Ein gutbürgerliches Ehepaar steht vor der Scheidung und will mit einer gemeinsamen Trennungstherapie alles gütlich lösen. Doch das geht gründlich schief.
Eigentlich ist die Ehe der Lehnerts ohnehin an einem Tiefpunkt angekommen, auch wenn sie ihren Nachbarn das glückliche Langzeitpaar aus der Hamburger Mittelschicht vorspielen. Beide gehen auf die Sechzig zu. Die Routine erschlägt Tag für Tag jede spontane Abweichung, und das klärende Gespräch endet stets in der Sackgasse festgefahrener Unterstellungen.
Dann findet Georg in einer 30 Jahre jüngeren Arbeitskollegin, die bei ihm promovieren möchte, unerwartet eine Geliebte, was bei Ehefrau Doris das Fass zum Überlaufen bringt, zumal ihr der Noch-Ehemann in der Trennungstherapie vorwirft, sie hätte sich im Verlauf ihrer Beziehung zu einer langweiligen Hausfrau und überbehütenden Mutter entwickelt.
In Konfrontation mit den Fragen der Therapeutin überschüttet man sich mit verschwiegenen Wünschen, verpassten Chancen, Aufopferungsgefühlen, Gewaltfantasien und Ängsten, flankiert von reichlich auseinanderdriftenden Perspektiven auf die gemeinsamen Jahre und das Procedere, wer denn nun welchen Anteil am gemeinsamen Besitz bekommen solle.
Das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein
Diese Grundkonstellation funktioniert wie ein fesselndes Kammerspiel, das sich auf zwei in ihrer jeweiligen Wahrnehmung zu kurz gekommene Charaktere konzentriert, entfaltet im zweiten Teil aber eine Dynamik, die auch in die eingeschlafene Beziehung der beiden allmählich zurückkehrt.
Während die Scheidung unausweichlich scheint und für den an einem Bandscheibenvorfall leidenden Georg die jüngere Geliebte vor allem körperlich größere Strapazen mit sich bringt, nutzt Doris die Gunst der Stunde und macht sich selbständig. Als sie ihren neuen Lebensweg mit einem Lover garniert, meldet der scheidende Gatte plötzlich Besitzansprüche an und ergeht sich in Eifersuchtsanfällen, die sich ganz bodenständig im Demolieren des Luxuswagens seines Rivalen entladen können.
Ähnlich wie in Roman Polanskis „Der Gott des Gemetzels“ oder Nancy Meyers’ „Was das Herz begehrt“ steht der unerwartet enthemmte Schlagabtausch kultivierter Menschen im fortgeschrittenen Alter im Mittelpunkt dieser gut geölten „Beziehungskomödie“ von Rainer Kaufmann, der mit „Stadtgespräch“ (1995) das Genre im deutschen Populärkino nachhaltig verankert hat und 24 Jahre später die komödiantischen Momente im Abgesang auf die unausweichliche Monotonie einer Ehe findet.
Das Ticken der verbleibenden Zeit
Getragen von zwei brillierenden Hauptdarstellern, Martina Gedeck und Ulrich Tukur, die schon in „Gleißendes Glück“ auf Augenhöhe gegeneinander kämpften, schäumt Kaufmann nicht unnötig auf, bleibt auch mit der Kamera stets bei den mal weinend, mal wutentbrannt kriselnden Figuren, die längst die Uhr ihrer Existenz ticken hören und die verbliebene Zeit nicht in einem Lügengebäude verbringen wollen.
Im Verlauf der aufs Klassischste eskalierenden Auseinandersetzungen wächst das Gefühl des Verlustes und die verunsichernde Einsicht in den Preis der herbeigesehnten Freiheit, die nicht jedem der Streithähne bekommt. Ein schönes Geschenk an Gedeck und Tukur und ein Friedensangebot an all jene, die der Unschärfe in Liebesdingen mit einem vielleicht verspäteten, aber dafür beherzten Vulkanausbruch begegnen möchten.