Science-Fiction | Dänemark 2019 | 118 Minuten

Regie: Ulaa Salim

In einem Dänemark der nahen Zukunft erstarkt nach einem Terroranschlag eine rechtspopulistische Bewegung, unterstützt von einer gewalttätigen Neo-Nazi-Gruppierung. Zwei muslimische Dänen beobachten die Entwicklung mit Sorge und ziehen daraus unterschiedliche Konsequenzen: Ein orientierungsloser junger Mann schließt sich einer islamistischen Gruppe an und ein Polizist und Familienvater ermittelt gegen die „Söhne Dänemarks“. Der Film beschreibt fesselnd die Geschichte einer um sich greifenden Radikalisierung, beschränkt sich dabei allerdings aufs subjektive Erleben seiner Figuren, sodass der Film mehr als intensiver Paranoia-Thriller denn als politische Einlassung funktioniert. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DANMARKS SØNNER
Produktionsland
Dänemark
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Hyæne Film
Regie
Ulaa Salim
Buch
Ulaa Salim
Kamera
Eddie Klint
Schnitt
Jenna Mangulad
Darsteller
Zaki Youssef (Ali) · Mohammed Ismail Mohammed (Zakaria) · Imad Abul-Foul (Hassan) · Rasmus Bjerg (Martin Nordahl) · Morten Holst (Tobias)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Science-Fiction | Thriller
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Heimkino

Verleih DVD
Koch (16:9, 2.35:1, DD5.1 dän./dt.)
Verleih Blu-ray
Koch (16:9, 2.35:1, dts-HDMA dän./dt.)
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Ein Paranoia-Thriller um den Aufstieg des Rechtspopulismus: In einem Dänemark der nahen Zukunft beobachten zwei Männer mit Migrationshintergrund besorgt das Erstarken einer rechten Bewegung.

Diskussion

Bemerkenswert an Ulaa Salims Polit-Thriller „Sons of Denmark – Bruderschaft des Terrors“ ist die vollständige Abwesenheit von Politik. Erzählt wird von dem Aufstieg eines Ethno-Nationalisten mit dem Namen Martin Nordahl, gespielt von Rasmus Bjerg. Mit seiner Partei „Nationale Bewegung“ will er die Macht im Dänemark des Jahres 2025 ergreifen. Eine nahes Zukunftsszenario, das eigentlich die Gegenwart meint, aber den Ereignissen noch ein kleines Zeitpolster zugesteht. Eine rechte Regierung im progressiven Legoland, Vorzeigeexemplar des nordischen Modells und sozialdemokratische Hochburg, bahnt sich an. Eine radikale Umschichtung der bestehenden Verhältnisse. Doch es ist ein Wahlkampf ohne Kampf, ohne Konkurrenten und politischen Widerstreit. Es scheint keine anderen Parteien und auch keine Regierung zu geben, zumindest kommen sie nicht vor. Nur Nordahl, sein Gesicht auf Plakaten und aus Radio- und Fernsehgeräten.

Die nationale Bewegung verbreitet sich unaufhaltsam

Unterstützt von der gewalttätigen Neo-Nazi-Gruppierung mit dem Namen „Söhne Dänemarks“ verbreitet sich die „Nationale Bewegung“ im Land wie ein Gas oder ein zorniger Geist. Unaufhaltsam, gleichzeitig omnipräsent und doch erst an den Folgen erkennbar. Beschworen wird Nordahl durch einen Bombenanschlag in Kopenhagen. Nur ein einziger Schnitt verbindet die Explosion und ein Fernsehinterview, in dem er die Vorzüge seiner neugegründeten Partei anpreist. Das ist der Schrecken des Films: die Unausweichlichkeit, mit der sich das alles vollzieht.

Doch der Parteigründer ist nicht die Hauptfigur. Ins Zentrum stellt der Regisseur zwei Menschen, die von der „Nationalen Bewegung“ ganz zweifellos nicht als „echte“ Dänen definiert werden dürften. Der junge Zakaria (Mohammed Ismail Mohammed) hat früh seinen Vater verloren und streift orientierungslos durchs Leben. Es gibt keinen großen, alles verschlingenden Schmerz in seinem Leben, nur ein Gefühl von Leere. Eine brüchige Identität, die sich erst in Reaktion auf einen äußeren Feind klar formt. Die neue männliche Autoritätsperson in seinem Leben wird Hassan (Imad Abul-Foul), der zu seiner Radikalisierung beiträgt und ihn letztendlich darauf vorbereitet, einen Anschlag auf Nordahl zu verüben.

Assimilation hilft wenig, wo sich radikalisierte Fronten auftun

Dabei kommt er auch mit dem verdeckten Ermittler und Familienvater Malik (Zaki Youssef) in Kontakt, der nach einem langen Einsatz in der islamistischen Szene nun auf die „Söhne Dänemarks“ angesetzt wird. In Sequenzen, die entfernt an Coppolas „Der Dialog“ erinnern, arbeitet dieser sich durch endlose Aufnahmen von internen Gesprächen der Gruppe. Seine Ängste werden immer massiver, auch seine Kollegen erscheinen ihm zunehmend feindselig. Er ist gut integriert, ein Vorzeige-Däne, selbst Nordahl erkennt ihn bei einem Treffen als „einen von den Guten“. Doch wo es hart auf hart kommt, helfen ihm Integration und selbst Assimilation wenig.

Es ist eine Geschichte von zwei Radikalisierungen. Zwei Menschen werden von der Zivilgesellschaft alleingelassen und reagieren auf das Gefühl von Unsicherheit mit der Flucht nach vorne. Rechter Populismus ohne linken Gegenpol fegt liberale Verwaltungstechnokratie mühelos fort. „Wir sprechen eine Sprache, die der Wähler versteht“, erwidert Nordahl auf die Frage nach dem Geheimnis seines Erfolgs. Die Medien zweifeln und beschreiben allzu zaghaft, vor allem aber geben sie eine Bühne, noch für die trivialste Home Story. In einer Szene sitzt Malik des Abends mit seiner Ehefrau vor dem Fernsehapparat. In einer Art Satire-Sendung konfrontiert der Moderator den rechten Kandidaten mit ungünstigen Kinderfotos. Und seine Frau sei ja auch Halb-Norwegerin, dürfe die denn noch ins Land? Man übt ästhetische und symbolische Kritik, wo doch eine politische nötig gewesen wäre. Malik sitzt fassungslos auf dem Sofa, er kann und will nicht in den hilflosen Spott einstimmen.

Das Politische weicht der Paranoia

Nun glänzt auch der Film selbst nicht unbedingt mit einem umfassenden und analytischen Blick. Er ist oft wie das schwarzmalerische Spiegelbild dieser fiktiven Fernsehsendung. Die Frage, ob das Politische der Geschichte von den Figuren oder dem Filmemacher selbst verdrängt wird, lässt sich nicht abschließend beantworten. Wozu einen derartigen Stoff ins Subjektive drängen, wozu sich hinter den Figuren und ihrer Wahrnehmung verschanzen? Für ein Figuren-Porträt oder eine Milieustudie bleiben die Charaktere zu vage und der Plot zu übermächtig. Immerzu zieht es die Kamera in Privaträume und zu Familien, in etwas kompliziertere Home Storys. Die Bilder behaupten unentwegt ihren eigenen Naturalismus. Zakaria rangelt mit seinem kleinen Bruder und erduldet die zornig-sorgenvollen Tiraden seiner Mutter. Alles ein wenig klischiert, wie aus einem „Spiegel-TV“-Beitrag zum selben Thema. Der Film erzeugt bewusst ein Gefühl von Enge, die Kamera drängt zu den Figuren, denen die Welt entgleitet. So entsteht ein Gefühl für Zakarias Ausweglosigkeit und Maliks Paranoia. Niemand ist mit Überblick gesegnet, oft versinkt alles abseits von Körpern und Gesichtern in Unschärfe.

Letztendlich gerät die Bildsprache auch ein wenig einfältig. Die Laufwege der Darsteller werden betont, sie dienen als visuelle Entsprechung von Gedankenprozessen, die zum Ziel, also zu einer Erkenntnis führen. Diese in ähnlicher Form wiederholte Einstellung soll wohl Parallelen aufzeigen zwischen den ähnlich gefilmten Figuren. Doch das Gleichstellen von etwa zwei verschiedenen Anschlägen verdeutlicht nur die strenge Mechanik des Drehbuchs, statt etwas Neues hervorzubringen, sei es ein Bild oder eine Erkenntnis.

Gewalt erzeugt Gegengewalt, im Kino erzeugt ein Schuss einen Gegenschuss

Glückliche Familienmomente sind immer in gleißendes Licht getaucht, das die Figuren überstrahlt und zu idyllischen Einheiten verschmelzen lässt. Solche Augenblicke werden bald selten. Mit jeder Szene versenkt sich „Sons of Denmark“ mehr in seiner eigenen Dunkelheit. Die Sonne geht unter, die Schatten wachsen, die Plot-Zahnräder drehen so erwartbar wie unabänderlich alles in Richtung Untergang. Jede Charakterentwicklung wird mit zunehmend groteskeren Schicksalsschlägen untermauert. Der Film scheint sich selbst nicht zu glauben, manchmal wirkt alles wie ein böser Traum.

In größtmöglicher Drastik wird vor der Bedrohung von rechts gewarnt, auch die Gefahren des Islamismus werden beschworen. Eulen nach Athen, denn welches Publikum sollte dem wirklich widersprechen? Gerade in ihrer Barbarei werden die verschiedenen Terrorgruppen zu mystischen Naturgewalten verklärt. Gewalt erzeugt Gegengewalt, im Kino erzeugt ein Schuss einen Gegenschuss. Das ist so klar wie die Tatsache, dass jeder Mörder ein Mensch war und wohl auch in und durch seine Taten weiter einer ist. So bleiben vor allem Einzelbilder, die klüger sind als der Film selbst: Zakarias Kopf, direkt vor einem Lagerfeuer, wie von bösen Gedanken in Flammen gesetzt. Sein Körper über kaltem Wasser, zum Sprung angespannt.

Am eindringlichsten sind die vielen Schreie, die man nie zu hören bekommt. Ein ums andere Mal werden sie vom Soundtrack erstickt. In der traurigsten und dramatischsten Szene des Films, kurz vor seinem Ende, verschwinden selbst diese dissonanten Klänge und lassen nur eine gespenstische Stille. Ein Mund wird verzweifelt aufgerissen, doch kein Ton dringt durch. „Sons of Denmark“ will sprachlos machen, letztendlich auch sich selbst.

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