Schon in den ersten Bildern des Films erschließt sich der Charakter seiner Hauptfigur: Die fünfzigjährige Isabelle jagt durch die Gegend, mit Kleidungsstücken und Medikamenten, die sie einer Wohltätigkeitsorganisation überbringen will. Agnès Jaoui porträtiert sie in atemloser Hast, unentwegt auf den Beinen, mit flatternden Haarsträhnen vorm Gesicht. Doch Isabelle ist nicht auf ihr Äußeres fokussiert, sondern ganz auf die „Sache“. Und die heißt soziales und humanitäres Engagement: den Schwachen und Entrechteten dieser Gesellschaft uneigennützig zu helfen, wo immer es geht. Später wird sich herausstellen, warum das so lebenswichtig für sie ist. Anderen beizustehen bedeutet auch, sich selbst immer wieder beim Schopf zu packen und aus dem Sumpf schlechter Erinnerungen und Erfahrungen zu holen. Es bedeutet auch die Hoffnung auf eine Liebe, die ihr die eigene Mutter nie zu geben vermochte.
Eine Heldin, die ihre Umgebung in emotionale Wechselbäder stürzt
Die Kamera von Pierre Cottereau bleibt Isabelle in dieser Ouvertüre dicht auf der Spur. Die Energie der Figur wird in eine Bewegung übertragen, die den Betrachter mitreißt, aber auch dazu beiträgt, die Ambivalenzen Isabelles physisch erfahrbar zu machen. Sie ist nicht einfach nur eine „gute“ Heldin, sondern durchaus kompliziert. Sie stürzt ihre Umgebung regelmäßig in emotionale Wechselbäder, sei es den um einige Jahre jüngeren Mann, der einst als Flüchtling aus Bosnien nach Frankreich kam, seien es die beiden Kinder, die es nervt, wenn plötzlich wieder einmal Kleidungsstücke und Gegenstände aus der Wohnung verschwinden und, zum Beispiel, in Obdachlosen-Camps landen. Die Zusammenkünfte mit Bruder und Schwägerin, die ein Hotel leiten, enden regelmäßig im Streit, und nur die Großmutter ist für Isabelle so etwas wie ein Ruhepol, an den sie sich anschmiegen kann. Denn der Satz, mit dem sie ihre Schüler begrüßt, beschreibt ziemlich genau das Dilemma ihres Lebens: „Macht mal Pause, ich bin erschöpft.“
Regisseur Gilles Legrand, der gemeinsam mit Léonore Confino das Drehbuch schrieb, entschied sich für das Genre der Tragikomödie mit kräftigen burlesken Zügen. Das Tempo des Films resultiert so vor allem aus den dramaturgischen Volten, der ständigen weiteren Zuspitzung der ohnehin schon vorhandenen Konflikte. Da ist Isabelles bunt zusammengewürfelte Truppe von Sprachschülern, die sie in einem Sozialzentrum unterrichtet: Zuwanderer und analphabetische Franzosen, die es mit der Disziplin nicht so genau nehmen. Da taucht die hochqualifizierte Sprachlehrerin Elke aus Deutschland auf, die von Isabelle als Bedrohung empfunden wird, obwohl sie ihr freundlich und hilfsbereit begegnet. Auch die Idee, die Sprachschüler auf Kosten des Staates zu einer benachbarten Fahrschule zu delegieren, mündet in ungeahnte Turbulenzen. Zudem zeigt sich Isabelles Familie genervt; zusammen mit ihrem Mann findet sich Isabelle vor einer Paartherapeutin wieder, die nun vermitteln soll. Tausend Fäden, die der Film auf leichte und lockere Art ineinander verstrickt.
Ein spielfreudiges Ensemble
Das Drehbuch scheut sich dabei weder vor Elementen des Slapsticks noch vor melodramatischen Intermezzi, etwa bei der Hochzeit des Neffen in Bosnien, in der Isabelles Mann das große Herz seiner Frau endlich erkennen wird. Für die Figur der scheinbaren Konkurrentin Elke stießen die Autoren sogar in die Untiefen der deutschen Seele vor, indem sie Hilfsbereitschaft und Solidarität aus der Nazi-Vergangenheit von Elkes Familie erklärten: Wer Hammler heißt, was unzweideutig an den SS-Führer Heinrich Himmler gemahnt, schleppt eben eine schwere moralische Last auf seinen Schultern mit sich. Die Darsteller sind allesamt mit großem Spaß bei der Sache, da reiben sich tatsächlich Welten, in Worten, Blicken und Gesten. Und wenn Isabelle ihren Schülern ausgerechnet Eric Rohmers Film „Der Baum, der Bürgermeister und die Mediathek“ (1993) zum Sprachstudium empfiehlt, weil die Franzosen dort so schön langsam reden würden, lacht sogar das kundige Cinéasten-Herz.
Dennoch bleibt am Ende, wenn sich der dramaturgische Rahmen der Fahrschulausbildung zur angstvoll erwarteten Prüfung hinneigt, eine gewisse Unzufriedenheit zurück. Denn während der Film seiner Hauptfigur vorher stets eine beträchtliche Fallhöhe zubilligte, wird am Schluss alles zu schnell zu gut. Wären die Zuschauer mit deutlicheren Widerhaken aus dem Kino entlassen worden, hätte aus dem kleinen, guten Film vielleicht ein sehr guter werden können.