Julie und die roten Schuhe

Liebesfilm | Frankreich 2016 | 80 Minuten

Regie: Paul Calori

Eine junge Frau fängt als Lagerverwalterin in einer Schuhfabrik an, als diese in einer Krise steckt: Die vor kurzem neu aufgestellte Firmenleitung in Paris würde die Schuhproduktion gerne ins kostengünstigere Ausland verlagern; die Arbeiterinnen begehren angesichts dieser Pläne auf. Die Protagonistin traut sich zunächst nicht, bei dem sich formierenden Protest mitzumachen, wird dann aber doch in den Arbeitskampf hineingezogen. Der Film versucht, das Sozialdrama in Musical-Form zu verpacken, wird dabei aber weder dem Anspruch seines Sujets noch den formalen Ansprüchen des Musical-Genres ganz gerecht. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
SUR QUEL PIED DANSER
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Loin Derrière L'Oural/France 3 Cinéma/Région Rhône-Alpes
Regie
Paul Calori · Kostia Testut
Buch
Paul Calori · Kostia Testut
Kamera
Julien Meurice
Musik
Olivier Daviaud
Schnitt
Damien Maestraggi
Darsteller
Pauline Etienne (Julie) · Olivier Chantreau (Samy) · François Morel (Félicien Couture) · Loïc Corbery (Xavier Laurent) · Julie Victor (Sophie)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Liebesfilm | Musical
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Tiberius (16:9, 2.35:1, DD5.1 frz./dt., dts dt.)
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Diskussion
Wenn ihr Chef gerade nicht hinschaut, legen die Arbeiterinnen aus der Schuhfabrik los: Die Handgriffe bei der Arbeit geben den Rhythmus vor, dann besingen sie selbstbewusst ihre Solidarität und tanzen im Verein durch die Fabrikhalle. Julie bleibt als eine der wenigen Frauen in diesem Moment außen vor und führt weiter stur ihre Arbeit aus. „Für Träume habe ich keine Zeit“, erklärt die Mittzwanzigerin einem LKW-Fahrer ihres Alters. Und wenn, träume sie am ehesten von einem unbefristeten Arbeitsvertrag. In dem traditionsreichen Unternehmen Couture ist Julie nur probeweise als Lagerverwalterin eingestellt worden, zuvor hatte die junge Frau am Ende ihrer letzten Probezeit nichts als ein Paar Turnschuhe erhalten und danach eine zähe Arbeitssuche hinter sich. Den Job bei Couture will sie nun um jeden Preis behalten, doch sind die Voraussetzungen denkbar schlecht. Die vor kurzem neu aufgestellte Firmenleitung in Paris würde die Schuhproduktion am liebsten ins kostengünstigere Ausland verlagern; die Arbeiterinnen begehren angesichts dieser Pläne auf, bringen damit aber erst mal nur sich und ihren direkten Vorgesetzten in die Bredouille. Ausbeuter und Ausgebeutete, Globalisierung und Solidarität, „die da oben“ gegen „uns da unten“. Das französische Regie-Duo Paul Calori und Kostia Testut fährt für seinen ersten Spielfilm „Julie und die roten Schuhe“ die vertrauten Grundlagen für ein Sozialdrama mit kapitalismuskritischer Ausrichtung auf, gibt dem Stoff aber eine unvorhersehbare Richtung: Immer wieder unterbrechen Musical-Sequenzen das Geschehen, mit denen sich die Figuren positionieren. Julie beschwört in solchen Momenten gern den optimistischen Glauben, es diesmal zu schaffen; der LKW-Fahrer Samy besingt das Freiheitsgefühl auf der Straße, während der schmierige Jungchef Xavier Laurent seine Gesangsnummer nutzt, um seine Absichten vor der Belegschaft herunterzuspielen. Solchen Soloauftritten werden die größer angelegten Choreographien entgegengesetzt – je mehr Menschen nach derselben Melodie tanzen, desto wahrnehmbarer sind sie auch in ihrem Widerstand, lässt sich diese bildsprachliche Idee in Worte übersetzen. Und natürlich entspringt die rettende Eingebung, um die Couture-Fabrik vor der Schließung zu bewahren, ebenfalls einem Lied. Das Pathos des Arbeitskampfes mit Musik abzufangen und sich gesellschaftlichen Problemen mit surrealen Mitteln zu nähern, ist grundsätzlich ein vielversprechender Einfall, angesichts vieler erfolgreicher Vorbilder: Schon in René Clairs „Es lebe die Freiheit“ (1931) vollzog sich die Akkordarbeit nach rhythmischen Vorgaben, zu veritablen Gesang- und Tanznummern schwangen sich dann die Arbeiter in amerikanischen Bühnen-Musicals von „The Pajama Game“ bis „Kinky Boots“ auf, Lars von Trier fand mit seinen Fabrikszenen in „Dancer in the Dark“ (2000) einen eigenen Zugang. Im Vergleich dazu gerät „Julie und die roten Schuhe“ jedoch immer wieder ins Stolpern, weil die Regisseure ihren Ansatz nicht mit der erforderlichen Originalität umzusetzen verstehen. Kaum eine der Gesangsnummern wird wirklich aus der Situation heraus motiviert, zudem bleiben sie auch musikalisch recht monoton auf dem Niveau wenig ambitionierter Hintergrundmusik. Ob wütender Aufschrei, Liebesschwur oder eitle Selbstbespiegelung: alles klingt ähnlich in den eigens für den Film geschriebenen Kompositionen durchaus bekannter Chanson-Verfasser wie Olivier Daviaud, Jeanne Cherhal und Albin de la Simone. Letztlich schadet diese Eintönigkeit auch der sozialen Aussage, die immer wieder verwässert zu werden droht. Hinzu kommt, dass „Julie und die roten Schuhe“ fahrlässig Steilvorlagen für Musical-Nummern ungenutzt lässt. Als zum Beispiel auf Anweisung von oben das Lager der Fabrik geräumt werden soll, stellen sich die Arbeiterinnen dem Trupp aus Männern entgegen und stampfen bedrohlich mit den Füßen auf. Was der Auftakt zu einem tänzerischen Zwist zu werden verspricht, läuft aber nur auf ein banales Gerangel mit anschwellender Musik hinaus. An anderer Stelle trauen sich die Filmemacher tatsächlich einmal einen Ausflug in fantastische Sphären, und schon liegt eine lockerere Stimmung in der Luft: Bei einer nächtlichen Tour beobachten Julie und Samy, wie an einer Tankstelle neben ihrem Fahrzeug ein Indianer mit seinem Pferd haltmacht, kurz darauf sitzt auf einmal unkommentiert eine mexikanische Band neben ihnen. Sich solchen Momenten öfter zu überlassen, hätte dem Film gut getan, der im Bemühen, Ansprüche an Realismus und Musical-Leichtigkeit gleichermaßen zu erfüllen, allzu oft beides verfehlt.
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