Es war eine mutige und riskante Entscheidung, in die Fußstapfen seines heldisch verehrten Vaters zu treten. Seit dem tragisch gescheiterten Lima-Projektes vor 20 Jahren hängt das Konterfei von Clifford McBride (Tommy Lee Jones) in der Ahnengalerie der NASA. Allerdings ahnt sein Sohn Roy McBride (Brad Pitt) nicht, dass alles eine große Lüge ist. Denn sein Vater ist kein Held gewesen, sondern das Problem, das zum Scheitern der Mission führte.
Erschwerend kommt hinzu, dass der verschollene Kommandant gar nicht tot ist, sondern höchst umtriebig dafür verantwortlich zu sein scheint, dass Roy bei einem elektromagnetischen Interplanetar-Sturm fast ums Leben gekommen ist. Es müssen die Experimente eines Wahnsinnigen gewesen sein, die die Protuberanzen vom Neptun aus ins Sonnensystem geschickt haben. Eine tödliche Gefahr für alles Leben auf der Erde, wenn sich der Vorfall öfters wiederholen sollte.
Dem Vater gar nicht so unähnlich
Die geheime Mission des erfahrenen NASA-Ingenieurs besteht fortan darin, das mutmaßliche Versteck seines Vaters aufzustöbern und seinem Handeln ein Ende zu setzen.
Es ist eine klassische Heldenreise, die sich James Gray und sein Co-Autor Ethan Gross ausgedacht haben. Roy McBride soll sich einem Abenteuer stellen, das ihn über die Grenzen des Denkbaren hinausführt. Er muss sich selbst finden, indem er die idealisierte Vergangenheit in Frage stellt. Der Mann, den nichts aus der Ruhe bringt und der es gelernt hat, sich nur auf sich selbst zu verlassen, muss erkennen, dass die übermächtige Vaterfigur in Wahrheit ein Anarchist oder Rebell oder vielleicht sogar ein Terrorist ist. Schlimmer noch: Er selbst, der besonnene, reflektierte NASA-Ingenieur, ist seinem fremden Vater wohl gar nicht so unähnlich. Was für eine Wandlung.
Der Mythenforscher Joseph Campbell hätte seine Freude an dieser Geschichte gehabt, derart makellos wird sie hier als Initiation erzählt. Wenngleich sie zugleich aber meilenweit vom gängigen Erzählrhythmus des Hollywood-Kinos entfernt ist. Der 50-jährige Regisseur James Gray, der schon mit seinem Debüt „Little Odessa“ (1994) eine tragische Vater-Sohn-Geschichte erzählte, folgt auch in „Ad Astra“ seinen ukrainischen Wurzeln und verleiht dem Science-Fiction-Film einen dunkel-elegischen Duktus.
Ein Notruf im All
Die wenigen klassischen Actioneinschübe auf dem Mond, auf dem McBride Zwischenstation macht, wirken fast wie verstörende Fremdkörper, wenn er auf der dunklen Seite von schießwütigen Piraten angegriffen wird. Und eine Szene auf dem Weg zum Neptun mutet fast wie aus einem anderen (Horror-)Film an, wenn der Notruf eines wissenschaftlichen Raumschiffes eine Kurs- und Planänderung der Mission nötig macht.
Viel wird über das Ende zu reden sein, das weniger grimmig dem „Herz der Finsternis“-Roman von Joseph Conrad respektive seiner Coppola-Adaption „Apocalypse Now“ folgt, an die die „Heldenreise“ in „Ad Astra“ häufig erinnert.
Töne aus dem Dunkeln
Nach der langen, beschwerlichen, aber letztendlich geradezu unspektakulären Reise zum Neptun steht ein hochemotionales Aufeinandertreffen an, dessen Klimax in einen echten Abnabelungsprozess mündet. Das mutet ein wenig metaphysisch an und entlässt in einem schwebend-aufgewühlten Zustand. Wie gut, dass die Filmmusik von Max Richter noch lange über dem ganz in Schwarz gehaltenen Abspann liegt: zum Sammeln, Reflektieren und einem endgültigen Fallenlassen.