Til Schweiger als Pfarrer: Ausgerechnet! Das ist natürlich ein Coup. Allerdings ist der für seine Macho- und Actionfiguren bekannte Schauspieler hier nicht auf der Kanzel zu sehen, sondern als Privatperson, als gebeutelter Vater eines todkranken Mädchens. Die Besetzung funktioniert erstaunlich gut, auch wenn man nie ganz vergisst, wer diesen Seelsorger namens Frank Pape spielt; dafür ist die öffentliche Persona Til Schweiger zu präsent – und sein schauspielerisches Auftreten zu speziell. Nichtsdestotrotz: Es passt. Wie überhaupt ziemlich viel passt an diesem Film zum Thema „Todkranker Mensch feiert das Leben“.
Dass die Handlung „von einer wahren Geschichte inspiriert“ ist und das Drehbuch nach dem gleichnamigen biografischen Buch des echten Frank Pape entstanden ist, merkt man der Tragikomödie von Regisseur André Erkau nicht an. Ein gutes Zeichen. Der Film funktioniert ganz ohne die (vermeintliche) Beglaubigung durch die Realität. Er überzeugt als eigenständiges Kunstwerk, ohne seine Inspiration durch eine tragisch früh beendete Lebensgeschichte zu negieren.
Ein spontaner Trip nach Paris
Die Tragikomödie setzt mit dem prallen Leben ein, der feucht-fröhlichen Abschlussfeier eine Realschulklasse, die in einer langen Sommernacht das Leben, die Liebe und das Glück feiert. In den Morgenstunden treiben Steffi und ihre Freund Fabian in einem aufblasbaren Flamingo auf dem See dahin und verabreden ihr „erstes Mal“. Während der bevorstehenden Klassenfahrt nach Paris, die „Stadt der Liebe“, soll „es“ passieren. Doch kurz darauf wird bei der 16-Jährigen ein aggressives Bronchialkarzinom entdeckt; eine Heilung ist ausgeschlossen. Lebensprognose: „bis Weihnachten“. Trotz dieser Aussichten empfiehlt die Ärztin eine Chemotherapie. Die Eltern verbieten die so lange ersehnte Reise. Steffi aber nimmt das spontane Angebot des Zirkusjungen Steve an, sie nach Paris zu bringen. Mit ihm hat sie gerade mal drei oder vier Sätze gewechselt, als die beiden mit dem Pick-up ihres Vaters vom Hof fahren.
Damit beginnt ein veritables Road Movie voller Abenteuer, Verfolgungsjagden und neuer Erkenntnisse über die großen Fragen des Lebens. Und eine wilde Liebesgeschichte zwischen dem melancholisch-einsamen Motorrad-Stuntman aus dem Zirkus und dem lebenslustigen, aber todkranken Mädchen.
Frisch, sympathisch, unsentimental
Die Drehbuchautoren Katja Kittendorf und Tommy Wosch haben auf Grundlage des Buchs von Frank Pape eine fulminante, witzig-lebenskluge Story entwickelt. Die fügt dem Genre des „Bucket-List-Films“, bei dem Todgeweihte angesichts ihres nahen Endes all das tun, was sie sich sonst nicht getraut oder immer auf die lange Bank geschoben haben, womöglich keine neuen Erkenntnisse hinzu, ist aber anrührend, stimmig, flott und auf hohem handwerklichen Niveau erzählt. Mehr kann man kaum erwarten. Mit den Stereotypien der Filmgattung – allein für Deutschland fallen einem sogleich zwei prominente Beispiele ein, „Knockin’ On Heaven’s Door“ und „Der geilste Tag“ – geht der Film gebührend selbstironisch um. So behauptet etwa Steve, nachdem er Steffi an die Nordsee gebracht hat: „Alle Krebskranken wollen ans Meer!“ Schaut man sich die entsprechenden Filme an, hat er zweifellos recht.
„Gott, du kannst ein Arsch sein!“ kommt so frisch und sympathisch daher, dass er trotz der langen Reihe an Vorgängerfilmen kein bisschen abgestanden wirkt. Das liegt am unsentimentalen, einfallsreichen und runden Drehbuch mit stimmigen Figuren, trockenen Dialogen und viel Alltagskomik, am sicheren Gespür für Timing und Rhythmus, der sorgfältig ausgewählten Musik und einer verspielten Zitatfreudigkeit, die ikonische Szenen etwa aus „Titanic“ oder „Thelma & Louise“ aufgreifen. Es liegt aber auch an dem illuster besetzten und spielfreudigen Ensemble: allen voran Sinje Irslinger als lebenshungriger Steffi, die es mit ihrem natürlichen Spiel und ihrem prägnant-kehligen Lachen sicher noch weit bringen wird, sowie Max Hubacher als Steve, der mit einer facettenreichen Darstellung und einem intensiven Blick glänzt. Die Liste derer, die sich um diese beiden gruppieren, ist lang: Heike Makatsch und Til Schweiger als Steffis Eltern, Jasmin Gerat, Benno Fürmann, Inka Friedrich und Jürgen Vogel. Der hinterlässt seinem Sohn Steve einmal eine kurze Nachricht auf der Mailbox: ein paar Sätze, die in ihrer Schnoddrigkeit, ihrem leisen Witz und ihrer gleichzeitigen Tiefe geradezu emblematisch für die Qualitäten dieses Films sind.