Drama | Slowakei/Rumänien/Tschechien/Irland 2019 | 80 Minuten

Regie: Ivan Ostrochovský

In der Tschechoslowakei der 1980er treten zwei junge Männer in ein Priesterseminar ein und werden Freunde. In der Ausbildungsstätte hat sich die Leitung mit dem kommunistischen Regime arrangiert und kooperiert, um Repressionen für die Schule und die Kirche zu vermeiden. Doch einige der Studenten sehen das als nicht vereinbar mit ihrem Glauben an. Als eine politisch brisante Notiz in der Schule den Druck auf diese erhöht, die Urheber zu ermitteln, wird das zur Bewährungsprobe auch für die Freundschaft der jungen Männer. Ein dichtes, in Schwarz-weiß inszeniertes Noir-Drama, das suggestiv eine Atmosphäre der ständigen Belauerung und Unsicherheit einfängt. Durch differenziert gezeichnete Figuren überzeugt es als Zeitbild ebenso wie als Drama eines Gewissenskonflikts. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SLUZOBNÍCI
Produktionsland
Slowakei/Rumänien/Tschechien/Irland
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Punkchart films
Regie
Ivan Ostrochovský
Buch
Marek Leščák · Ivan Ostrochovský · Rebecca Lenkiewicz
Kamera
Juraj Chlpík
Musik
Miroslav Tóth · Cristian Lolea
Schnitt
Jan Daňhel · Martin Malo · Maroš Šlapeta
Darsteller
Samuel Skyva (Juraj) · Samuel Polakovič (Michal) · Vlad Ivanov (Doktor Ivan) · Vladimír Strnisko (Dekan) · Milan Mikulčík (Geistlicher)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Ein Drama mit Film-noir-Stimmung: In der Tschechoslowakei der 1980er geraten zwei Priesteramtskandidaten in einen Gewissenskonflikt zwischen religiöser Prinzipientreue und der Anpassung ans kommunistische Regime.

Diskussion

Funksprüche mit codierten Sätzen durchkreuzen die pechschwarze Dunkelheit. Ein Auto fährt durch die Nacht und hält bei einer Eisenbahnbrücke, aus dem geöffneten Kofferraum wird ein lebloser Körper gehoben. Szenenwechsel: Ein Mann säubert sorgfältig seine Schuhe, versorgt eine Verletzung und streicht sich prüfend über das glattrasierte Gesicht, bevor er einen unscheinbaren Flur betritt, wie er sich in Verwaltungsgebäuden findet. Mit diesen rätselhaften Fragmenten beginnt der slowakische Regisseur Ivan Ostrochovský seinen dritten Spielfilm „Služobníci“ (Servants), der bei der „Berlinale“ 2020 in der „Encounters“-Sektion Premiere feierte und zu den insgesamt bislang größten Entdeckungen des Jahrgangs gehört. Schon die ersten Szenen verstricken mit ihren gestochen scharfen Schwarz-weiß-Bildern, einem dunkel dräuenden Sound-Design und harten Hell-Dunkel-Kontrasten tief in die Atmosphäre des Misstrauens und der Belauerung, die in der Tschechoslowakei in den 1980er-Jahren vorherrschen.

Dem Staat oder Gott dienen?

Nachdem der Film 143 Tage vor die Ereignisse seines Anfangs zurückgesprungen ist, zeigt er die „Diener“, auf die der Titel anspielt: Junge Männer aus der Tschechoslowakei, die zu Beginn der 1980er-Jahre eine Ausbildung in einem katholischen Priesterseminar anstreben. Vor dem gesamten Kollegium und den Mitstudenten erwartet sie zunächst eine Ansprache des Dekans, der sie vor Uneinigkeit warnt: „Letztes Jahr sind einige Kameraden vom rechten Weg abgekommen.“ Der rechte Weg, das ist für den Schulleiter in erster Linie die Kollaboration mit dem kommunistischen Regime, wie sie die Priestervereinigung Pacem in Terris praktiziert, um ihre Schulen und Kirchen behalten zu können und nicht mehr der Drangsalierung durch die staatlichen Schergen ausgesetzt zu werden, an die sich die älteren Pater noch mit Schrecken erinnern. Für die jungen Seminaristen bedeutet dies jedoch vom Start weg die Konfrontation mit der entscheidenden Gewissensfrage: Dienen sie dem Staat oder dienen sie Gott?

Die historischen Umstände werden über wenige Bilder und einen Sendungsausschnitt des westlichen Senders Radio Free Europe vermittelt, den auch einige der Pater verbotenerweise hören. Doch ist „Služobníci“ kein geradliniges Geschichtsdrama, und auch die theologische Ausbildung spielt nur in Ausschnitten eine Rolle. Ostrochovský konzentriert sich zunächst auf die einfühlsam dargestellte Freundschaftsgeschichte von zwei der Priesteranwärter, Juraj und Michal, die sich trotz der durchgetakteten Tagesordnung hin und wieder zurückziehen, um Akkordeon zu spielen oder auf dem Dachboden eine Zigarette zu rauchen.

Eine regimekritische Notiz wird zur Bewährungsprobe 

Zur Bewährungsprobe der Freundschaft wird ein Zettel, der eines Tages am Schwarzen Brett hängt und die Schulleitung in Aufruhr versetzt. Der Inhalt ist höchst regimekritisch, erinnert der Schreiber doch daran, dass der Vatikan erklärt habe, ein wahrer Christ könne und dürfe sich keiner staatlichen Ideologie verschreiben. Für den Dekan und die ihm übergeordnete staatliche Abteilung ist der Fall klar: Unter den Priesterschülern sitzen Anhänger der Untergrund-Kirche, die mit dem Papst und westlichen Medien Kontakt unterhält; diese Schüler gilt es zu finden und kaltzustellen.

Bald fällt der Verdacht auch auf Juraj, den etwas Forscheren der beiden Protagonisten, der auch tatsächlich mit anderen Seminaristen den Widerstand in Form von abgeschriebenen und verteilten regimekritischen Botschaften übt. Michal ist dagegen erst ahnungslos und merkt nur, wie sich sein enger Freund vor ihm zurückzieht; erst nachdem bereits ein bekannter Papst-Anhänger ermordet worden ist und die ersten Schüler, darunter auch Juraj, mit perfiden Methoden zu Aussagen getrieben werden sollen, wird auch Michal allmählich in den Widerstand gegen die regimetreuen Pater hineingezogen wird.

Eine Atmosphäre wie im Film noir

Ostrochovský findet in den Szenen im Seminar für das Misstrauen und die Bespitzelung auf der einen Seite und die Bekundung von Freundschaft und Solidarität intensive Szenen, die vor allem durch die stilvolle Gestaltung des Films ihre Wucht entfalten: Die weißen Hemden und schwarzen Soutanen der Kirchenmänner unterstreichen die Schwarz-weiß-Kontraste, die Gesichter wirken wie aus Marmor herausgemeißelt, Schatten und Spiegelungen steigern die bedrückende Stimmung, hinzu kommt ein aus düsteren, atonalen Tonfolgen aufgebautes Sound-Design. Damit vollzieht das Drama auch rasch den Übergang zu einer Atmosphäre wie im Film noir, in der sich die Schlinge um die Regimegegner immer enger zuzieht.

So anrührend die beiden Hauptfiguren in ihren Zweifeln an sich selbst, dem anderen und den sie bedrängenden Systemen von den jungen Darstellern Samuel Skyva und Samuel Polakovic gespielt werden, zeichnet Ostrochovský ihre Verfolger nicht weniger komplex: Der Dekan (Vladimir Strnisko) sieht nur in der Unterwerfung die Chance, seine Schule zu erhalten, einer der kollaborierenden Pater (Milan Mikulčík), der in der Beichte erfahrene Geheimnisse weitergeben soll, wird von Reue über eine alte Schuld zerfressen.

Die Auflösung des Regimes deutet sich schon an

Selbst der Vertreter der kirchlichen Hierarchie, obwohl kaltblütig, im Zweifel auch zum Mord bereit und von dem brillanten rumänischen Darsteller Vlad Ivanov gespielt, der vergleichbare brutal-kompromisslose Verkörperungen unmenschlicher Systeme in Filmen wie „Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage“ oder „Police, adjective“ perfektioniert hat, ist kein stereotyper Schurke. Die Last seiner Verbrechen dringt vom Inneren nach außen und manifestiert sich in Schlaflosigkeit, chronischem Ausschlag und Hautkrankheiten, subtil nimmt diese körperliche Auflösung auch vorweg, dass das repressive System binnen kurzem dasselbe Schicksal ereilen wird. Noch bestechender als diese Zwiespalte ist freilich das Ringen der jungen Hauptfiguren um ihre Entscheidung: Über die konkreten historischen Umstände hinaus, ist „Služobníci“ letztlich ein ins Allgemeingültige reichender Weckruf, dass ethische Grundprinzipien und unterdrückende Strukturen niemals miteinander vereinbar sind.

Kommentar verfassen

Kommentieren