es nach ihrer Ausstrahlung auf Télé-Québec nun zu Netflix geschafft hat, trotz ihrer Kürze und ihrem humorvollen Anstrich keine leichte Kost. Die drei Frauen in ihren Dreißigern, die sich hier Gehör verschaffen wollen, entstammen sogenannten „sozial schwachen Verhältnissen“, also aus einem Milieu, dessen Sorgen die Öffentlichkeit gerne überhört und dessen Elend sie übersieht, damit auch geflissentlich übergangen werden kann, Abhilfe zu schaffen.
Schwebende Balance zwischen Humor und Drama
Im französischen Verb für „hören“ schwingt auch „verstehen“ mit – und so strotzt schon die erste Szene nur so vor Missverständnissen. Da sitzt Ada mit langer blonder Mähne und knappem kariertem Rock vor ihrer Therapeutin und beginnt heimlich im Kopf ihre jüngsten aggressiven Ausfälle zu wälzen. Gerade noch hat Ada aus Protest gegen die aufgebrummten Therapiestunden in den hinter ihr stehenden Drachenbaum-Topf uriniert. Später wird sie zusammen mit Fabi und Caro an Straßenkreuzungen und Kinderspielplätzen ihre nicht immer jugendfreien Songs intonieren.
Was bei Ada die Aggression und ein gewisser Hang zur Vulgarität sind, ist bei der burschikosen Caro erlittenes Unrecht, das ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Beides montiert „M’entends-tu“ wie kurze Erinnerungsblitze in die Handlung. Fabi dagegen arbeitet als Managerin im Burrito-Laden und lässt sich vom attraktiven Mitarbeiter gegen ein bisschen Zärtlichkeit das Dope ihrer drogenabhängigen Schwester abschwätzen. Sie ist das gutmütige Herz des Trios, sieht sich durch ihre schwarze Hautfarbe und ihre füllige Figur aber immer wieder rassistischen Übergriffen gänzlich fremder Passanten ausgesetzt.
Die Gefahr, jahrelang erlittenes Unrecht selbst irgendwann zu wiederholen, bahnt sich an. Erzählt wird dieser verhängnisvolle Umstand allerdings keineswegs unheilvoll, sondern vielmehr mit witzigen Einsprengseln und geheimniskrämerischer Attitüde. Was Caro, die in der Mitte der Serie verzweifelt auf einen Schwangerschaftstest starrt, im Stillen umtreibt, wird nur allmählich in den Flashback-Happen ihrer Erinnerung enthüllt.
Es ist eine feine, schwer zu wahrende Balance, mit der Regisseurin Miryam Bouchard und die Autorin Florence Longpré die Serienerzählungen erstaunlich leichtfüßig vorantreiben. Immer ein wenig abstruser, als man es der Realität eigentlich zutraut. Aber nie so abgefahren, dass die Produktion ihren Bezug zur Realität verlieren würde.
Die Gefahr, Fehler der Elterngeneration zu wiederholen
Diese Realität wirkt sich dank der (vermeintlich?) unverbrüchlichen Freundschaft nicht so düster aus, wie es die im Scheitern begriffenen Lebensträume und Partnerschaften der Frauen eigentlich nahelegen. Was allerdings an allen nagt, ist das Generationen-übergreifende Motiv der Vernachlässigung: von Adas Mutter über Caros Vater bis hin zur kleinen Nichte von Fabi. Die eigentlichen Gegner dieser Frauen sind Drogen und Alkohol, was in (auch psychischer) Gewalt mündet, ausgeführt von Eltern, Partnern und Menschen in Machtpositionen. Das betrifft auch Adas Gelegenheitsprostitution, dank der sie zu Beginn noch fröhlich eine Burrito-Runde nach der anderen schmeißt. Und doch wird irgendwann klar, wie unbedacht sich die junge Frau eindeutigen Erpressungs- und Ausbeutungsstrukturen aussetzt – und dabei das Leben ihrer Mutter wiederholt.
Das sind die „schwierigen Verhältnisse“, in die der Staat, wie im Fall von Adas Therapiestunden, einzugreifen versucht. Heraushieven kann man sich letztlich aber nur gemeinsam. Genauso wahr wie die Probleme der drei Frauen sind nämlich auch ihre tiefe Verbundenheit, ihre Erfindungsgabe und ihre Lebendigkeit. In „M’entends-tu“ leuchten (wie im Vorspann) vor allem die narrativen Zwischentöne, die Grau- und Pastelltöne des Lebens auf. Es geht um die lebenswerte Existenz zwischen den tragischen Einschlägen. Da stört es auch wenig, dass die Antagonisten der drei Frauen eher in einer vereinfachten Schwarz-Weiß-Zeichnung verbleiben. „Hörst du mich?“, scheinen diese Figuren ständig zu fragen – und langsam fängt man an, sie auch zu verstehen.