Der 17-jährige Simon Spier führt, so hört man ihn aus dem Off, ein ganz normales Leben. Er lebt in einem schönen Haus, hat verständnisvolle Eltern und eine kleine Schwester mit einer großen Leidenschaft für Kochrezepte. Simon ist ein guter Schüler, Mitglied der Theatergruppe und recht beliebt. Doch Simon hat ein Geheimnis. Er ist schwul, und keiner soll es wissen. Zu groß ist seine Furcht, dass ein Coming-out sein Leben auf den Kopf stellen könnte. Bis er durch seine Freundin Leah auf den Blog eines anonymen Mitschülers aufmerksam wird.
Dort schreibt ein Unbekannter unter dem Pseudonym „Blue“, dass er schwul sei und sich nicht traue, darüber zu reden. Simon fühlt sich sofort angesprochen und antwortet unter dem Alias „Jacques“. Ihr Email-Kontakt wird schnell offener und mitfühlender; hier haben sich zwei Seelenverwandte getroffen. Doch wer ist „Blue“? Kandidaten gäbe es mehrere; Simon spricht sie einen nach dem anderen an, doch ohne Erfolg.
Bewegung kommt erst auf, als die Nervensäge Martin, der ebenfalls Mitglied der Theatergruppe ist, die Internet-Korrespondenz entdeckt und Simon erpresst. Entweder verschaffe Simon ihm ein Date mit dessen Freundin Abby, oder er mache seine Homosexualität publik. Plötzlich sieht sich Simon gezwungen, hinter dem Rücken seiner Freunde eine Scharade aufzuführen, die viel emotionales Chaos stiftet. Abby gibt Martin einen Korb, der rächt sich, und plötzlich weiß jeder, dass Simon schwul ist. „Blue“ geht verschreckt auf Tauchstation.
Homosexualität im Mainstream-Kino. Das sind oft Geschichten von Ausgrenzung, Zurückweisung und Identitätskrisen, häufig verbunden mit tragischen Folgen, ausgelöst durch elterliches Unverständnis oder gesellschaftliche Vorurteile. Filme wie „Blau ist eine warme Farbe“
(fd 42 108) oder „Call Me by Your Name“
(fd 45 283), in denen die Figuren für ihre Homosexualität nicht bestraft werden, sondern sie wie selbstverständlich ausleben, sind immer noch selten. Regisseur Greg Berlanti geht in „Love, Simon“ einen Schritt weiter: Er verpackt die Selbstverständlichkeit der Homosexualität in eine High-School-Komödie, die die Klischees des Genres, vom spleenigen Schuldirektor über die ahnungslosen Eltern bis zur rauschenden Fete, auf der sich die Dinge entscheiden sollen, aufnimmt, um sie mit der Geschichte eines komplizierten Coming-outs gegen den Strich zu bürsten.
Eine schwule Teenager-Romanze ist ein origineller Ansatz. Berlanti hat den jugendlichen Protagonisten zudem genau aufs Maul geschaut. Er versteht ihre Sorgen und Nöte, die Suche nach Anerkennung und erste Erfahrungen. Egal, ob man schwul ist oder hetero: an der Schwärmerei für jemand anderen, an der Intensität der Gefühle, der Unsicherheit, ob sie erwidert werden, oder dem Kribbeln im Bauch ändert sich dadurch nichts.
Die Drehbuchautoren Elizabeth Berger und Isaac Aptaker haben dieses Gefühlschaos in kluge, witzige und oftmals sehr einsichtige Dialoge übertragen, die „Love, Simon“ zu einer erfrischend unterhaltsamen Komödie machen. Die Inszenierung ist gespickt mit überraschenden Ideen wie der kleinen Schwester, die Tag für Tag mit neuen Rezepten nervt, oder einer kurzen Traumsequenz, in der Teenager ihren verzweifelten Eltern offenbaren, dass sie heterosexuell sind. Der Humor geht dabei nie auf Kosten des Anspruchs. Schwulsein ist okay, erst recht für Teenager. Das ist die ebenso einfache wie immer noch wichtige Essenz des Films, und darum wird die Geschichte hier auch mit einem Happy End belohnt.