Knapp 30 Jahre nach Randal Kleisers Adaption von Jack Londons „Wolfsblut“, die damals vor allem durch ihre beeindruckenden Naturaufnahmen sowie die darstellerischen Leistungen von Ethan Hawke und Klaus Maria Brandauer überzeugte, wagt sich Alexandre Espigares an eine weitere Verfilmung des legendären Jugendbuchklassikers. Der in Deutschland lebende Regisseur spanisch-luxemburgischer Abstammung wählt bei seiner Interpretation einen anderen Weg als Kleiser und setzt den Stoff erstmals als Animationsfilm um.
Bei der Handlung hält sich Espigares weitgehend an die bekannte Vorlage. Der kleine Wolfshund-Mischling wächst während des Goldrauschs um 1900 in der unberührten Natur Nordamerikas auf. Später schließt er sich einem Indianerstamm an, wo er unter den Fittichen von Häuptling Grey Beaver erfolgreich zum Schlittenhund ausgebildet wird. Eine finanzielle Notlage zwingt Grey Beaver dann aber dazu, Wolfsblut an den zwielichtigen Geschäftemacher Beauty Smith zu verkaufen. Der setzt ihn bei Hundekämpfen ein, wo das stolze und unbezwingbar scheinende Tier binnen kürzester Zeit zum „Schrecken des Yukon“ aufsteigt und seinem Besitzer ein Vermögen einbringt. Als Wolfsblut bei einem dieser blutigen Duelle beinahe sein Leben lässt, nimmt ihn ein US-Marshall in seine Obhut und pflegt ihn gesund. Doch Beauty Smith denkt gar nicht daran, seine Goldader ohne weiteres aufzugeben.
Der hochdekorierte Trickfilmer Espigares, der 2014 für „Mr Hublot“ mit dem „Oscar“ für den besten animierten Kurzfilm ausgezeichnet wurde, hat sein Handwerk unter anderem durch seine Mitarbeit bei großen Studio-Produktionen wie „Happy Feet 2“, „Tarzan 3D“ oder „Iron Man 3“ erlernt. Doch im Gegensatz zum weichgespülten Hollywood-Zeichentrick begeistert der Nachwuchsregisseur in seinem Langfilmdebüt mit einer eigenen Bildsprache. Während Fauna und Flora nahezu fotorealistisch abgebildet werden, wirken die menschlichen Eindringlinge in die Natur wie Fremdkörper. Die Gesichter der Personen sind grob und so markant, so wären sie mit der Axt aus einem Baumstamm geschlagen, in gewisser Weise erinnern sie an die finsteren Gestalten aus den Spaghetti-Western von Sergio Leone. Insbesondere in den Hundekampf-Sequenzen dominieren die Farben Braun, Grau und tiefstes Schwarz; zuweilen sind gerade noch Umrisse zu erkennen. Das steht in markantem Gegensatz zur lichtdurchfluteten Wildnis mit ihren schneebedeckten Baumwipfeln und Berggipfeln, wo Weiß, Gelb und Grün vorherrschen.
Ebenfalls nicht Disney-like ist die Tatsache, dass die Tiere in „Die Abenteuer von Wolfsblut“ nicht sprechen (können). Das bringt nicht nur ein Höchstmaß an Authentizität mit sich, die durchaus mit der damals noch revolutionären Entscheidung vergleichbar ist, die Indianer in „Der mit dem Wolf tanzt“ (1990) in ihrer eigenen Sprache sprechen zu lassen; der Tonspur kommt dadurch eine besondere Bedeutung zu, weil das Tapsen durch den Schnee, das Knurren hungriger Wölfe oder das zuschnappende Gebiss weit intensiver wahrgenommen werden. Untermalt werden die Geräusche von einem breiten orchestralen Score, der mal lieblich-sanft die idyllische Natur umschmeichelt, mal düster-schmetternd drohendes Unheil ankündigt. Um den Film möglichst kindgerecht zu gestalten, spart Espigares Brutalität und Gewalt weitgehend aus. So finden Beutejagden, eine Auseinandersetzung mit einem aggressiven Luchs oder die Hundekämpfe durchgängig im Off statt. Das geht zwar etwas auf Kosten der Realitätsnähe, ermöglicht es aber, dass auch jüngere Kinder ab acht Jahren gefahrlos zusehen können. Zumal die nachtschwarze Grundstimmung sowie die Schwenks auf die wild grimassierenden Gesichter der geifernden Männer in der Kampfarena für mehr als genug Spannung und Nervenkitzel sorgen.
Da es die Inszenierung zudem fast spielerisch schafft, die Zerstörung ursprünglicher Natur und Kultur in Nordamerika anzuprangern, ist in diesem bemerkenswerten Filmpaket aus mitreißendem Entertainment, visueller Ausdruckskraft und detailgenauer Schilderung der Goldsucher-Ära sogar eine kleine Portion Mehrwert enthalten.