Man schreibt das Jahr 1998. Der Anwalt Robert Bilott (Mark Ruffalo) will den aufgebrachten Wilbur (Bill Camp) eigentlich möglichst schnell abwimmeln. Der Bauer aus der Kleinstadt Parkersburg steht mit einer Kiste voller Videokassetten in seiner Kanzlei und behauptet, dass das Massensterben seiner Kühe etwas mit dem dort ansässigen Chemiekonzern DuPont zu tun habe. Obwohl Robert solche Unternehmen normalerweise vertritt und nicht verklagt, macht er eine Ausnahme. Immerhin wohnt seine Mutter ebenfalls in Parkersburg und hat ihn empfohlen. Was mit einer kleinen Gefälligkeit beginnt, führt schließlich zur Aufdeckung eines der größten Umweltskandale in der US-Geschichte.
Ein zurückhaltender Justizkrimi
Bilott hat seine Erfahrungen mittlerweile in einem Buch verarbeitet und für seine Enthüllungen im sogenannten Teflon-Skandal den Alternativen Nobelpreis erhalten. Bis er jedoch etwas gegen den übermächtigen Gegner ausrichten konnte, vergingen fast 20 Jahre. Regisseur Todd Haynes hat aus dieser wahren Begebenheit auf der Grundlage des „New York Times“-Artikels „The Lawyer Who Became DuPont’s Worst Nightmare“ einen zurückhaltend inszenierten Justizkrimi gemacht. Darin droht die Recherche zur reinen Sisyphosarbeit zu werden. Verloren steht Bilott in einem Zimmer voller Kartons, die mit wissenschaftlichen, für Laien kaum entzifferbaren Unterlagen gefüllt sind. Der Konzern hat sie ihm im Glauben überlassen, dass der Anwalt dann freiwillig das Handtuch werfen werde. Doch Bilott stößt in den Papieren immer wieder auf die Bezeichnung PFOA (Perfluoroctansäure) – eine unregistrierte Chemikalie, die hochgradig krebserregend ist und weitaus mehr als nur die Kühe von Bauer Wilbur auf dem Gewissen hat.
Es überrascht zunächst, dass sich ausgerechnet Todd Haynes eines solch geradlinig erzählten „Message Movies“ annimmt. Eigentlich kennt man Haynes eher als Independent-Regisseur von mit reichlich popkulturellen und filmhistorischen Referenzen angereicherten Metafilmen, die ihre eigene Künstlichkeit immer ausstellen. So ließ er in „I’m Not There“ den Musiker Bob Dylan von gleich sechs Schauspielern verkörpern, die unterschiedliche Facetten seiner Persönlichkeit repräsentierten, und in „Dem Himmel so fern“ und „Carol“ versuchte er sich an der Imitation eines 1950er-Jahre-Melodrams im Stil von Douglas Sirk.
Kampf gegen eine unsichtbare Bedrohung
„Vergiftete Wahrheit“ bricht bei genauerem Hinsehen allerdings nur bedingt mit seinen früheren Regiearbeiten. Der Film ist zwar konventioneller ausgefallen, doch es geht darin erneut um einen Außenseiter inmitten einer ihm feindlich gesinnten Welt, die ihre wahre Natur verschleiert. Ähnlich wie in Haynes’ Horrorfilm „Safe“, in dem eine Hausfrau aus der Mittelschicht eine mysteriöse Allergie gegen Alltagschemikalien entwickelt, geht es auch in „Vergiftete Wahrheit“ um eine unsichtbare Bedrohung. Zwar begegnet Bilott Kühen mit Schaum vor dem Mund, Kindern mit schwarzen Zähnen und erstaunlich vielen Bewohnern Parkersburgs, die an Krebs erkrankt sind; doch die genauen Ursachen bleiben zunächst unklar. Dabei vermittelt ein dunkler, grüner Schleier, der über den Bildern des Kameramanns Edward Lachman liegt, dass die ganze Welt kontaminiert ist. Tatsächlich entdeckt Bilott, dass das PFOA nicht nur die Fabrikarbeiter bei der Teflon-Produktion krank gemacht hat und sich im Trinkwasser der Kleinstadt befindet, sondern in Form von Pfannen und Teppichen längst in Millionen von Haushalten zu finden ist.
So spektakulär der reale Rechtsstreit, der in einer Sammelklage endete, auch war: Haynes macht daraus keinen klassischen Hollywood-Stoff, sondern bleibt seinem bedächtigen Realismus konsequent verpflichtet. Manchmal hätte „Vergiftete Wahrheit“ vielleicht etwas stärker verdichtet oder emotionaler ausfallen können, doch erst die behutsame Erzählweise offenbart, wie zermürbend die Arbeit ist, die Bilotts Leben immer stärker bestimmt, seine Ehe gefährdet und ihn sogar krank macht. Bereits zu Beginn sitzt er gekrümmt und leicht in sich gekehrt am Konferenztisch; wie ein Nerd, der weniger am sozialen Miteinander als daran interessiert ist, seinen Job anständig zu machen.
Der Kampf um Gerechtigkeit
Am Ende hat sich die Erschöpfung vollends ins Spiel von Mark Ruffalo eingeschrieben. Robert Bilott wirkt dann wie ein gebrochener, gesellschaftlich isolierter Mann. Ein Bild, mit dem Haynes verdeutlicht, dass der Kampf um Gerechtigkeit keine leicht von der Hand gehende heroische Leistung ist, sondern eine Körper wie Geist ruinierende Anstrengung.