Vor ziemlich genau 50 Jahren waren die Gassen am Samstagabend meist leergefegt, weil die Deutschen sich vor dem Fernseher versammelten, um die Fernsehserie „Daktari“ zu verfolgen. Darin ging es um ein Dschungelcamp mit äußerst sympathischen Bewohnern, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, den Tieren des Urwalds zu helfen. Die übermütige Schimpansin Judy oder der schielende Löwe Clarence genießen bei manchen bis heute Kultstatus.
Der Kinospielfilm „Mia und der weiße Löwe“ des vom Dokumentarfilm kommende Regisseur Gilles de Maistre steht ganz in der Tradition der berühmten Serie. Der Film ist nicht nur in „old school“-Manier gedreht, ohne computergenerierte Tricks oder Green-Screen-Aufnahmen, sondern bringt in jeder Einstellung eine enorme Liebe und Verehrung für Fauna und Flora zum Ausdruck.
Ein Tollpatsch namens Charlie
Transportiert wird diese Liebe über die titelgebende Protagonistin, die elfjährige Mia, die sich anfangs gar nicht mit dem fremden Südafrika arrangieren will. Sie und ihr Bruder wurden von ihren Eltern gezwungen, das geliebte London mit allen Freunden zu verlassen. Doch dann bringt ein sehr seltenes weißes Löwenbaby auf der Großkatzenzuchtfarm, die Mias Vater dort betreibt, Leben in die Bude. Mia findet Gefallen an dem kleinen tollpatschigen Wollknäuel namens Charlie, und nach und nach werden die beiden unzertrennliche Freunde, bis der verschmuste Löwe zu einem gefährlichen Raubtier heranwächst.
Es sind insbesondere die intensiven Interaktionen zwischen Mensch und Tier, die diesen (Natur-)Film so besonders machen. Die Produktion hat dafür einiges an Aufwand betrieben. So zogen sich die Dreharbeiten über einen Zeitraum von drei Jahren hin, um die innige Beziehung zwischen Mia und Charlie entwickeln zu können. De Maistre, der schon für die französische Fernsehdokumentation „Les petits princes“ Kinder mit wilden Tieren filmte, sicherte sich die Unterstützung des legendären „Löwenflüsterers“ und Filmemachers Kevin Richardson, dem die Bilder einer kaum für möglich gehaltenen Nähe und Zärtlichkeit zwischen Mädchen und Raubkatze primär zu verdanken sind.
Außergewöhnliche Nähe zwischen Mensch und Tier
Für diese Authentizität, die sonst höchstens in Dokumentationen erreicht wird, mussten die Filmemacher Abstriche im Drehbuch hinnehmen. Die anderen zweibeinigen Darsteller bleiben meist nur Staffage, Mélanie Laurent als Mias Mutter hat lediglich die Aufgabe, ihren französischen Charme spielen zu lassen und die Familie zusammenzuhalten. Und Langley Kirkwood wird die unrühmliche Aufgabe zuteil, den Vater-Tochter-Konflikt zu befeuern, als die Tochter herausfindet, dass ihr „ehrenwerter“ Dad die gezüchteten Löwen in Wirklichkeit an dubiose Geschäftsleute verhökert.
Das aber tut der Dramaturgie des Films ganz gut. Denn als Mia in der Folge versucht, Charlie dass Leben zu retten und ihn in einem Reservat unterzubringen, nimmt die beschauliche Handlung etwas Fahrt auf. Im Abspann wird die Freiheit des Königs der Tiere mit dem Tokens-Songs „The Lion Sleeps Tonight“ gefeiert. Der Hinweis, dass Löwen auch durch die Großwildjagd in Südafrika vom Aussterben bedroht sind, unterstreicht die Intention des Films: „Mia und der weiße Löwe“ ist ein flammendes Plädoyer für einen gewissenhafteren Umgang mit der Erde.