Eine ausgelassene Liebeserklärung ans Theater und die Macht der Illusionen, die lustvoll um die Entstehungsgeschichte der Komödie „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand kreist, angesiedelt in einem Bilderbuch-Paris des Fin de Siècle, charmant und voller Pointen.
Versdramen sind nicht jedermanns Sache. Das muss auch Edmond Rostand (1868-1918) schmerzvoll erfahren. Seine kunstvoll gereimten Tragödien haben es schwer, selbst wenn die große Sarah Bernhardt die Hauptrolle spielt. Ganz Paris will Komödien sehen, am liebsten die von Georges Feydeau, Rostands größtem Konkurrenten im Kampf um die Gunst des Publikums. Nach seinem letzten Flop ist Rostand finanziell und künstlerisch am Boden. Ein Auftrag des Theatermachers und Schauspielstars Constant Coquelin für ein neues Stück kommt deshalb gerade zur rechten Zeit.
Leichtsinnigerweise sagt Rostand zu, eine Komödie zu schreiben. Coquelin, der darin die Hauptrolle übernimmt, steht ebenfalls unter Zugzwang. Es bleiben nur drei Wochen, um einen Erfolg auf die Bühne zu bringen, sonst wird das Theater geschlossen.
Liebesbriefe für einen Freund
Bei einem Tässchen Kräutertee in seinem Lieblingscafé findet der Autor Rostand immerhin seine Hauptfigur: Cyrano de Bergerac. Jetzt fehlt nur noch der Inhalt. Bei der Grundidee für das Stück hilft ihm unwissentlich sein gutaussehender, aber leicht verwirrter Freund, der Schauspieler Léo. Er hat sich in die ebenso kluge wie hübsche Jeanne verliebt und lässt sich von Edmond die richtigen Worte vorsagen, um ihr Herz zu erobern. Edmond schreibt ihr schließlich ohne Léos Wissen, aber in dessen Namen romantische Briefe. Jeannes Antworten wirken auf den Autor extrem inspirierend, der in den Nächten zwischen den Proben wie besessen an dem Stück weiterschreibt.
Doch immer neue Hindernisse müssen bewältigt werden: Edmonds Frau findet Jeannes Briefe und wittert eine Affäre. Coquelins unbegabter Sohn soll mitspielen, und die Rolle der jungen Roxane erhält ausgerechnet jene ältere Schauspielerin, die einst die Geliebte von Coquelins Geldgeber war. Als dann auch noch Jeanne am Theater auftaucht, um ihren neuen Job als Garderobiere anzutreten, steigern sich die Turbulenzen. Trotz allem öffnet sich am Premierenabend der Vorhang.
Der in Frankreich als Schauspieler und Autor bekannte Alexis Michalik erzielte im Jahr 2016 am Theater mit dem Stück „Edmond“ (so auch der Originaltitel des Films) seinen bisher größten Erfolg. Ähnlichkeiten zu „Shakespeare in Love“ sind kein Zufall – die Komödie von John Madden diente als Vorbild.
Träumerische Hingabe, drollige Hilflosigkeit
Anfangs sollte „Edmond“ gleich ein Film werden, doch als Newcomer konnte Michalik keine Finanziers für die aufwändige Produktion finden. Nun führt Michalik sogar Regie und hat vor allem das Drehbuch geschrieben. Was er dabei als Autor leistet, ist schlicht großartig. Er porträtiert einen anfangs schüchternen Helden, der sich aus der Not heraus vom frustrierten Dichter zum Kämpfer wandelt, gelenkt von der Liebe zum Theater. Thomas Solivérès spielt diesen leidenschaftlichen Künstler mit einer umwerfenden Mischung aus träumerischer Hingabe und drolliger Hilflosigkeit, die sich in einen genialischen Zwangsaktivismus verwandelt. Den schönen, aber einfältigen Léo gibt Tom Leeb mit putzigem Teddybärencharme, Lucie Boujenah mimt Jeanne mit Anmut und viel kessen Witz. Sie wird von Léos Schönheit angezogen und verliebt sich in seine wunderbaren Worte, die allerdings von Edmond stammen.
Was im Stück tragisch endet, verwandelt sich im Dreieck zwischen Edmond, Léo und Jeanne in eine Liebeserklärung an die Macht der Illusion. Die Dialoge sind passgenau auf die Figuren zugeschnitten, die Pointen fliegen fröhlich hin und her. Es gibt zahllose Seitenhiebe auf die Welt des Theaters und des Films, doch trotz aller Insiderscherze steht die unterhaltsame Story im Vordergrund. Die lebhafte Bildgestaltung und ein auf die Gags akzentuierter Filmschnitt unterstützen die fast durchgängig übermütige Atmosphäre.
Das farbenfrohe Fin-de-Siècle-Paris ist eine augenzwinkernd präsentierte Klischee-Idylle. Hier wird eifrig Cancan getanzt, es gibt kokette Kokotten, und der Rotwein fließt in Strömen. Zum Ende des Stücks erweist die Inszenierung Rostand die Reverenz und wird ernsthaft: Als Cyrano de Bergerac den Bühnentod stirbt, öffnet sich der Raum, die Szene verlässt das Theater und führt hinaus in die Welt. Die Bühne ist zu klein geworden für den Dichter und seinen Helden.
Eine Reverenz an den historischen Klassiker
Für den Abspann hat sich Michalik ebenfalls einen schönen Kunstgriff ausgedacht: Fotos und Filmclips illustrieren den Weg des historischen Klassikers „Cyrano de Bergerac“ über mehr als 100 Jahre. Damit schlägt der Film einen Bogen zwischen der Komödie, dem Theaterstück und den Cyrano-Darstellern aus allen Epochen des Kinos – eine liebenswerte Idee für einen ausgelassenen Film, der dennoch niemals platt oder seicht wirkt. Chapeau!