Drama | Deutschland 2018 | 110 Minuten

Regie: Connie Walther

In einem semi-fiktionalen Experiment lässt eine Hundetrainerin in einem dystopischen Gefängnis vier Gewalttäter und drei aggressive Hunde aufeinander los und hält ihnen damit den sprichwörtlichen Spiegel vor. In nervenzerrenden Begegnungen überwinden die Männer schrittweise ihre gewaltträchtige Konditionierung und öffnen sich für ein Nachdenken. Der raffinierte filmische Grenzgänger zwischen Fiktion und Dokumentation entlarvt dabei auch das Konzept einer „toxischen“ Männlichkeit als gesellschaftliche Konstruktion. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Hands-on Producers/Zero One Film/action concept Film- und Stuntproduktion
Regie
Connie Walther
Buch
Nadin Matthews
Kamera
Birgit Gudjonsdottir
Musik
Hans-Joachim Roedelius · Arnold Kasar
Schnitt
Ewa J. Lind
Darsteller
Nadin Matthews · Ibrahim Al-Khalil · Konstantin-Philippe Benedikt · Ali Khalil · Marcel Andrée
Länge
110 Minuten
Kinostart
20.08.2020
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
Real Fiction/375 Media (16:9, 1.78:1, dt.)
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Drama um vier junge Gewalttäter, die in einer unterirdischen Betonareana in einem dystopischen Experiment mit aggressiven Hunden konfrontiert werden.

Diskussion

Den Spiegel vorgehalten zu bekommen, kann weh tun. Vor allem, wenn der einzige Ausweg die Konfrontation ist. Diesen Spiegel hält die Filmemacherin Connie Walther einem besonderen Rollenbild vor: dem Alphamännchen, jenem Männlichkeitsideal, das sich über Jahrhunderte hinweg als Grundlage aller patriarchalen Strukturen gesellschaftlich tief eingegraben hat. Als „toxische Maskulinität“ wird dieses Konzept mittlerweile von vielen Seiten kritisch hinterfragt und insbesondere auch seine evolutionsbiologischen Erklärungsmodelle dekonstruiert. Walther nennt ihren Film deshalb auch schlicht „Die Rüden“ und unterstreicht die doppelte Bedeutung des Begriffs. Vier Gewaltverbrechern stellt sie drei „unvermittelbare“ Hunde gegenüber. Sie alle sind gescheiterte Alphamännchen, hoffnungslose Fälle. Die Hundetrainerin Lu Feuerbach lässt diese sieben Protagonisten in einem minimalistischen Setting aufeinander los und arbeitet mit ihnen.

Realität und Fiktion korrespondieren

Der Clou daran ist, dass in diesem Konzept Realität und Fiktion miteinander korrespondieren. Für das Drehbuch hat die Regisseurin eng mit der Hunde- und Kommunikationstrainerin Nadin Matthews zusammengearbeitet, die auch die Hauptrolle der Lu Feuerbach spielt. Die drei Hunde sind tatsächlich schwer vermittelbare Fälle aus dem Tierheim, die Strafgefangenen castete Walther unter ehemaligen Häftlingen, die als aggressive Gewalttäter verurteilt worden waren. Sie alle erhalten in einem fiktionalisiert überhöhten Setting einen Raum zur Auseinandersetzung; die Spielfilmhandlung wurde gemeinsam mit Matthews und den Männern erarbeitet. Fiktion als Reflexionsraum der Realität sozusagen.

Das Gefängnis ist in dieser dystopischen Welt ein Betonklotz in einer Steinwüste; weit und breit sind keine Anzeichen von Zivilisation oder anderen Menschen zu erkennen. In dieser leeren Landschaft sind die Häftlinge gänzlich auf sich selbst zurückgeworfen. Eine Versuchsanordnung, die nicht nur an den Egos der fiktionalisierten Männer sägt, sondern auch an der vermeintlich eindeutigen Trennlinie zwischen Realität und Fiktion. Die „toxische Männlichkeit“ wird so gegen sich selbst gewendet.

Die Nerven liegen blank

Anfangs sieht man die vier Häftlinge in Frontalansicht; ihre Vergehen und das Strafmaß werden in zackigem Ton wie aus einer Gerichtsakte vorgetragen. Raub, schwere Körperverletzung, soundso viele Jahre. Genauso werden die Hunde vorgestellt. In den Treffen mit der Trainerin werden aus diesen Aktenzeichen dann langsam Persönlichkeiten mit Geschichten, die hinter der abgestumpften Fassade schlummern. Es kristallisiert sich heraus, dass es um die Einübung von Kommunikationsstrategien geht, um einen Handlungsspielraum jenseits des Aggressionsausbruchs. Der muss allerdings erst geschaffen werden. Denn die Hunde lassen zunächst keinerlei Annäherung zu. Sie reagieren auf die kleinsten Gesten und Gefühlsregungen aggressiv und spüren, wenn sich ihnen einer der Männer mit Angst oder aus Trotz nähert.

Die Nerven liegen blank, auch beim Zusehen. Eigentlich müssten die vier Häftlinge sich in dieser Situation pudelwohl fühlen, denn sie kennen es nicht anders: Schon immer haben sie Konflikte mit Gewalt gelöst. Doch hier ist es anders, hier greifen scheinbar selbstverständliche Verhaltensweisen nicht mehr. Indem die Hunde das Verhalten der Häftlinge spiegeln, stellen sie erlernte Reaktionsmuster in Frage. Wie geht man offen auf ein Gegenüber zu? Wie markiert man das eigene Revier, die eigene Absicht, ohne Zwang auszuüben? Wo hört Kommunikation auf Augenhöhe auf und beginnt Manipulation? Nur langsam loten die Männer das Konzept der Empathie aus – in ständigem Austausch mit den Tieren.

Keine einfachen Schlussfolgerungen

Das auf Gewalt konditionierte Verhalten der Häftlinge löst sich langsam auf, und dieser Prozess triggert in Rückkopplungen auch emotional etwas in ihnen. Erstmals können sie das Gefühl artikulieren, von der Familie unterdrückt, von der Gesellschaft abgehängt und vom System im Stich gelassen worden zu sein. Die Inszenierung lässt sich jedoch nie verleiten, einfache Schlussfolgerungen gelten zu lassen – der Opfergestus der mit ihrer toxischen Maskulinität konfrontierten Männer ist in „Die Rüden“ niemals Entschuldigung, sondern Symptom auf einem Weg des Verstehens.

Die häufig sehr abstrakt geführte Diskussion wird hier auf einer körperlich erfahrbaren Ebene heruntergebrochen; die Anspannung schwingt beim Zuschauen somatisch mit. Damit hat Connie Walther ein wahres Biest von einem Film geschaffen, das toxische Männlichkeit aus ihrer systemischen Verankerung löst und somit als zur Wirklichkeit gewordenen Konstruktion entlarvt.

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