Drama | Österreich/Deutschland 2024 | 121 Minuten

Regie: Veronika Franz

Eine junge Bäuerin aus Oberösterreich fühlt sich Mitte des 18. Jahrhunderts nach ihrer Heirat nicht wohl. Sie ist überfordert und wird von ihrer Schwiegermutter gegängelt, als ihr Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Als ihre Depressionen immer schwerer werden und ihr niemand beisteht, greift sie zu einem schockierenden Mittel, um ihrem unerträglichen Leben zu entkommen. Das düstere Drama zeichnet das Psychogramm einer verzweifelten Frau, die von einem rigiden Glaubenskodex in die Katastrophe getrieben wird. Der überzeugend ausgestattete und gespielte Film droht durch Folk-Horror-Elemente bisweilen allerdings ins Groteske zu kippen. - Ab 18.
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Filmdaten

Produktionsland
Österreich/Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Heimfilm/Ulrich Seidl Film Prod./ORF/arte/BR
Regie
Veronika Franz · Severin Fiala
Buch
Veronika Franz · Severin Fiala
Kamera
Martin Gschlacht
Musik
Anja Plaschg
Schnitt
Michael Palm
Darsteller
Anja Plaschg (Agnes) · Maria Hofstätter (Mutter Gänglin) · David Scheid (Wolf) · Natalija Baranova (Ewa Schikin) · Lukas Walcher (Lukas)
Länge
121 Minuten
Kinostart
14.11.2024
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Drama | Historienfilm | Horror
Externe Links
IMDb | TMDB

Drama um eine kinderlose Bäuerin aus Oberösterreich, die Mitte des 18. Jahrhunderts in schweren Depressionen versinkt.

Diskussion

Frömmigkeit und Aberglaube sind im ländlichen Oberösterreich um 1750 weit verbreitet. Die junge Agnes (Anja Plaschg) feiert ausgelassen ihre Vermählung mit dem etwas dumpfen, aber gutmütigen Teichwirt Wolf (David Scheid) und wünscht sich nichts mehr als ein Kind. Aber schon in der Hochzeitsnacht wird sie enttäuscht, obwohl sie nichts dem Zufall überlässt und unter ihre Matratze den abgeschnittenen Finger einer hingerichteten Kindsmörderin legt. Die sonderbare Todesreliquie soll für neues Leben sorgen.

Als der Gatte aber nach einem missglückten Versuch fortan den Beischlaf verweigert, beginnt für Agnes ein langer Leidensweg. Ihre täglichen Gebete helfen nicht weiter, und auch in der schweren Arbeit der bäuerlichen Gemeinschaft findet sie keine Ablenkung. Selbst beim Karpfenfang ist sie keine große Hilfe, eher ein störender Fremdkörper. Die ständige Anwesenheit der Schwiegermutter in dem für das Paar gekauften Steinhaus verunsichert sie, zumal sie Anweisungen für die Führung des Haushalts gibt und mit Kritik nicht geizt.

Ein Kreislauf der Gewalt

Allmählich fällt es auf, dass sich kein Nachwuchs einstellt. Die stigmatisierte Agnes wagt es nicht, über die Ursache zu sprechen. Stattdessen macht sie lange Spaziergänge im Wald, schläft auf moosüberwucherten Steinen, sammelt Schmetterlinge und entzieht sich zunehmend ihren Pflichten. In einem Keller erschafft sie sich einen naturverbundenen Altar und versteckt sich dort vor der Außenwelt, die ihr nach dem Selbstmord eines Dörflers und der grausamen Reaktion der Kirche zunehmend Angst bereitet.

Agnes wird schwermütig, flüchtet zu Mutter und Bruder, wird aber von ihrem Mann mit Gewalt wieder zurückgebracht. Schließlich hat seine Familie in die Ehe investiert; das soll sich endlich auszahlen. Die Erwartungen verschlimmern ihren ohnehin fragilen Zustand. Sie verletzt sich selbst, steht nicht mehr auf, wird von Albträumen heimgesucht und verweigert jede Arbeit. Als sie Rattengift schluckt, zwingt Wolf sie, alles zu erbrechen. Dann bringt er sie zu ihrer Familie zurück, da sie nutzlos geworden ist. In der vertrauten Umgebung scheint Agnes sich zu erholen, doch hinter der „Genesung“ steht der Entschluss, einen Mord zu begehen und durch eine Hinrichtung erlöst zu werden, anstatt nach einem Selbstmord im ewigen Fegefeuer zu enden.

Diese altmeisterliche „Vita dolorosa“ kostet das österreichische Regieduo Veronika Franz und Severin Fiala bis zum bitteren Ende einer verzweifelten, hochemotionalen Beichte aus. Als Vorlage dienten historische Gerichtsprotokolle, die ähnliche Fälle dokumentierten. Die Hauptdarstellerin Anja Plaschg zergeht vor der statischen Kamera vor Schmerz und Wahnsinn, während sich der ihr zuhörende Priester im Schweigen ergeht, statt auf ihre Sorgen einzugehen. Die Religion bietet keinen Trost, sondern ist ein Unterdrückungssystem, das keine Abweichung duldet.

Wie aus einem Brueghel-Gemälde

Als Horrorfilm funktioniert „Des Teufels Bad“ aber nur bedingt. Es fließt zwar Blut und man bekommt auch Kadaver zu Gesicht oder zerhackte Körper, aber das Unbehagen erwächst mehr aus den Dorfbewohnern und ihren Umgang untereinander. Das Geschehen fängt der Kameramann Martin Gschlacht mit einer Lichtsetzung ein, die an flämischen Meister erinnert. Mitunter wähnt man sich in einem zum Leben erwachten Brueghel-Gemälde, in dem auf die harte Arbeit auch Tanz, Fest und Rausch folgen.

Die in der zweiten Hälfte dominierende düstere Atmosphäre erwächst aus den vernebelten Winterlandschaften, omnipräsenten Schatten und der bedrückend schwebenden Musik aus Drehleier, Flöte und Industrial-Elementen, die keinen Zweifel daran lässt, dass es in dieser archaischen Gegend mit ihrem repressiven Glaubenssystem und gänzlich fehlender Aussprache für die Protagonistin keinen Exit aus „des Teufels Bad“ geben wird, wie die Bewohner ihre psychische Erkrankung nennen. Agnes ist Opfer und Täterin, mit ihrem trostlosen Leben überfordert und doch noch tatkräftig genug, um ein Kinderleben zu zerstören. Dabei glaubt sie sogar, dem von ihr getöteten Jungen einen Gefallen getan zu haben, denn als Engel wäre er von der Schwere der Welt erlöst.

Der Fluch des Blutes

Nach den kirchlichen Dogmen steht ihr für diese religiös verblendete Lösung ihrer Probleme die Vergebung von ihren Sünden zu. Am Ende reißen sich die Bewohner um das „heilende“ Blut der Hingerichteten. Der Kreislauf zu der Kindsmörderin vom Prolog schließt sich.

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