Der Roman „Narziss und Goldmund“ (1930) ist neben „Steppenwolf“ und „Das Glasperlenspiel“ eines der bekanntesten Bücher von Hermann Hesse. Darüber hinaus trug es in den 1960er-Jahren wesentlich zur Hesse-Renaissance in Deutschland bei. Die Literaturkritiker hingegen waren gespalten. Die einen verurteilten den Roman als kitschig und naiv-romantisch, die anderen lobten ihn wegen seines Stils und seiner Poesie. „Eine in ihrer Reinheit und Interessantheit durchaus einzigartige Romandichtung“, wird Thomas Mann auf dem Umschlag des violetten Suhrkamp-Taschenbuchs zitiert. 90 Jahre nach Drucklegung des Werks erscheint die erste Verfilmung des Romans, inszeniert von dem österreichischen Regisseur Stefan Ruzowitzky.
Wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten
Die Adaption beginnt ein wenig ruppig: Goldmund (Jannis Niewöhner) wird von seinem wütenden Vater vor dem mittelalterlichen Kloster Mariabronn abgeliefert. Der Bub soll Mönch werden, nicht zuletzt, um die angeblichen Sünden seiner Mutter zu büßen. Im Kloster lernt Goldmund bald Narziss (Sabin Tambrea) kennen. Zwei junge Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: lebensfroh und unbeschwert der eine, tiefreligiös und hochsensibel der andere. Trotzdem freunden sie sich an. Goldmund reibt sich mit seiner rastlosen Abenteuerlust an der strengen Klosterordnung. Darum rät ihm der lebenskluge Narziss, Mariabronn zu verlassen.
Goldmund geht auf Wanderschaft. Er lernt die Frauen kennen und das Leben. Er beginnt eine Lehre bei dem Bildhauer Niklaus (Uwe Ochsenknecht) und gestaltet eine Reihe von Figuren, die unmittelbar mit seinem Leben zu tun haben. Doch das Angebot, die Werkstatt zu übernehmen und die Tochter des Meisters zu heiraten, lehnt er ab. Sesshaftigkeit ist nicht seine Sache. Goldmund zieht weiter. Er erlebt Jahre voller Glück und Freiheit, aber auch Elend und Krieg, die Pest und den Tod. Dann lernt er Lene (Henriette Confurius) kennen, seine große Liebe. Als sie an der Pest stirbt, kehrt der junge Mann verbittert in die Residenzstadt zurück. Und trifft, nach Jahren des Umherirrens, Narziss wieder.
Die Erziehung des Herzens
Ruzowitzky folgt im Wesentlichen dem Buch von Hermann Hesse, das als Bildungsroman angelegt ist. Goldmund macht eine „Erziehung des Herzens“ durch: Aufbruch aus dem Kloster, Lehre bei Meister Niklaus, dann die Faszination der Erotik und die Schrecken des Todes – bis hin zum künstlerischen Ausdruck, der eine Verarbeitung dieser Erlebnisse gestattet. Die Abwesenheit der Mutter dient darüber hinaus als Motiv für Goldmunds rastlose Suche, für seine ständige Bewegung. Narziss hingegen lebt ein anderes, fast schon gegensätzliches Leben. Der Sinnlichkeit und dem Lebenshunger Goldmunds setzt er eine introvertierte Vergeistigung und die Suche nach Gott entgegen. Narziss und Goldmund sind Antagonisten, die zwei grundverschiedene Möglichkeiten, das Leben zu gestalten, verkörpern.
Ruzowitzky, der zusammen mit Robert Gold auch das Drehbuch geschrieben hat, behält die Polarität von Körper und Geist, die auf Hesse zurückgeht, bei. Der Hauptanteil der Handlung fällt dabei Goldmunds Lebensweg zu, weil hier, im Sinn von Aktion und Attraktion, am meisten „passiert“.
Die Inszenierung legte dabei, unterstützt von der Set-Dekorateurin Barbora Bucharova und der Kostüm-Designerin Nicole Fischnaller, besondere Mühe und Sorgfalt darauf, das Mittelalter und seine Lebensumstände glaubwürdig zu gestalten. Auch die Darsteller überzeugen: Jannis Niewöhner findet die richtige Balance zwischen Getriebenheit und Lebensfreude, Sabin Tambrea arbeitet die Introvertiertheit seiner weisen, zutiefst gläubigen Figur heraus.
Liebesglück in der Natur
Manches ist zu pathetisch und kitschig geraten, etwa der aufdringliche Einsatz der Musik oder Szenen in der Natur, die das Liebesglück zwischen Goldmund und Lene zu sichern scheint. Dann aber ist Ruzowitzkys Inszenierung wieder schlüssig und packend. Fast hat man den Eindruck, als schlüge sich die Polarität der Figurenzeichnung auch in der Inszenierung nieder.