Das geheime Leben der Bäume
Dokumentarfilm | Deutschland 2019 | 101 Minuten
Regie: Jörg Adolph
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Constantin Film
- Regie
- Jörg Adolph · Jan Haft
- Buch
- Jörg Adolph
- Kamera
- Daniel Schönauer
- Musik
- Franziska Henke
- Schnitt
- Anja Pohl
- Länge
- 101 Minuten
- Kinostart
- 23.01.2020
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Peter Wohlleben beleuchtet der Film das „Sozialleben“ der Bäume als Lebewesen, die in Kooperation und Kommunikation mit Artgenossen und Umwelt existieren.
Laut Definition im Duden gilt ein Baum schlicht als Holzgewächs mit Stamm, aus dem Äste wachsen, die sich in Laub oder Nadeln tragende Zweige teilen. Ein ganz neues Bild entstand durch ein Sachbuch, das sich 2015 überraschenderweise zum Bestseller entwickelte und von der geteilten Intelligenz und Sensibilität der Bäume handelte, die in der Wissenschaft schon länger diskutiert wird. Peter Wohllebens Beschreibungen des Waldes machten ökologische Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und forderten zugleich die Forstwirtschaft heraus. „Das geheime Leben der Bäume“ wurde in 26 Sprachen übersetzt und erreichte bislang eine Auflage von fast einer halben Million.
Eine Adaption für die große Leinwand gestaltete sich als Herausforderung, die der Regisseur Jörg Adolph („Elternschule“) durch zwei unterschiedliche Zugänge löste, die er in der Verfilmung zusammenbrachte. Kameramann Jan Haft, der für seine herausragenden Naturfilme wie „Das grüne Wunder“ bekannt ist, übernahm den illustrativen Teil der Inszenierung, während Adolph selbst Peter Wohlleben anderthalb Jahre filmisch bei seiner Arbeit begleitet hat.
Die Entscheidung, den passionierten Förster und Autor aus der Eifel unmittelbar mit einzubinden, überträgt das Erfolgsmoment des Buches dabei am stärksten auf die große Leinwand. Wohllebens bodenständige, zugängliche Präsenz trägt dazu bei, dass sich die Begeisterung für sein Thema sofort vermittelt. Seine für Laien verständliche Sprache, die trockenen Humor mit Metaphern verbindet, schafft eine Brücke zwischen der rätselhaften Sphäre des Waldes und den Menschen.
Bäume als soziale Wesen
Allem voran steht die Erkenntnis, dass unsere Umwelt ein komplexes Beziehungsgeflecht bildet und ständig kommuniziert. Die Natur als eine stumme und passive Umgebung aufzufassen, die nur da ist, um dem Menschen Ressourcen bereitzustellen, hat verheerende Konsequenzen, wie der Klimawandel zeigt. Wohlleben macht deutlich, dass dieses Missverständnis eine lange Geschichte hat, in der sich die menschliche Kultur ein wildes und gefährliches Außen gegenübergestellt hat. Doch Darwins „survival of the fittest“ meint ursprünglich nicht das Überleben des Stärksten, sondern des am besten Angepassten. Bäume stehen nicht zufällig zusammen in einem Wald, sie bilden erstaunliche Verbände, versorgen sich über das Wurzelwerk gegenseitig mit Nährstoffen und haben sich dabei sehr wohl im Blick. Umwelt ist Kooperation – die einzigen, die daran immer wieder scheitern, sind die Menschen.
Mit provokativen Vergleichen schafft Wohlleben auch im Film Empathie für die oft wenig zugängliche Pflanzenwelt. Während unsere Ähnlichkeit mit den Tieren offensichtlicher ist, sind es doch gerade die Bäume, die für den Menschen seit Anbeginn den wichtigsten Bezugspunkt bilden. Keine Ressource wurde so viel verwendet wie das Holz, und erwiesenermaßen fördern Bäume das körperliche und seelische Wohlbefinden. Doch ein übermäßiger Verbrauch bringt diese fein abgestimmte Ökologie aus dem Gleichgewicht.
Der Wald ist ein Politikum
„Das geheime Leben der Bäume“ wird immer wieder zu einem überraschenden Politikum, weil er sich gegen die Methoden der Forstwirtschaft richtet und mit den Konsequenzen der Fremdeinwirkungen auf den Wald konfrontiert. Wohlleben hat in seiner Arbeit als Förster festgestellt, dass er mehr zerstört als erhält, wenn er herkömmliche Methoden anwendet. Denn auch wenn die Erkenntnis kränkend ist: Die Natur braucht den Menschen nicht, es ist leider umgekehrt. Dementsprechend muss auch der Wald nicht gerettet oder neu bepflanzt werden, denn seine Regenerationsfähigkeit funktioniert reibungslos, nur nicht in menschlichen Zeithorizonten.
Um diese andere Zeit der Bäume sichtbar zu machen, hat Jan Haft als Kameramann erstaunliche Bilder geschaffen, die mehrere Jahre auf wenige Sekunden beschleunigen. Es wird deutlich, wie viel Kommunikationsprozesse zwischen den scheinbar statischen Gewächsen ablaufen, die durchaus auch über Eigensinn verfügen. Bäume stimmen sich ab, wann sie blühen oder ihr Laub abwerfen, sie empfinden Schmerz und bilden bei Verletzungen hemmende Sekrete, und sie wehren auch gezielt Parasiten und andere Schädlinge ab. Über ein Netz an Pilzen wird der Waldboden für sie zu einem Netz der Informationsübermittlung. Mittels Zeitraffer, Drohnenflügen oder Naheinstellungen setzt Haft dabei die Ökosphäre in Szene.
Solidarität über Ähnlichkeit
Neben diesen eher ruhigen und meditativen Einstellungen bilden die Aufnahmen von Jörg Adolph einen vermittelnden Kontrapunkt. Er zeigt Wohlleben bei dem, was er eben besonders gut kann: Erklären. Man kann danach fragen, ob die ständige Vermenschlichung der Bäume dabei nicht etwas zu bequem ist, weil sie eine Auseinandersetzung mit dem Fremden und Anderen bewusst vermeidet. Über Ähnlichkeiten lassen sich andererseits natürlich mehr Menschen mobilisieren, und im Falle dieses Anliegens ist das auch gut so. Wenn man Wohlleben auf einer Demo am Hambacher Forst sprechen hört oder ihn dabei begleitet, wie er sich im kanadischen Vancouver für den Erhalt der indigenen Reservate engagiert, dann wird deutlich, wie dringend notwendig es ist, überhaupt ein Bewusstsein für die Verletzbarkeit der Natur zu schaffen.