Romy und ihre Oma sind alles andere als Freundinnen. Eigentlich kennen sie sich kaum, auch wenn sie nur ein paar hundert Meter entfernt voneinander in einer niederländischen Kleinstadt wohnen. Doch seit Romys Mutter mehr arbeitet, muss Oma Stine als Babysitterin herhalten, und das, obwohl sie schon mit ihrem Friseursalon alle Hände voll zu tun hat. Sie ist keineswegs der Typ „verständnisvolle Großmutter“ – im Gegenteil. Romy kommt mit Stines energischer Art überhaupt nicht zurecht. Sie versucht beinahe alles, um sich davor zu drücken, jeden Tag nach der Schule in den Salon zu gehen. Mit der Zeit bessert sich das Verhältnis der beiden, doch erst als Stine entdeckt, dass Romy ihr sogar bei der Arbeit helfen kann, freunden sich die Oma und ihre Enkelin richtig an.
Romys Unterstützung ist bitter nötig, denn Stine wird immer vergesslicher und ihr Verhalten immer merkwürdiger: So spricht sie plötzlich in ihrer Muttersprache Dänisch, sie verlegt alles Mögliche, sogar Geld, und sie vernachlässigt ihr Äußeres. Glücklicherweise erweist sich Romy als sehr hilfsbereit und verständig. Bald kann sie mit Föhn und Lockenwicklern umgehen wie eine gelernte Friseurin, sie geht ans Telefon und macht Termine, sie kümmert sich um die Abrechnung und ist immer da, wenn Stine Beistand braucht. So werden die beiden zu Verbündeten und es gelingt ihnen mit vereinten Kräften, Stines Ausfälle vor anderen zu verbergen. Doch Stines Zustand verschlechtert sich rapide. Nach einem Feuer, das sie selbst verursacht hat und das glücklicherweise schnell gelöscht werden kann, muss sie ihren Salon aufgeben und zieht in ein Heim für Demenzkranke, wo es ihr nicht gutgeht. Romy beschließt kurzerhand, Oma Stine zu entführen und ihr einen großen Traum zu erfüllen: die Reise zurück in die Kindheit, nach Dänemark.
Ohne Rührseligkeit und Zuckerguss
Die niederländische Autorin Tamara Bos erzählt sowohl den Roman „Romys Salon“ als auch den Film, für den sie selbst das Drehbuch schrieb, konsequent aus Sicht des Kindes als realistische Alltagsgeschichte. Anders als der thematisch verwandte Film „Honig im Kopf“ kommen die Regisseurin Mischa Kamp und ihre Autorin ganz ohne Rührseligkeit und Zuckerguss aus. Stattdessen setzen sie auf Leichtigkeit und Sensibilität. Auch wenn sich manche Parallelen anbieten: Diese Dramödie arbeitet eher mit Understatement, geht das Problem subtil an und ist dabei genauso komisch und traurig wie das Leben selbst. Auch hier wird die Krankheit für die ganze Familie zur Bewährungsprobe, es gibt Höhen und Tiefen, und es darf viel gelacht werden, ohne dass die Situationskomik zum Slapstick eskaliert und die Dialoge noch einmal durch die Gagmaschine gedreht werden. Dafür sind die Nebengeschichten – unter anderem Romys Eltern und ihre gescheiterte Ehe inklusive diverser Begleiterscheinungen wie der neuen Freundin des Vaters – sehr geschickt und beiläufig in die Handlung eingebettet. So entwickelt sich eine sehr lebensnahe Geschichte, die letztlich vom Optimismus und vom familiären Zusammenhalt in schwierigen Zeiten erzählt, wobei nichts überhöht oder unnötig dramatisiert wird.
Ein Film mit Bodenhaftung also und weniger spektakulär als Til Schweigers Film von 2014, aber dafür deutlich näher an der Wirklichkeit. Die niederländisch-deutsche Produktion kann nicht mit Stars aufwarten, aber wer weiß? Was nicht ist, kann ja noch werden, und die Besetzung, die unter der Regie von Mischa Kamp eine außergewöhnlich gute Ensembleleistung zeigt, bringt alles mit, um mit Vater und Tochter Schweiger, Dieter Hallervorden & Co. mitzuhalten. Zunächst wäre dabei Beppie Melissen als Stine zu nennen: Sie ist zu Beginn eine verständnisvolle, liebenswürdige Friseurin, ein echter Profi in Sachen Kundenberatung, dabei eine elegante Erscheinung, sehr selbstbewusst und taff.
Die Oma versagt zu Beginn
Als Oma hingegen versagt Stine zu Beginn auf beinahe ganzer Linie. Später entfernt sie sich immer schneller von ihrer Persönlichkeit, wird dabei auch kindlicher und freundet sich vielleicht auch deshalb mit Romy an, die sie mit einem neuen Lebensgefühl und neu gewonnener Spontaneität positiv überrascht. All diese unterschiedlichen Facetten spielt Beppie Melissen einerseits zurückgenommen und realistisch, andererseits aber auch mit Sinn für Humor, ohne dass sie dabei mehr auf den Putz haut, als es angemessen erscheint.
Die kleine Vita Heijmen als Romy agiert daneben ungezwungen und natürlich, sie kann eine freche Göre sein, die coole Friseurkollegin, ein überfordertes Kind, aber auch die liebevolle und besorgte Enkelin. Mit dem Verlauf der Krankheit ihrer Großmutter wächst ihre Hilflosigkeit angesichts des deutlich sichtbaren Verfalls. Wie Vita Heijmen all das darstellt, beweist ihr großes Talent, aber auch die Qualität der Regie von Mischa Kamp, die auch die tragischen Momente mit viel Feingefühl inszeniert. Dass die generelle Grundstimmung dabei weitgehend leise und ruhig bleibt, obwohl die Entwicklung durchaus dramatisch ist, macht die Geschichte umso glaubwürdiger und vielleicht noch einen Tick liebenswerter.
So wird auch die unerwartete Wendung – Romy entführt die Oma aus dem Pflegeheim – beinahe realistisch in ihrer Tragikomik. Wenn Romy mit ihrer Oma im Lastwagen nach Dänemark trampt, dann ist das nicht nur ein wagemutiges Abenteuer, sondern für beide die letzte Möglichkeit, noch einmal Zeit miteinander zu verbringen, bevor Stines Geist sich endgültig entfernt.