Vier frustrierte US-Studenten wollen bibliophile Schätze aus einer Universitätsbibliothek klauen. Inspiriert durch „perfekte Raubzüge“ aus der Filmgeschichte, nimmt die Idee schnell Formen an, stürzt die dilettantischen Protagonisten aber eine höchst reale Existenzkrise.
Spencer Reinhard ist nicht der untalentierteste Kunststudent auf dem Campus der Transylvania University in Lexington, Kentucky. Doch einmal mehr zweifelt er am Sinn des Lebens und seiner Aufgabe im Universum. Helfen könnte ihm die Bibliothek, die ihm zu ungeahnter Inspiration verhilft. Denn dort sind einige der bedeutendsten Schätze der Literaturgeschichte ausgestellt, etwa die bibliophile Originalausgabe von Darwins „Entstehung der Arten“ und John James Audubons „The Birds of America“. Werke, die Millionen wert sind und nur von einer einzigen Bibliothekarin umhegt werden.
Auf den Spuren von „Rififi“ und „Ocean’s Eleven“
Alles, was Spencer noch braucht, sind ein Hehler und ein Plan. Die Vermarktung könnte ein Bekannter besorgen, fürs pfiffige Know-How gibt es Film wie „Rififi“ oder „Ocean’s Eleven“, und Informationen zum perfekten Einbruch lassen sicher ergoogeln. Um den Coup durchzuziehen, braucht er nur noch eins: ein Team. Das besteht bald aus Warren Lipka, einem hyperaktiven, aber ziemlich faulen Sportstipendiaten, Erik Borsuk, einem Kumpel aus Jugendtagen, sowie Chas Allen, dem ungeliebten viertes Rad am Wagen, der aber über ein Auto verfügt, das die Truppe mobil macht. Zusammen sind sie mehr oder minder fest entschlossen, Geschichte zu schreiben.
Der Film von Bart Layton um einen Bücherraub ist nicht nur eine wahre, sondern eine „unglaublich wahre“ Geschichte. Der Regisseur und Drehbuchautor hat sich aus gutem Grund entschlossen, neben der fiktionalisierten Handlung auch die wahren Beteiligten zu Wort kommen zu lassen. Und als sei diese Kombination aus Dokumentation und Heist-Comedy noch nicht genug, dürfen die echten „ Helden“ ihre filmischen Alter Egos in coolen Worttiraden und treffenden Gesten kommentieren, und sei dies nur in einem fatalistischen Zusammenspiel von Mundwinkel, Handbewegung und Augenzucken.
Absurder Raubzug, den man schräger nicht hätte erfinden können
Doch „American Animals“ hat noch mehr zu bieten als die Idee, auf ungemein vergnügliche Weise Doku und Fiktion zu vermengen und damit die Geschichte eines absurden Raubzuges zu erzählen, wie man sie schräger nicht erfinden könnte. Layton kommt der Glücksfall zugute, dass die telegenen Protagonisten ihren Coup mit enormem Kommunikationstalent zu schildern verstehen. Außerdem hat er großartige Jungdarsteller gefunden, die zwar nicht unbedingt als „Lookalikes“ durchgehen, deren Chemie die studentische Schicksalsgemeinschaft aber kongenial zusammenschweißt.
Aber es reicht Layton nicht, „nur“ eine Heist-Komödie zu erzählen. Dazu ist die Geschichte einfach zu tragisch. Nachdem man sich in der ersten Hälfte an all den absurden Situationen, den unfreiwilligen Pointen und dem brillanten Timing sattgesehen hat, mit dem Layton zwischen Interviews und Handlung jongliert, kippt der Film unversehens ins Dramatische. Plötzlich lernt man die seelischen Untiefen der Figuren ernst zu nehmen und wird gewahr, dass es hier nicht um einen fürs Kino aufgehübschten Raub geht, sondern um existentielle Krisen, die vier Studenten endgültig aus der Bahn zu hebeln drohen. Das stellt „American Animals“ weit über so erfrischende Popcorn-Unterhaltung wie „Ocean‘s Eleven“ oder den kammerspielartigen Thriller „Reservoir Dogs“. Layton zeigt auf eindrückliche Weise, wie beiläufig aus virtuoser Unterhaltungskunst so etwas wie Tragik und Ernsthaftigkeit entspringen kann. Am Ende ist mitnichten alles gut – aber gut, dass hier alles so gefilmt worden ist.